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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 25.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.6608#0043
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5711

Die Wirkung von Lissabon.

notielfpäne. *r®

..ü___'...

Allerhöchstes Bauchgrimmen.

Fünftausend Millionen hat Bismarck ja
Einst den Franzosen genommen;

Man wähnte sich unermeßlich reich,

Doch ist es anders gekommen.

Ergrimmt sahn die Franzosen zu.

Doch taten sie sich gedulden;

Jetzt hat dafür das Deutsche Reich
Fünftausend Millionen Schulden.

Die soziale Frage wird von vielen nur
als eine Magenfrage angesehen. Es ist
durch Operationen bewiesen, daß der Mensch
auch ohne Magen leben kann. Man befreie
also alle Menschen von diesem überflüssigen

Gewächs und die soziale Frage ist glänzend gelöst.

«

In Preußen die Behörde spricht:

Volksbildung ist vom Übel;

Es soll sich das gemeine Volk
Verlegen auf die Bibel.

Ihm macht, wenn's ihren Inhalt weiß,

Nicht die soziale Frage heiß.

Durch den Bau neuer Gefängnisse gibt der Staat auch den Arbcits-
und Obdachlosen Gelegenheit, sich in „seßhafte" Bürger zu verwandeln.

Ob sich wohl mit Marokko wird
Frankreich abfinden können?

Wer nicht ins Feuer steckt die Hand,

Dem wird sie auch nicht verbrennen.

König Carlos entnahm soviel Vorschüsse aus den öffentlichen Mitteln
gegen denWillen desVolkes, daß sich dieses veranlaßt sah, ihm auch ein-
mal freiwillig etwas vorzuschießen. Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Die Vergeltung.

Ein Blitzstrahl zischte aus der Höh'

Und fuhr in eine Königskrone —

Sin angsterfüllter Knabe fitzt
Run auf dem blutbespritzten Throne.

Wehklagend schreien heut' von „Mord",
Die selbst des Aufruhrs Heer gezüchtet;
Doch aus der Tiefe klingt empor
Der dunkle Ruf: „Sr ward gerichtet!"

In alle Kerker Portugals
Eilt raschbeschwingt die blut'ge Kunde:
Zür König Larlos' Dpfer schlägt
Fetzt endlich die Srlösungsstunde.

Run zittert um sein Leben bang
Der Peter in dem Serbenlande;

Fm Traume greift nach seinem Haupt
Der blasse Mann am Rewastrande.

Es zittern alle, die bis heut'

Roch nicht die alte Weisheit lernten
Des alten Worts: „Wer Wind gesät,

Der wird auch wieder Stürme ernten"...

. . P. E.

Die Lauwarmen.

Man hat am zehnten Januare
Ans frech verlacht, verulkt, verhöhnt.

Doch darum grollen? I bewahre!

Wir Liberale sind's gewöhnt.

Man tat sich nicht einmal bequemen
Zu einer Landvoll Löslichkeit —

Doch soll man das gleich übel nehmen??
Da käme unsereins nicht weit.

Wenn uns die bösen Büben locken
Bon links, dann halten wir uns fern
And nehmen dankbar jeden Brocken,

Der etwa fällt vom Tisch des Herrn.

So sind wir alle groß geivorden
Durch Bravheit »nd durch Mäßigung:

Manchmal ein Tritt und mal ein Orden —
Das fördert die Begeisterung.

Wir werden schließlich noch geladen
Zum Kaiserschlosse an der Spree
Mit seidnen Strümpfen an den Waden
And in der goldnen Los-Livree... x

Lieber Jacob!

