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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0177
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Weitsichtigkeit, «b

Nancher ficgf nichts in der NäZe,
Was von Weitem er wogt salze.
Zelbst den TelegrapZeN'Reuter
Nacht gleich die Distanz gescheuter;
Depeschirt da frank und frei.

Daß die ZoZe Polizei
Igre Zand im Zpiele gat
Vei 'nein Zomöenattentat.

Zwar nicht in Luropa. — aß)
Nein, in Züdamerika.

Der Professor, neunmal klug.

Zückt die Nase tief ins Buch.

Als wenn er kurzsichtig war':

Ziegt doch nichts, was um issn Zer:
Mer bei den alten Kriechen
ZieZt er krabbeln alle Riegen.

Zchenke man doch dem Beachtung,
Was bei nächster NaZöetrachtung
Nur noch immer meZr gewinnt!

Zo 'was gieöt es. und das sind

Unsre großen Patrioten

Nit den Kittern, mit den Zchloten,

Diese geben Alles Zin

Vlos aus purem Ldelsinn.

Ach. in der Begeist'rung Jener,

Da ist iZnen nichts zu tZcuer.

Kut und Blut mit Herz und Zand
Äpfern sie fürs Vaterland.

Herrn von Bennigsens Trompete
Zchmettert Zell in stolzer Rede
Unsrer Patrioten RuZm.

..Aber das Ausbeutertgum
Anderswo wird niemals satt".
Zchreibt ein großes Ärdnungsblakt.
..Wo iZr da Begeist'rung trefft.
Das ist alles nur Keschäfk!"

Dank' dem Himmel, lieber LZrist.
Daß das nicht bei uns so ist!

Vlihdrahk-Meldungen.

Berlin. Nach einer neuen Verordnung machen sich die Köchinnen sozialistischer Um-
triebe schuldig, wenn sie aktive Soldaten mit Wurst und Braten aus der Herrschaftsküche
versehen. Dadurch sollen unter dem gemeinen Militär kommunistische Gelüste erregt werden.

— Graf Kanitz hat Aussicht, zum Reichskanzler ernannt zu werden. Als erste
Leistung wird er eine allgemeine Güterkonfiskation zu Gunsten des Bundes der Landwirthe
vornehmen.

Sachsen. In Chemnitz wurde ein Sozialist nach verbüßter Strafe internirt.
Damit ist der erste Schritt zur Griindung einer deutschen Strafkolonie gethan, und alle
Uebelthäter mögen sich der Verschickung nach Chemnitz gewärtigen.

Bauern. Der Verband der Schneider ist in Bayern nun endgiltig verboten, jedoch
sind einzelne Schneider vorläufig noch geduldet. Dieselben haben viel zu thun, denn Jeder-
mann beeilt sich, schnell noch einen Anzug zu bestellen, bevor die staatsgefährliche Schneiderei
in Bayern überhaupt ganz verboten wird.

Kundgesang der Agrarier.

Chor.

Ls geht ein Bettelsack
Im Deutschen Reich herum, bidebum!
Im Deutschen Reich herum.

3 x 3 — de.

Der Graf drischt in der Scheune.
ZxZ-s-h^-hO.

Krau Gräfin, die muß betteln gehn.
Gros Aonih.

Das Reich ist ein Brotschrank.

Und der Brotschrank hängt hoch.

Und es lebe der Junker.

Der den Schlüssel abzog. Juchhe!

von Aardorff.

viel Gold bringt die Lrnte.

Das behalten wir frech.

Schulden zahl'n wir mit Silber.

Und noch lieber mit Blech. Juchhe!

Graf Mirbach,

Mancher denkt wohl, das Betteln.
Dem Kredit schad' es sehr.

Uber wenn's nur was einbringt,
dann hebt's ihn vielmehr. Juchhe!

von Plöh.

wollt Kredit ihr genießen
Bei der Börse, wohlan.

Dann gebt mir hübsch ein Trinkgeld.
Das sich seh'n lassen kann! Juchhe!

Chor.

Ja. der Udler ist vornehm.

Und der gase lebt fein.

Doch das vornehmste Thier ist
Das vaterländ'sche Schwein,
warum? Darum.

Schrum. dideldum.

Iuchheiffa!

Haupkmann der Reserve

Assessor Scheusalowssty vor dem
Disriplinargerichk.

(Eine Gerichtssitzung aus dem Jahre 1900.)

