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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 23.1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.6366#0008
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4917

L-*

es ftobelfpänc.

Sollen dir Ruhm »nd Ehren ersprießen,

> ^ Übe dich tüchtig im Hauen »nd Schieftein

Aber den Säbel gebrauch', nicht den Knüttel,
Das erwirbt dir die Aussicht zum Büttel.

Hast du dann einen Menschen erschossen,
Kommt dir Ehre und Geld zugeflossen.

Darum, laß dich die Müh' nicht verdrieften,
Übe dich tüchtig im Hauen und Schießen.

Denn in Zukunft sind einzig kapabel
Säbel und Flinte, Flinte und Sabel.

Stöcker erklärte im Reichstag, er „warte auf die Stunde, wo sich
die Arbeiter von den Sozialdemokraten abwenden werden". Der
Mann ist anspruchsvoll: weil er es auf siebzig Jahre gebracht hat,
glaubt er, er müsse ewig leben.

Ach, ihr lieben Bassermänner, Tröstet euch! Blickt in den Spiegel!
Jammert nur nicht gar so sehr, Dieser zeigt euch ungetrübt.

Weil die Macht der bösen Roten Daß es noch im Deutschen Reiche
Wächst mit jedem Tage mehr. Biel zu viel Philister gibt.

„Wir haben allerdings noch einige schwache Reste vom Polizei
staat", sprach jüngst Graf Posadowsky — da kamen in Sachsen
einige tausend Polizeisäbel zum Vorschein.

Das Vaterland soll sein ein sichres Haus,

Doch sperrt man drin die Proletarier ans.

Das Zentrum hat erklärt, die neuen Flottenpläne „wohlwollend"
prüfen zu wollen. Mit demselben „Wohlwollen" wird es dann dem Volle
auch die neuen Steuern aufpacken. Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Feierlicher Einzug der geflüchteten russischen Großfürsten in Berlin.

Dresden.

Gin kluger Staatsmann drückt die Massen nicht,
Und ihn erbarmt das schwere Leid der Armen;
Gin ungeschickter ist auf Blut erpicht
Und gibt dem Uolke Antwort durch Gendarmen.

Die Kammer war es, die den Frieden brach,
mit der Regierung eng und fest verbunden,

Und schwer und tief hat allezeit die Schmach,

Die man ihm angetan, das Uollc empfunden.

Und als der Sturm der letzten Reichstagswahl
Den Bann, der auf dem Uolke lag, gebrochen,

Da ward des frechsten Schranzen Mange fahl,

Da fuhr der Blitz der Angst in ihre Knochen.

Da ward's den Herrn am grünen tische klar,

Dass viel zu weit den Jrevel sie getrieben,

Dass eine Schmach der Sachsen Mahlrecht war —
5ür$ ganze Uolk und den, der's unterschrieben.

Dann kam die grosse Spiegelfechterei,

Die nur ein Kind für baren Ernst gehalten.

Und als das öde Schwatzturnier vorbei,

Stand mit der Sachsen Mahlrecht es beim alten.

Und als der Landtag jetzt zusammentrat,

Da war's genau der alte, feige Jammer:

Der Herr v. Metzsch, er wusste keinen Rat,

Und ratlos war Herrn Mehnerts Zweite Kammer.

Doch war die Rechnung ohne Mirt gemacht;

Tn Zorn und Grimm aufloderten die Masse»,

Und Glbflorenz sab eine Strassenscblacbf
Und die Gendarmen sprengten durch die Gassen.

Seit der Gendarmen Klinge hat geblitzt,

Die nach Befördrung und »ach Orden dürsten,

Seit Sachsens Raute sie mit Blut bespritzt,
trennt eine Kluft das Uolk und seine Jürsten. r.c.

Rückblick.

Dies 1905 vergeh' ich nie.

Wie laug ich auch auf Erden werde wandern:
Das Jahr der Pleite für die Despotie,

Das Jahr des Menetekel für die andern.

Lieber Jacob!

