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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0033
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2380


Hatte seinen Stolz gebändigt,
Und er malt das Lob der Seife
Für den reichen Herrn von Schulze.
Bald an allen Straßenecken,
Bald aus allen Krämerläden
Leuchtet ihm sein Werk entgegen;
Populärer ist's wie alle
Aphroditen und Madonnen,
Die er je noch könnte malen,
Hochgerühmt und unverkäuflich
Wie die beiden Götterweiber,
Die in seinem Atelier noch
Schweigend ihm Gesellschaft leisten.
Aphrodite, sonnig lächelnd,
Spottet der fatalen Wandlung,
Die Madonna mild verzeihet,
Und der Künstler — tief im Herzen
Seufzt er, und er ißt sich satt.
Max Kegel.

Vtaakserhslkendrs.
Das sächsische Ministerium hat
eine Verfügung über Abwehr sozial-
demokratischerBestrebungen vom Heer
erlassen. In dieser Verfügung sind
den sächsischen Soldaten unter An-
dern? auch sozialistische Ausrufe
verboten. Sie dürfen also z. B.
nicht reifen „Heiliger Zukunftsstaat!"
oder „Hol' Euch der Lassalle!" oder
„Nieder mit dem Mehrwerth" u. s. m.
Um die Gefahr der unwillkürlichen
Anwendung solcher Ausrufe vor-
zubeugen, sollte man den sächsischen
Soldaten aber auch staatserhal-
tende Ausrufe lehren, damit sie
immer wissen, was sie zu rufen
haben, wenn sie ihrem Herzen Luft
machen wollen. Sie mögen also
z. B., wenn der Stiefel sie drückt,
ausrufen: „O du scheene gäddliche
Weldordnung!" oder, wenn die Suppe
schlecht ist: „Heiliger Ackermann und
Mähnerd", oder bei sonstigen Ge-
legenheiten: „Es läwe de Obrig-
keed", „Der Zeidgcist is ä Rindvieh",
„Der Gorboral is das gescheiteste
Dierchen uff der Meld", „Einschberrcn
machd Freede", „De Freiheed is
Schuhschmiere" u. s. w., dann wird
der echte staatscrhaltende Geist im
sächsischen Heere walten.

Sicherlich sein Werk gekrönt.
Aber ach, kein Käufer nahte
Mit dem schweren, schnödenMammon,
Der den? Künstler sehr vonnöthen,
Denn mit leeren Taschen darbt' er,
Und die Gläub'ger wurden mürrisch.
Endlich ein Gerichtsvollzieher
Legte eine blaue Marke
An den breiten goldnen Rahmen,
Der Alt-Hellas' holde Göttin
Schön umschloß mit sanften? Glanze.
Aphrodite, sonnig lächelnd,
Spottete des strenge?? Mannes,
Doch der Maler mußte hungern.
Eine düstre Trauerstimmung
Zog nun ein in seine Seele,
Des Olympos heitre Götter
Floh'n aus seinen Künstlerträumen,
Dumpf, wie Orgelton, vibrirten
Des Gemüths verstimmte Saiten,
Schwer,wie Weihrauchwolken,wälzten
Sorgen sich in seinem Hirne,

Und umglänzt vom Kerzenlichte
Trat ein süßes Frauen-Antlitz
Tröstend vor des Künstlers Auge —
Und er malte die Madonna,
Wie sic einer Welt voll Leide??
Bringt entgegen den Erlöser.
Eine güt'ge Himmelsfürstin,
Mild umhaucht von sanfter Trauer,
Trat sie Jedem menschlich nahe,
Der zu ihr erhob sein Auge. —
Und man rühmte laut den Künstler,
Die Kritik fand nichts zu tadel??,
Aber wieder kam kein Käufer,
Dem? solch' weihevolles Bildniß
Mag wohl nur der Kirche frommen,
Und der Kirche war der Meister
Lange, lang' schon fern geblieben.
Weiter darben, weiter hungern,
Dieses ist das Loos des Künstlers....
Aber steh', schon schafft er wieder,
Schafft mit gramgcfurchtcr Stirne,

Aber doch mit regem Fleiße,
Denn — heut' hat er einen Auftrag,
Was ihm niemals sonst geschehen.
Das kain so: der Herr voi? Schulze,
Millionär und Seifensieder,
Halt' ein neues, exquisites
Fabrikat voi? duft'ger Seife
In Verkehr gebracht, das alle
Anderen, profanen Seife??
Siegreich aus den? Feld soll schlagen.
Und an einen echte?? Künstler
Wandt' er sich, um der Reklame
Einen höhern Schwung zu geben.
Dieser soll in? Bilde zeigen
Die Gewalt der neue?? Seife
Ueber allen Schmutz des Lebens,
Genial und überwält'gend,
Alle Konkurrenten mordend.
Und es soll des Goldes Fülle
Lohnen solche Künstlerthat.
Und der Künstler stieg hernieder
Von des Ruhmes Sonnenhöhen,
Denn der Hunger, allgewaltig,

Lebensregeln
für friedliebende Bürger.
I.
Wenn irgend möglich, pflege deinen Bauch!
Wer keinen hat, ist ein armsel'ger Gauch.
Sieh nur rundum: es steht in höchster Ehre
Des Leibes wohlgeschmückte Hemisphäre.
II.
DeS Weitern, Freund: O wahre deinen Mund!
Die nackte Wahrheit ist dir nicht gesund;
Sie führt gar oft zu heißen Streitigkeiten —
Erfrischend aber sind . . . Zweideutigkeiten.
III.
Zu schweren Fragen quäle nie dein Hirn;
Du brauchst's zum Handel mit Tabak und Zwirn.
Vertraue auf die wohlgemeinte Leitung
Der kompetenten offiziösen Zeitung.
IV.
Ein eigeneSUrtheil thuet dir nicht noth.
Wir fehlen all', Gewißheit hat nur Gott.
Doch ist's erwünscht und hygienisch klug.
Hat man im Wirthshaus seinen eigenen
Krug.

Verantwortlich für die Redaktion Georg Baßler in Stuttgart. — Druck und Verlag von I. H. W. Dietz in Stuttgart.
 
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