Der Hauptmann der Reserve. Assessor
Schensalowsky. ist beschuldigt worden, sich als
Vertreter der Regierung in Afrika schwerer Amts-
überschreitungen schuldig gemacht zu haben und
hat sich diescrhalb heute vor dem Disziplinargericht
zu verantworten.

Den Vorsitz führt Sekondelieutenant der
Landwehr Wirklicher Geheimrath v. Pimperle
Exzellenz, Die Namen der sonstigen Richter

(sämmllich Vizefeldwebel der Reserve oder noch weniger)

bieten kein allgemeines Interesse. Die Staats-
amvaltschaft ist vertreten durch Premicrlieute-
nant der Reserve Regierungsasscssor Or. v.
Kaltenschnauz. Vertheidiger: Haupt mann
der Reserve Rechtsanwalt I)r. Kuuffki.

Da der Angeklagte beabsichtigt, ivicdcrholt in
Thränen auszubrechen, hat er zitr Schonung seiner
Uniform blos Zivilkleidung angelegt. Gleichwohl
erhebt sich bei seinem und seines Vertheidigers
Eintritt der gesammte Gerichtshof und nimmt die
Knochen zusammen. Der Angeklagte grüßt mili-
türisch. aber gnädig.

Präs.: Befehlen Herr Hauptmann, daß wir
anfangen?

Angekl.: Na man los!

Präs.: Herr Hauptmann werden begreifen,
daß es mir höchst fatal ist, einen Vorgesetzten ...
aber die Amtspflicht... und die öffentliche Mei-
nung ...

Angekl.: Bitte bitte. Herr Kamerad, ich weiß,
daß Sie unschuldig sind. Uebrigens: die öffent-
liche Meinung kann mich .. .

Präs.: Zu Befehl. Herr Hauptmann. Herr
Hauptmann sind u. A. durch Zeugen beschuldigt
worden, das Negermädchen Mualla. weil sie sich
Ihren Wünschen nicht gefügig gezeigt habe, nieder-
geschossen zu haben.

Angekl.: Ich habe sie niedergeschossen, weil

sie sich ungebührlich gegen mich benommen hat.

(Den rechten Fuß vorgestellt, die rechte Hand auf das so-
genannte Herz gelegt und gegen die Saaldecke brüllend): Ich

würde mir ja lieber hundert Kugeln durch den
Kopf jagen, als meinem Vaterlande Unehre machen!

Präs.: Ihr Patriotismus. Herr Hauptmann,
steht darnach außer allem Zweifel. Sodann sollen
Herr Hauptmann dem Negerknaben Buma, weil
er Ihnen nach Ihrer Meinung einen Zahnstocher
gestohlen hatte, trotz seines Leugnens achtzig Hiebe
mit der Flußpferdpeitsche haben aufzählen lassen
mit der Bemerkung. Sie wollten ein Beefsteak
a la Tatare aus ihm machen.

Angekl.: Ich habe ihn nicht wegen des Dieb-
stahls. sondern wegen seines Leugnens durchpeit-

schen lassen. (Der Angeklagte schluchzt wiederholt leise.)

Präs.: Es ist ferner von mehreren Zeugen
dcpouirt ivorden, daß Herr Hauptmann den Po-
lizeisoldaten Nakama, iveil er einen Befehl nicht
schnell genug ausführte, wiederholt in den Leib
getreten hätten, so daß er ins Lazareth gebracht
werden mußte.

Angekl.: Das ist eine schändliche Uebcrtrci-
bung von meinen Feinden, die mich verderben
wollen. Ich habe mir von dem Nakama die
Stiefel putzen lassen und ihn dabei aus Berschen
ein paarmal mit der Fußspitze berührt. (In der-
selben Stellung wie oben): Meine Herren, eher würde
ich ja doch mich selbst so lange in den Bauch
treten, bis ich verreckte, che ich meiner Nation tu
solcher Weise Schande machte: das kann ich Ihnen
versichern, ohne auch nur mit der Wimper zu
zucken. (Der Angeklagte bricht hieraus in heftiges, anhalten-
des Weinen aus.)

Präs.: Des weiteren werden Herr Hauptmann
bezichtigt, Sie hätten den Polizeisoldaten Ngassi,
weil er Ihrer vor der Thür aufgehängten Reserve-
hose nicht das vorschriftsmäßige Honneur geinacht
habe, ins Gefängniß legen und verhungern lassen.

Angekl.: Dazu war ich genöthigt im Inter-
esse der Subordination, des Patriotismus und
unseres nationalen Ansehens. Ich habe ja immer
nur das Beste der Kolonien im Auge gehabt!
 
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