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— 4905

<5S Patriotismus.^

Frau Maier: Ick habe sechs Jnsantristen und drei Kafallristen det Leben jeschenkt.
Frau Schulze: Da hätten Se sich sorde Marine ooch noch einije Male bemiehen kennen!

noveWane. eT

Es soll der echte deutsche Man»

Des Luxus gänzlich sich enthalten.

Denn nur auf diesem Wege kann
Er seine Eigenart entfalten.

Nur schlechte Patrioten kann
Deshalb Herrn Stengels Steuer kränken,
Und namentlich der Arbeitsmann
Hat allen Grund, sich einzuschränken.

Soll er des Mittags dem Genuß
Des Mahles sorglos sich ergebe»,

Auf jeglicher Kartoffel muß

Dann erst — 'ne Stempelmarke kleben.

Es ist höchste Zeit, daß ein neues Regiment formiert wird! Wir
könnten in die größte Verlegenheit kommen, wenn eines Tages ei»
ausländischer Fürst käme und kein Regiment mehr frei wäre, das
wir ihm „verleihen" könnten!

Dem Sachse» ist die Fleischnot völlig schnuppe:
Er ist und bleibt ein hochbeglückter Mann:

In Dresden gab es eine Metzelsuppe,

Wie man sie sich nur immer wünschen kann.

Unsere Chauvinisten möchten uns glauben machen, daß die fran-
zösische Politik aus nichts als Dummheiten bestehe. Hätten wir Deutschen
es nur auch erst fertig gebracht, unsere Schulen von der Beherrschung
durch die Kirche zu befreien!

Der klügste Mann für unsrer Großen Kreis
Ist, der noch eine neue Steuer weiß.

Dem kaiserlich russischen Doppeladler ist das Jahr 1905 so vor-
züglich bekommen, daß er demnächst vor lauter guter Laune sogar das
allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht aus der Hand des Volkes
fressen wird. Qtji' getreuer Säge, Schreiner.

Kassensturz.

Der deutsche Michel sitzt an seiner Lade
Und zählt, was er noch übrig hat an Bar;

Gr kratzt sich hinterm Ohr; es ist ihm grade
Dicht wohl, und eines wird ihm langsam klar:
kr hat das ganze Jahr verschlafen und verträumt,
Und unterdes — hat man ihn schwer geleimt.
Michel, wach auf!

Da liegt für die Hereros eine Dota,

Dass es dem armen guten Michel graust;
kr sieht, wie mit des Michels Geld der Crotha
In Afrika gewüstet und gehaust;

Und er bekennt: kille könnt’ ich ihm nur trauen?
kr hat mich schmählich übers Ohr gehauen.

Michel, werd' hart!

Und hier die Rechnung für die teuren Säue,

Die Podbielskis Schweinepolitik
Dem Michel aufgehängt; dieweil der treue
Hans Michel magrer ward, wurd’ Pod sehr dick,
kr fühlte sich durch Pod so sehr geehrt,

Und derweil hat ihm Pod — den Sack geleert.
Michel, pass auf!

Und dann die alten wohlbekannten Zettel
5iir hohe Steuern, Zölle, Militär,

Und Schnaps- und Zuckerliebesgabenbettel!

Ulen» nur die ganze Wirtschaft schon beim Ceufelwär!
Die Mütze hat ihm stets bedeckt die Ohren —
Derweil hat man die Schätlein ihm geschoren.
Michel, schlag drein!

Und unter allen Zetteln und Papieren
Liegt noch ein kleines freundliches Billett:

„Du lieber Michel, zum Repräsentieren
Braucht's einige Panzer mehr; das wär’ doch nett ?!“
Dem Michel schwanfs : es scheinen die Gewalten
Der Reichsregierung ihn für ziemlich dumm zu halten.
Michel, sag nein!

Der deutsche Michel sitzt an seiner Lade,

Und unwirsch rechnet er die ganze Dacht;

kr zählt und zählt und sieht: Gerade
Uor den Bankrott hat man ihn nun gebracht!

Das solltest, Michel, du nun jetzt doch wissen:
Dieweil du schliefst, hat man dich stets be — —!

Michel, wach auf! fl. i.

