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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 24.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.6549#0063
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5348

Siegestanz.

Wenn die Roten mit den Schwarzen gehn.
Da kann uns Frommen niemals nix geschehn.

IRote Sonette.

Uon Paul €nder1mg.

1.

(Her war der Sieger? (Gar's in stolzer Pracht
Gin Glutgedanke, der wie Südwein rann
Durch schlaffe Adern? Der ein Goldnetz spann
Um einer IDenscbensebnsucbt dunkle Dacht?

(der hat den anderen den Kranz gebracht?

(dar es Erkenntnis, die ein Weiser sann,

Die wie der Jäckel Jlamme himmelan
Aufstieg von einer hehren Geisteswacht?

0 nein. €s war die Macht, mit der ein 0oft
dergeblicb streitet, wie der Dichter sprach,

Die den Prometheus in die Jessel schlug,

Die Galileis Geist im Kerker brach,

Colombos (deckruf traf mit hohn und Spott
Und holz zum Scheiterhaufen hnssens trug . ..

2.

„Philister über mir!“ - Gin Riese schrie
6s einmal aus in seinem wehen Schmerz.

€in Riese war’s. Doch wachsweich war sein herz:
Cr sank verzagten Blickes in die Knie.

(die damals höhnen sie und spotten sie,

Du Riese Proletar, sei hart wie Erz,

Blick nicht mit banger Bitte sternenwärts
Und denk der Kräfte, die dein Cos dir lieh!

Es kommt der Cag, da Simsons Cocken fliegen
Tn einer Cenzessonne Goldgeflimmer!

Da greifen nach den Säulen seine Hände —

Der Giebel schwankt — es zittern alle (dände —
DerCustsang schweigt —und auf der (dalstatf liegen
Des Crugbau's goldverzierte, morsche krümmer

3.

Die Weltgeschichte zählt nicht ]abr und Cag.

Sie lächelt ob der stündlichen Beschwerden:

Sie spielt mit himmeln ja und spielt mit Erden.
Gin Cor nur wartet auf den Pendelschlag ...

Kein Weiser zweifelt, wie es kommen mag,
Schreckt Winter ihn mit grimmigen Geberden:
Einst bricht das Gis. Da m uss es Jrühling werden.
Die Weltgeschichte zählt nicht ]ahr und Cag.

Sie wandert vorwärts nur und nie zurück:

An dieses Abends allerletztem Cohn
Entzünden sich die Morgenlichter schon.

Gs kommt, weil’s kommen muss. Und tritt zurück
Der rasche Springer einen Schritt, — je nun:

Er tat's, um einen grösseren Sprung zu tun ...

Unbegrenzte Möglichkeiten.

Wir unterbreiten einem verehrlichen Bundes-
rat folgende kolorrialpatriotische Vorlage.

Den verbündeten Negierungen rvird es be-
kannt sein: einerseits, daß wir zu wenig Kolo-
nien haben — andererseits, daß der neu ge-
ivählte Reichstag, seiner nationalen Pflichten
eingedenk, begeistert darauf lauert, die stolze
deutsche Flagge in den fernsten Gegenden auf-
zupflanzeir.

Solche Gegerrdeir,rvie sie »och keines Menschen
Fuß betreten hat, siird 1. der Nordpol, 2. der
Mond.

Vom Nordpol wollen wir absehen. Nach
glaubwürdigen Theorien herrscht dort eine
ganz respektable Kälte, und es steht zu be-
fürchten, daß den per Luftballon anlangenden
Kulturpionieren die Nase im Gesicht, der
Schnaps in der Flasche und das patriotische

ein enterbter.

„Am 30 Milliarde» hat das Nationalvermögen zu-
genommen I Jetzt möcht' ich »nr wissen, wer mich um
mein Teil beschummelt hat?"

Herz in der Hose erfriert. Das wäre dann
bloß der umgekehrte Tropenkoller.

Um so kräftiger haben wir de» Mond aufs
Korn zu nehmen. Dort gibt es schon lange kein
Wasser mehr — und die Vegetation, wegen
deren sich die Gelehrten noch zanken, dürfte
höchstens ails den mit Recht so beliebten, weil
genügsamen Kakteen besteheir. Die ganze schöne
Gegend hat demnach eine verzweifelte, zu kolo-
nialen Abenteuern förmlich herausfordernde
Ähnlichkeit mit unserer liebsten, teuersten
Kolonie Deutschsüdwestafrika. Auch was die
zu vermutenden Bodenschätze anbelangt, denn
die hat hier wie dort noch kein Mensch gesehen.

Bedarf es noch weiterer Hinweise? Sollen
wir noch die echt deutsche Volkstümlichkeit
jenes treuen Erdbegleiters unterstreichen, die
so groß ist, daß unser Furor teutonicus einen
Weltbrand entfachen würde, wollte jemand
anders seine Hand nach diesem Kleinod der
Nation ausstrecken? ?!

Wenn ein Verrückter auf den Dächern spa-
zieren geht, um dem Monde möglichst nahe
zu sein, nennt man ihn mondsüchtig, und wenn
er sich nicht so hoch versteigt, sondern nur in
der Stube alles kurz und klein schlägt, dann
sagt man: er sei vom Mond gebissen. Und
der Betrunkene, der in die Gosse fällt und
dafür den Mond anflucht — sie alle fühlen
als Sonntagskinder, welche geheimnisvolle
drahtlose Telegraphie von jener hellgelben
Leuchtkugel ausgeht.

Wegen der etwaigen Mondbewohirer sind
sich die Gelehrten rroch nicht einig. Darum
nrüssen wir erst mal Truppen hinaufschicken,
die den Boden dort oben mit ihrem Blute
düngen. Dann ist er unser!

Herauszukriegen, wie das gemacht werden
soll, überlassen wir dem hohen Generalstabe.
Nach unserem Laiengeschmack würden wir eine
gemischte Brigade mit allem Zubehör in eine
Kanone stopfen und diese Kanone am 1. April
— gut gerichtet! — abfeuern.

Eine recht anständige Kanone müßte es
freilich schon sein. Bauen kann sie ja Krupp.
Denn Krupp darf auch mal was Ordentliches
an den Kolonien verdienen.

Glosse.

Das ist der bravste der braven Leute,

Der jeden Seitensprung pünktlichst bereute —
Bei solchen strömt es nur so von Segen!
Den Frechen und Galgenstricken hingegen
Ist es besondere Gnade vom Himmel,

Daß er sie atmen läßt, die Lümmel!
 
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