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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 23.1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.6366#0030
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. 4940

Die Scharfmacher am

Mein tiefstes Herz ist dankerfüllt,

Denn einmal hört' ich keine Lüge,

Und einmal hatten sie enthüllt
Die häßlichen, gemeinen Züge.

Ls warf der Haß die Maske fort,

Und ihre wahre Herzensmeinung
Und was sie brüten fort und fort,

Die feige Sucht nach Blut und Mord
Trat breit und frech in die Erscheinung.

Verraten hatte sich ihr Haß,

Und das hat immerdar fein Gutes.

Sie wünschten längst das Pflaster naß
Von Strömen proletarierblntes.

Sie sahn im Geiste Lichen gleich
Die trotz'gen Wahlrechtsdränger fallen;

Sie sahn die Erde rot und weich,

Sie hörten schon im ganzen Reich
Zu Tausenden die Flinten knallen.

Ls riß vom Sessel sie empor
Der scharfe Hagel blauer Bohnen,

Und dann vernahm inr Geist das Ohr
Den Aufschlag jagender Schwadronen.

Sie sahn die Reiter durch den Dampf
Zu scharfenr Hieb die Klingen fassen —

Lin wutschrei! wildes Roßgestampf!

Und dann nach hoffnungslosem Kampf
Die wirre Flucht zersprengter Massen!

Wahlrechtssonntag.

wird nicht vielleicht der Arbeit Sohn
Auch ihren letzten Wunsch erfüllen?

Sie sahen Barrikaden schon
Und hörten die Kanonen brüllen.

Sie hatten's schön sich ansgedacht,

Die patentierten Ordnungsstützen;

Sie sahen schon die Straßenschlacht,

Die alles hüllt in Staub und Nacht,

Den Blitz aus den Maximgeschützen.

Sie hatten Mord und Blut und Graus
Von diesem Sonntag sich versprochen,

Und nun ist wie ein Kartenhaus
Zusammen dieser Traum gebrochen!

Des Sinnens und des Trachtens Kern
Ist eine Fülle wilden paffes,

Und nun entschwand den edlen Herrn
In blaue, nebelhafte Fern'

Der Tag des großen Aderlasses!

Ls war ein Tag des Mißgeschicks,

Kein Tag des Blutes und der Tränen.

Die wackern nagen finstern Blicks
Die bleichen Lippen mit den Zähnen,
wie hoch die Flut auch immer stieg,

In Dämme wußten sie zu fassen
Die Führer in dem heil'gen Krieg —

Der Sonntag war ein großer Sieg,

Lin Sieg der Disziplin der Massen! a.s.

Der rote Mittwoch in Hamburg.

Durch Hamburg fliegt das Losungswort:
Jetzt, Arbeitsmänner, auf den plan!
Heraus aus Werkstatt und Fabrik,
aus werft und Schiffsraum, tretet an!
Die Axt, die Kelle leget hin;

verlaßt den Bau, der hat noch Zeit;
Beim Amboß heut der Hammer ruh';

den Hobel leget jetzt zur Seit';

Die Kesselfeuer schürt nicht mehr,
hemmt der Maschinen Räderlauf;

Die flinken Boote leget fest!

Heran, ihr Männer, kommt zu Häuf!

Das ist das Massenaufgebot!

Die Losung fliegt von Mund zu Mund;
Wie Feiertages Stille liegt
es auf der Llbestadt zur Stund',
Verstummt der Arbeit wirrer Lärm,
die Räder stehn mit einem Mal,
verlassen ist jetzt Platz und Bau
und öde ist der Arbeitssaal,

Von keinem Dampfboot mehr durchfurcht,
die Alfter liegt so blank und klar
Zn majestät'scher Ruhe da,
belebt nur von der Möwen Schar,

Und jetzt! Schon rückt das Volk heran!

von allen Seiten kommen sie,

Heersäulen find es, , , . Solche Macht
sah diese alte Stadt noch nie!