Der preißesche Finanzminister Rheinbaben
hat in't Dreiklassenparlament 'ne knollije Mo-
ralpauke jehalten un sich drieber beklagt, bet
bet Volk all sein villes Jeld in Fressen un
Roochen verschlemmen tut un deswejen nischt
iebrig behält, um Steiern zu bezahlen, Liebes-
jaben zu bewillijen un Staatsanleihen zu zeich-
nen. Der Mann hat janz recht! Et jibt noch
immer verkommene Subjekte unter uns, die
sich lieber satt fressen wollen als bet se de je-
liebte preißesche Rejierung aus ihre Feldklemme
helfen, die doch Tag un Nacht for ihnen sorgt,
um ihnen vor de Versichrungen des jleichen
und alljemeinen Wahlrechts behietet un se mit
de Pollezei unter de Arme jreift, un so. Un
»ich minder jibt et in't Vaterland hartjesottene
Ejoisten, die sich jar nich klarmachen wollen,
det se täglich bloß eene lumpije Sechserzieh-
jarr nich zu roochen brauchen, um in't Jahr
achtzehn Mark zu sparen, die se den Staat
for Liebesjaben zufließen lassen könnten un
ivovon sich denn 'n notleidender Jroßjrund-
besitzer zwei Pullen Sekt mehr leisten kennte.
Et war warhaftig keen Wunder nich, det der
Finanznnnister mit seine Rede in't Abjeornten-
haus so'n sehr lebhaften Beifall fand. Da de
jroße Masse der Bevelkerung aber in't Drei-
klassenparlament keenen Vertreter nich hat, der
se von det moralische Ereijnis benachrichtijen
kan», so is leider zu befirchten, det det Volk
Rheinbaben seine Predigt nich mit det richtije
Verständnis uffuehmen un in seine ruchlose
Lasterhaftigkeit weiter verharren wird.

In de Straßendemonstrazjonen is nu 'ne
kleene Pause injetreten, »n de Pollezeiorjane

derfen sich von ihren anstrengenden Dienst 'n
bisken verschnaufen. Aber se wissen ihre Ferien
doch jut un jrindlich auszunutzen. So wurde
diese Tage uff de Reichenberjerstraße 'n fried-
lich zu Hause sehender Arbeeter von den Krimi-
nalschutzmann Martin anjefallen un mit 'n
Revolver bedroht. Jlicklicherweise war die
Stitze der birjerlichen Ordnung so sternhagel-
dicke besoffen, det iveiter keen Unjlick nich je-
schehen is. Un so wird oenn woll der Ar-
beeter mit'n jewehnliches Strafmandat davon-
kommen, sintemalen et im preißeschen Staat
noch immer nich erloobt is, von 'n Schutzmann
ohne Jrund ieberfallen zu werden. Jedenfalls
hat sich de Besorjnis der staatserhaltende»
Kreise, det de Pollezei während ihre jetzije
Mußezeit am Ende janz aus de Jewohnheit
kommen könnte, Jottseidank als unbejrindet
erwiesen. Vielmehr sehen wir aus diesen Fall
mit Befriedijung, det de Beamtenschaft ooch
jetz, wo se et jarnich neetig hat, private Jbungen
in umsichtijet un taktvollet Benehmen anstellt.

Ooch sonst haben wir alle Veranlassung,
mit Stolz uff de Zustände in't teire Vaterland
zu blicken. Wenn wir ooch bei de westlichen
Länder de richtije Anerkennung noch immer
nich finden können, un de Engländer un Fran-
zosen sich ieber die bei-uns herrschende Wirt-
schaft in sehr verletzende Weise lustig machen,
so haben uns de Russen doch recht lieb, un se be-
miehen sich, an den Sejnungen unserer heheren
Kultur ihren Anteil zu nehmen. Mit patrio-
tesche Jenugtuung sehe ick in de Zeitung, det
der Zar — steh uff, Jacob, un verneije Dir
mit 'n Hintern nach Osten! — sich 'n janzes
Rudel vierbeenije deitsche Pollezeihunde hat
nach Peterhof kommen lassen, die de hohe Aus-
zeichnung zuteil werden soll, Nikolaus perseen-
lich zu bewachen. Ick hoffe zuJott, det det janze
Vaterland diese Ehre zu schätzenwissen wird.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an'» Jörliher Bahnhof, jleich links.
 
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