Lieber Jacob!

Prost Neijahr! Meeje Dir der liebe Jott
ooch in de nächsten zwelf Monate aklens be-
scheren un erhalten, ivat Deine Seele lieb is.
Wenn ick nff det verjangene Jahr een Doge
zurickwerfe, so kann ick in dieset Ooge eene
Träne nich janz unterdrücken. Von unsere juten
Freinde un unfreiwillijen Mitarbeeter, voir
die Heldenjestalten, die Deinen Ehrensaal be-
velkerten, is so mancher mit Stank dahin-
jejarrgen. Wo blieb, frage ick, der lange
Möller, der uns so ville Jahre mit seinen
Taten un Reden amisiert hat? Er jing deir
Weg alles Ministerfleesches, un seine Spur
hat der Schornsteenrooch von Kupferhammer
verweht! Un Schönstedt? Weeß Jott, in
welches Kosackenrejement der jetz seine juri-
stischen Kenntnisse verwerten mag! Se sind
dahinjerafft, un in dieses Leben sehen ivir
ihnen nich wieder. Ooch unser juter Eujen
Richter steht man bloß noch mit eeir Been
in't effentliche Leben drin. Det andere, rvat
det Landtagsbeen war, hat er nu endjiltig un
jrundsätzlich zurickjezogen. ihr ob er ooch iroch
mal in'n Reichstag 'ne Lippe riskieren wird,
det meejen de Jötter wissen!

Aber een sießer Trost is uns Jott sei Dairk
doch rroch jeblieben: Podbielski weilt noch
unter de Jnadensonne, un sein perseenliches
sowie sein Schweinespeck nimmt Tag for Tag
zu. Un rrich bloß de leibliche, sondern ooch
de moralische Widerstandsfähigkeit von seinen
Bauch scheint in de letzte Zeit erheblich je-
rvachsen zu sind. Wenigstens sind die Steeße,
die ihre irr de Fleischnotdebatte dajejen ver-

setzt wurdeir, alle jlatt abjeprallt — un dazu
jeheerte schon 'n ziemlich dicker Panzer!

Det Bülvw rroch irr de Firma beschäftigt
is,__ wirste hoffentlich ebenfalls zu schätzen
wissen, besonders jetz, wo de parlamentaresche
Schacherbeerse in'n Reichstag wieder uff-
jemacht is un de Rejierung die stolze Pflicht
obliegt, ihre faulen Fische mit Hilfe von klas-
sische Zitate elejant an'n Manrr zu bringerr.
Det Jeschäft seht jut, wenn man de Ajrarjer
derr Wanst vollstoppt un dazu den Nazjonal-
liberalerr Schillern vordeklamiert.

Jur iebrijen hat der anjenehme Reichs-
kanzler »ich bloß Pommade uff'n Kopp,
sondern ihr: is ooch sonst allens Pommade.
Ihn scheniert so jut wie jarnischt, un bei-
koinmen kannste ihn schwer. Wenn ihir wat
brerrzlich aussieht, wie zum Beispiel de
Schweinefrage, denn schiebt er et mit Jeist
un Jrazie uff'n lieben Kollejen ab, tm der
Kolleje is denn nie zu sehn urr nirjends. zu
fassen. Det nennt inan in de deitsche Biro-
kratie den „ordnungsmäßijen Jang der Je-
schäfte". Ick hoffe, Du wirst Dir an dieset
vaterländische Schauspiel ooch iir't neie Jahr
rroch öfters erjötzen können.

Un haste sonst mal Langeweile oder biste
in miesepetrije Stimmung, den beschäftije Dir
mit den Reichsverband for de schleunije Aus-
rottung der Sozjaldemokratie — det wird Dir
eene unerschepsliche Quelle freidijer Jenisse
sind. Oder lies 'ne fromrne Büßpredigt irr
de „Kreuzzeilung", un ick jarautiere Dir, denn
biste sofort rvieder in de heiterste Laune. Du
siehst also, ooch dieset traurije Leben hat noch
seine Lichtseiten. Drum jenieße et in Frehtich-
keit un denke dran, det bloß eenmal in’t
janze Jahr Silvester is.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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