Kein bunt Gepräng, kein Zahnenschmuck,
Still ziehn in dichten Reihn sie her.

Und dumpf dröhnt nur der Massentritt,
wie Brandung dröhnt fernher vom Meer,
„Hier fmd wir, der Parole treu!"

So heißt die Meldung kurz und schlicht,
Linfügt sich Schar um Schar dem Heer,
und keiner, der die Drdnung bricht.

Wer aber zählt die Massen wohl?

Wer mißt wohl einen Dzean?!

So wogt, ein Meer, das Volk dahin,
und immer neue Haufen nahn.

Zur Heerschau heut! Den satten Herrn
zu zeigen gilt es unsre Macht,

Sie trieben ihren Spott mit uns;

sie haben uns verhöhnt, verlacht.

Jetzt warnen wir sie noch einmal:

„Hier stehen wir, noch in Geduld!

Seht unsre Macht, seht unser Heer!

Und denkt an eure schwere Schuld!"

Sie sehen uns. Der scheue Blick
irrt über unfern Heerbann hin, , ,

„von Gottes Zorne immer noch
das Proletariat ich bin!

Doch Macht auch bin ich und die Welt
erobre ich zu aller Heil,

Und jedem Menschen schaffe ich
an Glück und Wohlsein seinen Teil,
Roch warte ich! Doch kommt der Tag,
da hoch der Freiheit Flamme loht!"
versteht ihr Herren nun den Sinn
von Hamburgs Massenaufgebot?! Secunbus,

Vom Neger, der auszog, sein Recht
zu suchen.

Es war einmal ein Neger, Der ging zuin
weißen Mann, weil der ihm seine beste Kuh
gestohlen hatte, und forderte sie wieder. Er
wurde hinausgeworfen.

Drauf ging er zur Polizei, Die nahm ihn
fest und sperrte ihn vierzehn Tage ins Loch,
weil der weiße Mann derweil angezeigt hatte,
daß er ihn um eine Kuh angebettelt habe.
Wie der Neger wieder herauskam, beschwerte
er sich bei der Vorgesetzten Behörde und wurde
postwendend wieder hinausgeworfen.

Drauf ging er höher und höher, sogar nach
Europa, bekam aber nirgends Recht, sondern
im ganzen zwölf Jahre Gefängnis.

Aber da zufällig ein großes Gedeukfest war,

erließ man sie ihm gnadenhalber, sonst hätte
er rettungslos brummen müssen.

Man tat noch ein übriges und schickte ihn
zum lieben Gott: da bekäme er sicher Recht.

Der Neger wollte aber nicht hin, denn er
meinte: wenn es hier unten schon so sei , , ,

Und ging heim nach seinem Kaff,

Da führte ihn seine Frau vor das alte
Mausergewehr, das an der Wand lehnte.

Er grinste, verstand und knallte den weißen
Mann nieder.

Da hatte er Recht!

Offiziöse Dementis.

Die „Norddeutsche Allgemeine" dementiert:

1. daß Prinz Ludwig von Bayern wegen
seiner Wahlrechtskuudgebung eine Sympathie-
depesche aus Berlin bekommen habe,

2. daß der für einige Jahre nach Preußen
abkommandiert gewesene Justizminister Schvn-
stedt sich wieder seinem obersten Herrn, dem
Zaren, zur Verfügung gestellt habe,

3. daß Fürst Bülow zur kaiserlichen Silber-
hochzeit „Herzog" würde, denn dann bliebe
ja nichts für die nächsten Feste übrig,

4. die Regierungspolitik der vergangenen
Woche,

Stimine aus der Unterwelt.

Ich warne dringend davor, an die Soldaten
scharfe Patronen auszuteilen!

Der selige Rittmeister v, Krosigk.

Offerte.

Zur prompten und gründlichen Reinigung
der während der bangen Stunden des roten
Sonntags unbrauchbar gewordenen Hosen
empfiehlt sich einem hohen Adel und verehr-
lichen Bürgerpublikum.

Spindler, Chemische Waschanstalt.
 
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