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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 23.1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.6366#0023
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4933

Die größte Sorge.

„Schrecklich sicht's in Rußland aus! überall Empörung, Raub, Mord, Tot-
schlag, Attentate, Plünderungen und Streiks!"

„Ach, liebes Männchen, dann wird wohl der rufftsche Kaviar nächstens auch
teurer werden?"

-N

frönimigfteü.

„Heute, uff'n hetlijen Feiertag wtllste stehlen, Ede? Denk an'n lieben Jott!"
„Tu' ick ooch! Morsen sind de Kirchensteiern fällig,"

Wieder das schelle Nicken —

„Ich kenne das. Es komme» viele zn uns.
Aber wir erleben selten oder — besser ge-
sagt — niemals Freude an ihnen. Sie wollen
alle nicht arbeiten! Sind Sie im Besitz von
Geldmitteln?"

„Nein. Deswejen —"

„Aha! Die alte Geschichte! Sie dachten,
weil ich Vorstand respektive Mitglied zahl-
reicher wohltätiger Vereine bin und hier — das
kann ich ruhig sagen — viel, sehr viel Gutes
gestiftet habe, brauchte man nur bei mir an-
zuklopfen, um mit Geld heimzukehren, nicht
wahr?"

„Das nich. Aber weil ich doch —"

„Weil Sie bei mir im Dienst waren? Ja....
Ich will Ihnen ganz offen sagen, um Sie und
mich nicht weiter aufzuhalten: für solche leicht-
fertigen Personen wie Sie haben wir nichts
übrig. Unsere Vereine sind nicht dazu da, die
Unmoral zu unterstützen!"

Frau Rat sah jetzt sehr energisch aus. Sie
drückte den Kneifer fester und sah die „Per-
son" mit durchdringenden Blicken an. Dann
zog sie ihr Portemonnaie und reichte der
Fremden nach längerem Suchen ein Fünfzig-
pfennigstück. „Sie sollen nicht sagen, daß
wir — "

Da geschah etwas Unerwartetes.

Jette hatte sich aufgerichtet und warf ihr
das Geldstück ins Gesicht. Ihre niedrige Stirn,
aus der die Haare gekämiilt waren, hatte sich
tief gefurcht.

„Ich will von Ihnen nichts geschenkt. Sie
werfen mir mein Leben vor und wissen doch
ganz gut, daß nur Sie daran schuld sind, daß
ich das geworden bin. Ihr sauberer Herr
Sohn hat mich doch so weit gebracht!"

Die Rätin erhob sich, ganz bleich und gar
nicht mehr „Gnäd'je": „Augenblicklich ver-
lassen Sie mein Haus oder ich rufe die Polizei."

Jette war schon in der Türe. Bevor sie

aber hinausging, spuckte sie aus. Ein-, zwei-
mal. Dann schloß sich die Türe hinter ihr.

„Diese Person!" zischte Frau Rat und lief
noch einigemal in der Stube auf und ab, ehe
ihre Nerven Ruhe fanden.

Wieder glitt ein Sonnenstrahl durch die
Stores — der letzte an diesem Nachmittag —
und vergoldete wieder die Inschrift am Sockel
des Christus mit den ausgebreiteten Armen:
„Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig
und beladen seid!" . . .

Wie er sie alle kriegte.

Der russische Bär hatte viel auszustehen
von allerlei Ungeziefer. Das war nun zwar
seit Adams Zeiten so, aber seit kurzein gefiel
ihm die Sache nicht mehr.

Ein Fuchs hatte es ihm einst vorgemacht,
wie man solche lästigen Gäste los wird. Er
nahm ein Bündel Moos ins Maul, ging ins
Wasser und wartete, bis sich die ganze Land-
wirtschaft nach vorn verzogen hatte. Dann
ließ er sie schwimmen.

Genau so tat der Bär. Ein tüchtiger Ballen
Moos war schon nötig, um all die gekrönten
Läuse und betreßten Flöhe aufzunehmen. Doch
wie das schwere Werk gelungen war, da sah
er freudig hinterher und brummte: „Gott
befohlen!"

Der deutsche Michel kam in seinem Kahn
daher — träumerisch und brav. Seine Vor-
gesetzte Behörde hatte ihn losgeschickt, nach
dem Lande Nirgendwo zu suchen und dort
eine Kolonie zu pachten.

Statt dessen fand er nun ein Bündel Moos,
das einsam initten auf dem Wasser pendelte.
Er nahm es mit nach Hause, denn es war ja
wenigstens etwas, und er hatte ein gar sinniges
Gemüt.

Nur mußte er sich von da ab fortwährend
irgendwo kratzen. t.

Winterabend.

„€$ ist keine Zeit zu verlieren.“ Liebknecht.

€$ ist so still — die libr tickt in dem Zimmer,
Und draussen wirbeln dicht die Hocken,

Tm Ofen glicht das Jeuer unterm Glimmer,

Und ich — ich spinn’ an meines Lebens Rocken.

Ulober? — Ulobin?— so klingt es leise fragend —
Und wenn du’s wüsstest, wärest du gescheiter?

So stellt sich, eine Antwort kurz vertagend,

Die Gegenfrag'. — Die übr tickt rubig weiter.

Da klopft es draussen vor der Cure;
ein Mensch in Lumpe», mit erstarrten Händen,
Critt ein, und Augen, ängstlich stiere,
erinnern mich an wild, das am Uerenden.

leb half, so gut ich könnt’, und als er wieder
Uon dannen ging, da wusst’ ich, dass das Tragen
woher, wobin? — nur Geist und Glieder
erschlaffte wie ein ewig müdes Plagen.

wir sind nun einmal da, und nicht zum träumen,
Und nicht zum Trage», sondern nur zum Schaffe»!
es tickt die Uhr — sie kennt kein ratlos Säumen,
Die andern mögen ihre Zeit vergaffe»,

Du aber denke deiner Menschenpflichten!
es geht ein mächtig brausen über unsre erde.

wer bliebe da bei zukunftsbangen Wichten-

es ist die Zeit, dass es bald Cisgang werde! n. x.

Von der Spree.

Ein Fremder war sich in den Straßen
Berlins nicht im klaren über die Ursache des
plötzlichen Menschenandrangs aus den Straßen.
Er fragte einen Schutzmann, ob denn heute
ein nationaler Feiertag sei? Jawohl, ant-
wortete dieser, heute wird ein Denkmal zur
Erinnerung an die tausendste Denkmalsent-
hüllung enthüllt!
 
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