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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 21.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.6365#0342
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4567 —-

Merkl's euch!

£s saßen viere froh beim Wein,

Lin jeder wollte Meister sein.

„Ich"' sprach der eine, „als Jurist
Bin Richter über Iud' und Lhrist,

Und ohne Unsehn der Partei
Verdünner' ich und spreche frei!

Drum ist der heil'ge Richterstand
Bekannt als oberster im Land."

„Hoho!" fiel nun der Pastor ein,

„Die Seelen alles Volks sind mein;

Ich kann, zum lösen oder binden.

Allein die rechten Worte finden!

Darum behaupt' ich früh und spat:

Ich bin der erste Mann im Staat."

„Das war' mir was!" der dritte rief,

„Mit eurer Ansicht sieht es schief!
wo nähmt ihr, wenn der Urzt nicht war'.
Denn die gesunden Menschen her?

Der Mediziner ist der Mann,

Der kühn im Staate geht voran!"

Der vierte, als ein Zchulprofeffor,

Lacht: „Das wird alle Tage besser!

Pflanzt ich euch nicht die Weisheit ein.

So würdet ihr doch gar nichts sein!
von Dunkel zwar bin ich ganz frei.

Doch fühl' ich's, daß ich primus sei!"

Ietzt trat, mit Schritten keck und frisch.

Sin Jüngelchen an ihren Tisch;

Das wies mit lässigem Behagen
Ruf seinen goldgestickten Rragen,
stützt' sich auf seinen Sabul vorn
Und klirrte hinten mit dem Sporn:

„Äh, äh, ich bin — potz sapperment!
Leutnant im Iarde-Regiment;

Ihr viere in ziviler Uluft

Seid gegen mich nur — reine Luft!

Ich stehe auf der höchsten Warte,

Äh, äh ... wer muckst, hier meine Uarte!"

Da wurden die vier Helden klein
Und schauten gar verlegen drein.

Dieweil der Iüngling mit dem Schwert
Sie ihres Unwerts hat belehrt;

Sie schwuren unter Angst und Beben:

Nie wieder sich zu überheben. 8. 8.

Gedankenbalken.

Es gibt Zeiten, in welchen die öffentliche
Meinung dre miserabelste von allen ist.

Der Dumme versteht den Weisen nicht.
Aber der Weise den Dummen noch viel weniger.

Neid ist der Arger über den Mangel an
Gelegenheit zur Schadenfreude.

Du willst jemanden ärgern? Mach' einen
Esel zum Vorgesetzten über ihn.

Ein braver Christ begeht eine gute Hand-
lung sogar für Geld.

Die Erklärung der ewigen Menschenrechte
bildet die Einleitung zu einem Buche, das
leider noch nicht geschrieben worden ist.

Auf der Straße sieht man gutgekleidete
Leute; in den Zeitungen ebensoviele gut-
gekleidete Eseleien.

Die Feuilletonisten sind die Zuckerbäcker
unter den Redakteuren.

Sehr oft ist ein Finanzier die erste Null
in seinen Rechnungen.

Die Großen verkaufen ihren Umgang an
die Eitelkeit der Kleinen.

Wenn ich von feiner Gesellschaft reden höre,
so denke ich immer an grobe Verirrungen.

Aus Münka.

Mei' liaber Fremd Jacob!

Bal du mein heutiges Schreiben in die
Händ' kriegst und dasselbe am Kuhwerd dreckat
is, derfst du mich für keine Sau nicht halten.
Indem nämlich dieselbige Schmier von der
großen Sparsamkeit herkommt, was unserne
„verkehrten Anstalten" jatzt treib'n. Es Ham
dieselb'n einen Erlaß hinauslass'n, wornach
unserne Postbeamten, was sehr sauberne und
freindliche Manna sind, sich in eahnere Biro-
stub'n die Händ nimmer waschen dürf'n oder
sie kaufen's sich die Seifen selm. Der Vota
Staat, weil er kein Göld nicht mehr hat, liefert
keine Waschseifen nicht mehr. Natürli hab'n
sich unserne Postmänna darüber herzli gist' und
hab'n ein V'schluß g'faßt, daß sie si jatzt Über-
haupts nimmer wasch'n. Die Stempelfarb'
hab'ns g'sagt, butzen mir an dene Kuhwerden
ab, nachher solln die Bazienten (was dö Leut
san, dö wo dö Briaf krieg'n) nun wirken, daß
bei uns von obendroben herunt an die Seifen
fehlt. Hama so nix z'nag'n und zu beiß'n,
leid's uns so keinen Tag keine Halbi nicht mehr,
fallt's uns extra nicht ein, uns die Händ'
z'waschen von dem Göld, wo wir nicht ham!

Mei liaber Fremd Jacob! Brauchst dös-
zweg'n aber nicht zu glaub'n, daß bei uns
überall so dreckat hergeht. G'wiß und auf
Ehr und Sölligkeit nicht. Im Gegenteil, wir
hab'n unserne schöne Ordnung im Staat, wo's
du hinschaugst. Wie's si in eim gueten, rich-
tigen katholischen Land g'hört. Und so vüll
christliche Liab, daß die Engerln im Himmi
grad nur so lachen müess'n. Oder is dir das
v'leicht keine christliche Liab nicht, wenn der
ziemli stark verheiratete Kassier vom christlichen
Vereinshaus in Münka schon in der Früah
um zwei Uhr bei die Mordskälten pünktli und
g'nau nachschaugt, ob die Bschlicßerinnen, die
Kellnerinnen und die Kocherln im Bett drin
nicht friern und ob sie auch schön warm ein-
g'macht sind? Wie das Soziblatt solchenes
Werk der Barmherzigkeit öffentlich verkünd' hat

— der Herr Kassier hätt's nie tan, weil doch
die Linke nicht wissen soll, was die Rechte tuet,

— hab'n die Höcheren von der Geistlichkeit
unter sich g'sagt, daß wir in Boarn jatzt schon
sehr weit vorn dran sind mit dera Katholisch-
keit, wenn schon die heidnische Presse sich ge-
nötigt sieht, guete Taten von frommen Mit-
gliedern der christ-katholischen G'meinschaft
öffentlich auszuschreib'n. Es sei solches, guetem
Vermuten nach, schon eine von die frommen
Frücht', die aus dem schwarzrot'n Bündnis mit
innerer Notwendigkeit herausblüh'n müeßt'n.

Seller Spruch hat mir ausg'zeichnet g'fallen
und i Hab mich gleich hing'setzt und Hab dir
ein paar Schnaderhüpfl drauf g'macht:

Die christliche Liab,

Die schiast nimmer ein.

Ganz bsunders im Haus not
Bon tnserm Burin.

Un wenns noch so kalt is.

Der Mann, wo kasstert.

Der schaugt nach dö Maderln,

Daß' eahne not friert.

Ei schwarzrot is boarisch
Nn d'Sozi san froh.

Daß dö katholischen Madeln
Nöt z'kalt wer'n am Stroh.

Wie ich dir bevorstehende Gstanzerln fertig
g'habt Hab', hat mich der Durst plagt, wes-
zwögn ich Schluß g'macht Hab' mit diesem
Schreib'n und zu meim Tarok hin gangen bin
zum Sternecker, wo's jetzt das beste Bier Ham.

Mit Gruß dein dir ergebener

Filuzi Semmelschmarrn,
zweiter Schriftführer vom Verband
gegen das schlechte Einschenken.

Oer Störenfrieö.
 
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