Et lebt een rächender Jott im Himnrel un
man soll keenen Abjeornten »ich vor seine
Biandatsniederlejnng jlicklich preisen! Jab et,
frage ick Dir, eenen jesejireteren parlamen-
tarischen Lebenspfad, als wie dem, dem Eujen
Richter so ville Jahre jewandelt is? De
Minister singen im Bogen um ihm 'rum, de
eijenen Fraxionsjenossen jraulten sich vor ihm,
un ooch sonst konnte er seiir Leben in jede
Hinsicht nach Wunsch jenieften. Un jetz, wo
er de hohen Häuser »ich mehr mit seine An-
wesenheit verzieren wird, wo er de letzte Etats-
rede ausjehaucht un bet letzte Bundesrats-
mitjlied anjehaucht hat, — wat is der Dank?
De Konservativen jreinen ihm nach »n de
„Norddeitsche Alljemeene" bedauert lebhaft,
det der jeschätzte Parlamentarjer bei de Steier-
beratungen leider nich mehr kann dabei sind.
Ick habe dem Mann nie jeliebt, aber dieses
jrauenvolle Ende bekimmert mir doch un warnt
mir zur Vorsicht. Meeje jeder bei Zeiteir in
sich jehen un seinen Lebenswandel so inrichten,
det ihm ähnliche Beschimpfungen nach sein
pollitisches Abscheiden nich zustoßeir kennen!

Sehr schlimm soll et ooch mit Eujen seine
Nachkommenschaft bestellt sind. Eeen Freind
von mir sah de Sparagnes neilich spät abends
mit eenen Äjrarjer aus det Kaffee Keck raus-
kommen un de kleene Strampelannie hat 'n
minderjähriges Verhältnis mit eenen schon
etwas altersschwachen Zentrumskaplan an-
jeknipft. Et muß 'n traurijer Anblick for 'neu

zärtlichen Vater sind, wenn er seine Lieblinge
so in't feindliche Lager klettern sieht!

Seit ben Abjang ihres jlorreichen Fiehrers
hat et sich leider ieberhaupt heransjestellt, det
de jairze freisinnije Volkspartei ihre friehere
volle, janze und unentwegte Schärfe und Herb-
heit allmählich einbießt un immer schlapper
un sießlicher wird. So kann man sich schließ-
lich ooch nich besonders verwundern, det jetz
een Mitjlied der Partei, der Reichstags-
abjeorirte un Weinjutsbesitzer Sartorius wejen
unerlaubte Verwässerung un Verzuckerung des
von ihm verkooften Reberrsaftes yoN de Staats-
anwaltschaft bei de Hammelbeene jefaßt wurde!

Aber ooch nbjesehen von diesen peinlichen
Fall scheint der deitsche Parlamentarismus
jetz'neu scharfen un ansjesprocheneir Stich in't
Kriminelle zu kriejen. Nebeir de Weinpanscherei
rvird hauptsächlich Landesverrat jetrieben, ivie
Bülow neilich in seine jroße Rede janz be-
stimmt festjestellt hat. Der Landesverräter
heißt Aujnst Bebel un seine Untat bestand
darin, det er die Meinung eifterte, et wäre
jnt, ivenn de deitschen Arbeeter eenen von de
Rejierung villeicht jewinschten frischen freh-
lichen Krieg zu verhindern imstande seiir
mechten. Aber wie konnte Aujnst ooch bloß!
Det een von de Rejierung jewinschter Krieg
immer 'n Sejen is un det sojar een jejen dem
Willeir des Volkes unternommener Krieg anr
Ende 'ne Wohltat for det Volk werden kann,
det sieht er doch jetz, wenn er nach Rußland
rieberkiekt! Mein Freind Edeward — ick »reene
nich dem aus England, sondern dem aus de
Jitschinerstraße — sagt immer: „Je greeßer
heitzutage de Dummheiten sind, die eene Obrig-
keet ausfiehrt, desto schneller jeht et mit die
Kultur vorwärts." Also man um Jotteswillen
keenen Landesverrat nich!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'n Jöplitzer Bahnhof, jleich links.
 
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