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5323

denn der Professor hatte recht gehabt. Aber
das schadete nichts — sie wurde kunstvoll er-
höht, mit Kanonen gespickt wie ein Hase und
gehegt und gepflegt wie ein Schwein.^ Ein
Gesetz wurde gemacht, das bei Todesstrafe
verbot, dieses verhätschelte Kind der Nation
Zu beleidigen.

Auch die Zivilbevölkerung dort erfreute sich
eines gewissen behaglichen Wohlstandes. Sie
suchte Muscheln und Krebse und kletterte, wenn
sie abends nach Hause ging, auf die fünf
Kokosbäume.

Neidisch schauten alle Nachbarn zu dieser
Warte des Friedens hinüber. Sie mußten immer
Geld hergeben und schimpften. Sie steckten die
Köpfe zusammen und tuschelten. Und als Ta-
hiti eines schönen Tages anfing, seine Zinsen
schuldig zu bleiben — da platzte die Bombe.

Im Parlament Australiens zu Melbourne
k>ef eine Interpellation des Abgeordneten
Samuel Jonathan Smith ein, die folgender-
maßen lautete:

»Ist es der Bundesregierung bekannt, das;
seit einiger Zeit das Königreich Tahiti seine
Flotte in ganz unglaublichem Maßstabe ver-
stärkt und ferner auf dem Riff Viti-Viti eine
Flottenstation von bedrohlicher Stärke errichtet
hat? Welche Maßnahmen gedenkt die Bundes-
regierung bei dieser Lage der Dinge zu treffen?"

Der Premierminister erklärte sich bereit, die
Interpellation sofort zu beantworten. Erstand
auf, zuckte die Achseln, tippte mit dem Finger
an seine Stirn und setzte sich wieder.

Und nun folgte» sich die Ereignisse Schlag
auf Schlag.

Das An - die - Stirn - tippen - mit - d em- Finger
wurde nach Tahiti gekabelt. Der Funke flog
ins Pulverfaß — die Regierung handelte. Mit
einem markigen Aufruf von zweiunddreißig
Druckzeilen, in dem zweiunddreißigmal das
Wort „national" vorkam, entfesselte sie die
kochende Volksseele. Dem australischen Ge-
sandten wurde seine Bambusbude demoliert;
in den Straßen wogte eine beleidigte Nation,
und die Militärkapellen spielten sich das Blech
von den Instrumenten.

Die Volksvertretung tobte und brüllte wie
eine wildgewordene Menagerie. Die Tribünen
hatten patriotische Nervenkrämpfe. Am Regie-
rungstisch saßen sämtliche Minister mit tief-
ernsten Gesichtern. Ab und zu redete einer
von ihnen, doch war bei dem Höllenradau
nichts zu verstehen. Die eingebrachten Vor-
lagen, alle dringlich, schaukelten auf wild-
erregter See und wurden einstimmig hinter-
einander votiert: Kriegserklärung, Mobil-
machung von Heer und Flotte, außerordent-
liche Kredite. Der Lärm war kaum noch zu
überbieten — da erhielt der Marineminister
ein Staatstelegramm.

Am Regierungstisch entstand Unruhe. Der
Ministerpräsident lief hinaus und holte die
Feuerwehr.

Zwei Züge rückten an. Drei Minuten lang
ergossen sich kalte Wasserstrahlen durch das hohe
Haus — dann war die Ruhe soweit hergestellt,
daß der Minister des Auswärtigen zu Worte
kam. Er sah bleich aus, blieb aber gefaßt. —

»Meine Herren! Ich muß Ihnen leider eine
höchst traurige Mitteilung machen. Wir können
diesmal nicht Krieg führen, da unsere Flotte...
hin... soeben — gepfändet worden ist!" --

Decken wir den Schleier christlicherMenschen-
liebe über die Szenen, die nun folgten.

Der Kater, der jetzt in Tahiti seine Herr-
schaft antrat, war schlimmer, als wenn Neu-
jahr und Aschermittwoch auf einen Tag fallen.

Im Bundesparlament Australiens aber
brachte der Abgeordnete Samuel Jonathan
Smith folgende Interpellation ein:

es werde Uchtt

Und

es ward Licht — — in Frankreich!

„Welche Maßnahnien gedenkt die Bundes-
regierung angesichts der letzten Ereignisse zu
treffen?"

Der Premierminister erklärte sich bereit, die
Interpellation sofort zu beantworten.

Er stand auf, steckte die Hände in die Taschen,
spuckte in großem Bogen über den Schrift-
führer hinweg und sagte:

„Well... wir könnten den ganzen Krempel
ja glatt annektieren. Aber wir werden »ns
hüten! So unmündige Kerls bleiben am besten
unter sich. Mit ihren Konservativen sollen sie
unser Parlament schon nicht versauen!!" T.

Glossen.

Die Berliner Stadtverwaltung zahlt den
Schneeschippern, die sich aus den gänzlich
mittellosen Arbeitslosen rekrutieren, den Lohn
erst nach fünf Tagen aus.

Wenn sie nach viertägiger Arbeit entkräftet
zusammenbrechen, können sie sich immerhin
damit trösten, daß die Stadt Berlin das Recht
auf — Arbeit anerkennt.

Ein Hauswirt in Essen legt seinen Mietern
in den Kontrakten unter anderen folgende Be-
dingungen vor: „Kinder dürfen Sie nicht be-
kommen; größerer Besuch, Gesellschaft oder

dergleichen kann nur einmal im Jahre gestattet
werden. Spätes Nachhausekommen stört mich
im Schlafe und muß vermieden werden. . .."

Dagegen erlaubt der Wackere seinen Miets-
sklaven immerhin, zu atmen, die Miete zu
blechen und an Kaisers Geburtstag mit ge-
dämpfter Stimme „Heil dir im Siegerkranz"
zu singen!

In Köln wurde ei» Taglöhuer auf die An-
klage hin, sich der Wehrpflicht entzogen zu
haben, mit 200 Mark Geldstrafe belegt. Nach-
her stellte es sich heraus, daß er von Jugend
auf nur — ei» Bein hatte.

Für diese Tücke müßte er eigentlich noch
extra bestraft werden, das heißt wenn nichtein
Stabsarzt konstatiere» sollte, daß er nur —
simuliert hat. .

Genosse Krüger in Königsberg wurde am
„heiligen Abend" zur Abbüßung einer gering-
fügigen Gefängnisstrafe in Haft genommen.

Zuerst war die Gefängnisverwaltung im
Zweifel darüber, welche Beschäftigung sie ihm
übertragen sollte. Daun aber gab sie ihm den
Auftrag, einen neuen Vers hinzuzudichten zu
dem schönen Kirchenlied, das den Refrain hat:
„O, du selige, o du fröhliche, guadenbrinaende
Weihnachtszeit!"

Hoffentlich entledigt sich Genosse Krüger
dieses Auftrags zur allgemeinen Zufriedenheit.
 
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