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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 25.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.6608#0087
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5739

gs noöelfpäne. r®

Die Junker sind gar patzig
Die Junker sind gar frech,

Und dies mein lieber Michel,

Ist dein spezielles Pech.

Du hast sie lang ertragen
Mit rührender Geduld,

An deinem Ungemach bist
Darum du selber schuld.

Daß anno Achtundvierzig
Du nicht beschnitten hast
Der Junker kecke Klauen,

Das fällt dir heut' zur Last.

„Was nicht in den Akten steht, ist nicht
in der Welt!" sagt der waschechte Bureaukrat. Das schließt aber nicht
aus, daß oft genug in seinen Akten etwas steht, was überhaupt nicht
in der Welt ist. * . ' *

Ihr lieben Leute, schimpft nicht so,

Ihr werdet wieder frisch und froh.

Denn schon bricht an die neue Zeit,

Wo's euch viel wohler ist als heut.

Seht, die Regierung ist mit Macht
Allzeit auf euer Wohl bedacht,

Denn in den Kolonien — schaut! —

Sie neue Eisenbahnen baut!

Der Staat ist ein großer Haushalt. Mit kleineren Haushalten
hat er nur das gemein, daß er mit seinem Gelde nicht auskommt.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Der Pole ist heule gleichberechtigter Bürger in drei Staaten.

hielten nmnlich Erlaubnis, für gnädiges Fräu-
lein Braut nettes kleines Armband zu kaufen,
das drei Kerls vormittags init Handkuß über-
reichen durften, Übrige Bande stand draußen,
rief begeistert hurra und schien recht dankbar
zu sein.

Auch bei letzter Treibjagd beherzigte verstän-
digen Rat von Landwirtschaftskammer. Ließ
hübscheste Scharwerksmädchen reingeivaschen
auf Schloß befehlen, um gegen Morgen, als
Damen sich bereits zurückgezogen und Sekt-
stimmung Höhepunkt erreicht hatte, an Ver-
gnügen teilzunehmen. Einzelheiten leider nicht
zu beschreiben, da Brief in Unrechte Hände
fallen könnte. Erzähle Ihnen davon, wenn
nächstes Mal zum Tee-Abend von christlichen,
Jünglingsverein in Kreisstadt kommen.

Inzwischen Gott befohlen! Ihr Arnim.

De säch'sche Wahlreform.

Mei armes deires
Vadcrland,

Wie hammse dir
zergnidderd!

Das ganse Dach, das
schdehd in Brand
An alles is zer-
schblidderd.

Es zerrn sich egal
hin un her
Regierung un Bar-
deien;

Mei Äerze, das is
sehre schwer —
Rischd gammer Drost verleihen.

Das Wahlgesetz, die Misgeburd,
Die einstens mid Vergniegen
Zusammen de Bardein gehurd,
Soll in de Wolfsschluchd fliege»!

Der Landtag wagd »ich, effendlich
Dergegen uffzumucken.

Da 's sei Brinzieb is, folgsam sich
Zu schiniegen »» zu ducken.

Doch fest had er sich vorgenomm':

„An doch werd nischd verbesserd!

Es derf zu geener Ändrung gomm'.
Die unsre Macht verwässerd!"

Des Landdags Iesuidergeist
Besorgd das gladd un scheene;

Den Blänen der Negierung schmeißd
Er Gnibbel mang de Beene.

Er grimmd un wind sich wie 8 Aal
Mid deiflischen Geschicke;

Doch der Minister Lohenthal
Lad es schon gnibbeldicke.

Es werd en wohl nischd iewrig bleim,
Berdufden will die Berle,

Denn de Reform zu hinderdreim
Is Vorsatz dieser Gerle.

Es is um alle Liewesmieh
In diesen Falle schade —

In alden Gase fiehlde nie
Sich wohler änne Made.

Mer hield fer Helle uns un fein —
Der Ruhm, der geht zur Neege;
Ietzd siehd mer, daß mer dickisch sein,
Berfid, verschdockd un — feege.

vom fiüibus zum lüeltbrand.

Schreibe keinen Schreibebries
Unbedachterweise!

Manchmal geht die Sache schief
Und dann zieht ein solcher Brief
Ungeahnte Kreise.

Schreib' an Admirale nie,

Niemals an Minister;

Tust du's doch, verstchre sie
von dem Brief mit Lnergie:

„Streng vertraulich ist er".

Solch ein schriftlicher Lrguß,

Den ein „Nörgler" findet,

Macht dem Schreiber viel Verdruß
Und wird oft;um Zidibus,

Der den Brand ent;lindet. Alfred SLoiii.

Lieber Jacob!

Mit unsere Jerichte kann man noch sein
blaues Wunder erleben. Bille Spaß hat mir
neilich det Urteil jemacht, det von den Amts-
jericht „Berlin-Mitte" jejen de Wahlrechts-
umzügler vom neinten Januar jefällt worden
is. Diese Leite sind nämlich nich etwa des-
wejen verdonnert ivorden, weil se uff de Straße
Radau jemacht habe,, sollen! Im Jejenteil:
det Radaumachen uff de Straße kann sojar
zur Nachtzeit an sich 'ne sehr jottjefällije un
staatserhaltende Beschäftijung sind. Det haben
de liberalen un de antisemitischen Handlungs-
jehilfen zu ihre Befriedijung wahrjenommen,
wie se in de Nacht nach de Hottentottenwahlen
vor't Schloß un vor't Reichskanzlerpaläh dem
rühmlichst bekannten Lärm verursachten. Un
det Amtsjericht „Berlin-Mitte" hat jetz expreß
anerkennt, det in Preißen vor det sojenannte
Jesetz alle jleich sind un det det Radaumachen
uff de Straße bloß in den Fall bestraft wird,
wenn eener damit seine Unzufriedenheit mit
de Obrigkeit zum Ausdruck bringen will. Wer
dajejen seine staatsbirjerliche Wollust bezeijeu
will un zu diesen untertänijen Zweck in be-
soffene Stimmung bejlickwinschende nächtliche
Umzieje veranstaltet, dem haut zwar der Schutz-
mann ooch 'n paar ieber de Kohlriebe, aber
man bloß in mißbräuchliche Ausübung
seines verantwortungsvollen Amtes, un der
Staatsanwalt denkt nich daran, de nächtlichen
Ruhestörerin Anklajezustand zu erheben. „Seine
Freide mit de Maßnahmen der Rejierrmg",
hat det Amtsjericht „Berlin-Mitte" jesagt, „derf
jeder Staatsbirjer laut uff de Straße bezeijen."
Ick foljere daraus, det man daher jedem libe-
ralen oder konservativen Staatsbirjer, der sich
in jeschlossene Räume zu sonne Freidenbezei-
jungen anschicken tut, sofort mit Hallo uff
de Straße beferdern muß, uu werde mir in
Zukunft bestreben, nach diese juristische Uf-
fassung zu handeln.

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein

ietreiet Jotthilf Rauke,

an'n Jörlitzer Bahnhof, jleich links.
 
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