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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0032

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2379

Merkwürdige Entschuldigung.


Streichen Sie nur die Männer nicht heraus, Herr Doktor, sie sind
alle gleich. Auch mein Mann trägt auf der Reise nie einen Ehering.
Aber, verehrte Frau, wer trägt auch einen Ring bei — der Hitze!

Allerlei Unmögliches.
Eine neue Militärvorlage steht in Sicht, welche angesichts der fried-
lichen Lage Europa's eine wesentliche Verminderung des Militärs
bezweckt. Das dadurch zu ersparende Geld soll für öffentliche Wohlfahrts-
einrichtungen, besonders zu Gunsten der Arbeiter verwendet werden.
Die Bakterien des ausländischen Getreides, womit die Agrarier
krebsen gehen, stamnien nach wissenschaftlicher Ermittlung von dem schienen-
fressenden Eisenwurm her, der alljährlich in der Sauregurkenzeit den
Eisenbahnen gefährlich wird.
Gegen eine große Anzahl Fabrikuuternehmer in Schlesien sind
Strafprozesse eingeleitet, weil sie durch Zahlung zu niedriger Löhne an
die Fabrikarbeiter öffentliches Aergerniß und groben Unfug verübt haben.
Das Krähen der Hähne in sächsischen Landbezirken ist wieder
gestattet, doch bedarf cs der polizeilichen Erlaubniß für jeden einzelnen Fall.


Karo.
Line Familiengeschichte.
inmnl, an einem Samstag Abend, saß der
Hausvater im Kreise seiner Lieben, hatte
den Schlafrock an und einen Schoppen
Rothen vor sich und rauchte sinnend
aus seiner Mecrschaumpfeife. Im Ofen
knisterte ein behagliches Feuer, und die
Sonntagshemdcn sämmtlicher Familien-
/ angehörigen lagen wohl geordnet und
freundlich oben auf der Kommode.
„Vater", Hub das Söhnlein Friedrich
Wilhelm zu sprechen an, „erzähl' uns
eine Geschichte."
„Ja, eine Fabel mit einen: lehrreichen
Schluß", fuhr die Tochter Luise fort, die
augenblicklich vom Konfirmandenunterricht
her in einem ernsten und religiösen Fahr-

wasser auf die Pubertätszeit lossegelte.
Und der Vater fuhr aus seinem tiefen Sinnen auf, lächelte dem an-
muthigen Mägdlein milde zu und begann. Es war die Geschichte von
der Biene und der Taube, die er zum Besten gab, mit der Lehre: Hilf
deinem Nebenmenschcn, wenn er in Noth und Gefahr ist; es kann dir
ein andermal zugute kommen.

Man mar durchweg erbaut, gab etliche angemessene Bemerkungen
von sich und erfreute sich am Rothen, der eine zierliche Rundfahrt an-
getreten hatte.
Indem kratzte es an der Thür, und als man nachschaute, saß da
ein struppiger Pudel, winselte und wünschte offenbar an der behaglichen
Gesellschaft theilzunehmen.
„Das ist ja der Karo vom alten Hofmann, den sie heute Nachmittag
begraben haben", sagte Friedrich Wilhelm, der sich auf Hundephysiognonricn
verstand.
„Ja, ja, er ist jetzt herrenlos", bemerkte die bedächtige Mutter, ließ
aber zu ihren: Verdruß eine Masche fallen.
„O, der soll bei uns bleiben!" rief enthusiastisch Luise aus und sah
mit seelenvollem Auge eine glänzende Belohnung solcher That in einem
besseren Jenseits vor sich.
„Aber Kind", entgegnete der Vater ernst, „Du kennst das Leben
nicht.. Die Hundesteuer kostet zwölf Mark."
Und in der That: Luisens Edelsinn machte praktischen Bedenkei: Platz.
„Jage das Thier hinaus, Friedrich Wilhelm!" fuhr der Vater fort.
„Es hängt sich sonst an uns und ist nicht mehr loszubekommen."
„Und die Flöhe!" meinte die Mutter mit einen: besorgten Blick auf
die Sonntagshcmden.
Der struppige Karo mußte in die kalte Nacht hinaustrotteln. Er wird
bei seiner allgemeinen Unbeliebtheit wohl bald gestorben sein. Or. o.

Spiritistisches.
A. : Man kann durchaus nicht behaupten, daß die Spiritisten so
ganz auf den: Holzwege wären, wenn sie an das Vorhandensein von
Klopfgeistern glauben.
B. : Oho! Wo kämen denn Klopfgeister vor?
A.: Auf manchen Polizei-Wachtstuben. Denn dort werden
zuweilen Jnhaftirte geprügelt. Da es die Beamten nicht thun, so
müssen es Klopfgeister gewesen sein.

Neue Steuer.
Duseke: Die Agrarier haben wieder wat Neues. Sie wollen den
Kater besteuern.
Puseke: Wie machen se denn dct?
Duseke: Sie fordern Erhöhung des Zolls uff Häringe.

Schneidig.
Bürger: Das neue Zivilgesetzbuch ist doch recht mangelhaft.
Lieutenant: Na, dafür ist es eben Ziviljesetz. Für die Zivi-
listen ist es noch lange jut jenug.
Letztes Mittel.
A.: Ist es wahr, daß inan einem sozialdemokratischen Redakteur
im Gefängniß Haar und Bart geschoren hat?
B>: Freilich; das ist eben der einzige Weg, auf den: die Reaktion
es erreicht, daß die Sozialdemokratie Haare lassen muß.

Der Künstler.

War ein schönheitstrunkner Maler,
Der die Alltagswelt, die rauhe,
Ganz und gar vergessen hatte;
Dem ihr hastendes Getöse
Nur wie fernes Meeresbrausen
In das Ohr drang — dessen Auge
Sich verlor in weite Fernen,
Suchend nach dem Ideale,
Den: die heiße Künstlerseele
Ihres Strebens Preis geweiht.
Mit dein Gluthhauch seiner Träume
Rief er längst versunkne Welten
Aus den Trümmern grauer Vorzeit
Wieder auf zu tollem Leben;
Rief die alten Götter wieder,
Jene schönen, stolzen Götter,
Die in Hellas grünen Hainen
Andachtsvoll das Volk verehrte,
Weil sie Wein und Liebe schützten,
Weil zu freudigem Genüsse
Sie die ganze Menschheit luden
An die Tafel der Natur.
Und der kühne Maler wählte
Aus der Götter lichten: Kreise

Die Erhabenste von Allen:
Aphrodite, die der Schönheit
Und der Liebe holde Göttin,
Mit dein Auge, sinnverwirrend,
Mit den üppig schönen Gliedern,
Wie sie aus den: Schaum des Meeres
Einst zum Sonnenlicht emporstieg.
Schafsensfreudig trat der Maler
Mit den: Pinsel, der Palette
Vor die Leinwand, und was träumend
Seine Künstlerseele schaute,
Kan: zu herrlicher Gestaltung:
Aphrodite, sonnig lächelnd,
Trat in voller, nackter Schöne
Ans Gestade unsrer Welt.
Viel bewundert ward das Kunstwerk,
Als das Publikum sich drängte
In den Hallen, wo der Künstler,
Nach des Ruhmes Lorbeer strebend,
Seine Schätze auf den Markt wirft.
Die Kritik war meistens lobend,
Und wär' Aphroditens Schöpfer
Mit der Clique Freund gewesen,
Hätt' die goldene Medaille
 
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