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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 23.1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.6366#0024
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4934 —

Sonnenwende. LT

Sonnenwende!

Nun siegt das Licht!

Und aus der Dunkelheit wächst der Tage
Sonnenleuchtendes Angesicht.

Unaufhaltsam das Leben drängt,

Daß es den Feind, den Winter, erschlage,
Der es eisig hält eingeengt,

Der es fühllos foltert mit Frösten
Und es mit peitschenden Stürmen plagt.
Nüste dich, Leben, zu frohen Festen!

Siehe: es tagt!

Sonnenwende!

Komme, was kommen mag!

Heller grüßen des Frührots Flammen!
Wenn auch langsam — es wächst der Tag,
Und die finstre Nacht schrumpft zusammen.
Gierig trinken die Augen das Licht,

Das seine strahlenden Kränze flicht,

Das von werdendem Leben fingt,
von dem Frohen, dem Freien, dem Schönen...
Und ein Singen und Klingen schwingt
In dir und um dich in jubelnden Tönen!

Sonnenwende!

Das ist gewiß:

Einmal siegt die Sonne der Wahrheit
Über die Mächte der Finsternis!

Und das undurchdringlichste Dunkel
Spaltet und sprengt in goldener Klarheit
Ihrer Strahlen leuchtend Gefunkel.

Jeder strebe empor zum Licht,

Der da im Dunkel schleppt seine Tage!
Das sei ihm Ziel und Ehre und Pflicht,
Daß er das Banner der Zukunft trage
Lachend und leicht in harter Hand
Hin zur Höhe am Wegesende,

Wo der Blick schweift frei übers Land . . .
Sonnenwende!

Sonnenwende!

Ls tagt im Vstcn,

Not erglühen Sie schwarzen Pfosten
An der Dunkelheit finsterem Tor.

Lohende Lichter glühen und grüßen.

Und die Strahlen des Frührots schießen
Flackernd am fahlen Himmel empor. -

Tausend Augen starren gen Morgen,
Tausend Stirnen, gefurcht von Sorgen,
Wenden sich zu dem werdenden Licht . . .
Mut! noch ist die Welt nicht verloren!
Sieg! es ward die Sonne geboren,

Die das Dunkel im Dsten zerbricht!

Sonnenwende!

Noch hüllt das Land

Weithin der Schnee in weiße Seide.

Liskristalle als Diamant

Blitzen funkelnd auf festlichem Kleide.

Doch schon schwingt das Licht seinen Speer,
Bald steht die Welt in goldenen Flammen.
Donnernd und dröhnend bricht ringsumher
Dann das Neich des Winters zusammen.
Jubelnd jauchzt es: nun siegt das Licht!
Und aus der Dunkelheit wächst der Tage
Sonnenleuchtendcs Angesicht!

Siehe! schon recken sich tausend Hände,
Halten des Weltenschicksals Wage ...
Sonnenwende!

Ludwig Lessen.

Das Lamm iliid der Wolf.

(Eine moderne Fabel.)

Ein Laimn begegnete eine»! Wolf,
der selbstredend fürchterlich hungrig
war und sich auch sofort anschickte,
das Launil zu fressen. Letzteres fiel
auf die Knie und bat flehentlich,
es z>l verschonen und doch auch
einmal dem Schivachen gegenüber
idealistisch und nicht nur egoistisch
zu handeln.

„Wie kommst dll auf solche Ge-
danken?" fragte der Wolf erstaunt.

„Nun, hat nicht Graf Posa-
doivski) im deutschen Reichstag
etwas ähnliches den Unternehmern
gepredigt?" antivortete das Lamm
zitternd.

„Und glaubst du, das; sich die
Unternehmer daran kehren iver-
den?" fragte der Wolf weiter.

„Ich hoffe es zuversichtlich und
wünschte nur, das; sie sich an deiner
Großmut ein Beispiel nähmen",
blökte das Lamm vertrauensselig.

„Das tun sie auch", erwiderte
der Wolf, und — nach der Mahl-
zeit setzte er hinzu: „Das war wirk-
lich ein größeres Schaf, als ich
gedacht hätte!"

Der letzte Versuch.

Großfürst Boris Wladimiro-
ivitsch ivurde in die Provinz ent-
sandt, das monarchische Gefühl zu
beleben.

Er zog von Dorf zu Dorf; und
ivo er eine dralle Bauerndirne sah,
da kniff er sie in den Arm. Wenn
es dunkel wurde, auch noch sonst
wohin.

Neun Monate dauerte es — da
krähten in den Gouvernements
Tanibow, Kursk und Tschernigow
lauter kleine Borisse Wladimiro-
witsche dem jungen Tag entgegen —

Seine Kaiserliche Hoheit hatte
das monarchische Gefühl im wei-
testen Maße belebt! T.

„So lief ausgeschnitten, mein Kind, Hai sich deine Mama nie getragen."
„Aber Papa, hier find doch nicht die veralteten Ansichten von Maina
masigebcnd, sondern die Vorschriften des Herrn Hofmarschalls."

Der Saufteufel.

Der grobe Doktor Luther sprach:

„€s dwMet gar keinen Zweifel,

Des deutschen Dockes Unglück ist
Des Laufens verderblicher teufel!“

0 Luther, du hast dich sehr geirrt
Und würdest heut selbst es finden,

£s soll des deutschen Dockes glück
Der Saufteufel erst begründen.

Es braucht das grosse Deutsche Reich,
Um nicht zu werden zum Spotte,

So redet man vor es dem guten Dock,
Jetzt eine gewaltige Hotte.

Die Hotte zu bauen braucht man Geld,
Und in diesen Zeiten, den teuern,
Bringt man das Geld am raschesten auf
Gewisslich durch neue Steuern.

Drum werdet jetzt höher besteuert das
Bier

Ihr guten Deutschen bekommen,

Und dieser Steuer wird das Geld
Jür eure Hotte entnommen.

Die Steuer wird bringen desto mehr,
Je mehr ihr leistet im Saufen,

Und desto schöner die Hotte wird sein,
Die ihr euch dafür könnt kaufen.

Der brave Bürger, dem unlöschbar
Begeisterungsflammen lobten,

So dass er das meiste Bier vertilgt,
Ist der beste der Patrioten.

So schafft die grosse Hotte euch
Des Laufens glücklicher Ceufel —

Und Doktor Martin Luther hat
Getäuscht sich sonder Zweifel, r. 51.

Auch bei uns?

„Warum verschwand der Schutz-
maun gestern eigentlich, als nebenan
die Schlägerei begann?"

„Ei nun, er wird gewiß .passive
Resistenz' geübt haben, . ."
 
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