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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0013
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6911 • •

Neujahr in der Großstadt.

Ein sonst recht schneidiger Polizeipräsident befahl,
daß die Schutzmannschaft sich dem zu erwartenden
Silvcstcrradau gegenüber möglichst reserviert und
neutral zu verhalten habe; denn bei so farblosen
Gelegenheiten könne das Auge des Gesetzes dm Leuten
zwar ins Maul, aber picht ins Herz gucken.

Ei» Pastor, der die Zeichen der Zeit verstand,
gab seinem Küster folgende Instruktion für das Ein-
lünten des neuen Jahres:

„Läuten Sie mit Gott so feste wie Sie können,
lieber Müller, damit die Kerls da draußen merken,
daß wir auch noch da sind!"

Ein Familienvater hatte sich vorgenommen, den
ersten, der ihm in seiner Eigenschaft als „Haus-
haltnngsvorstand" zum neuen Jahre gratulieren
würde, durch einen Fünfziger zu erfreuen. Er dachte
dabei an die Zeitnngsträgerin, au den Brötchen-
jungen oder vielleicht auch gar an den Geldbrief-
träger.

Als der erste Gratulant klingelte, war es noch
stockdunkel.

Der Familienvater sprang ans dem Bett, machte
die Türe ans, sagte „Prost Neujahr!" und reichte
seinen Fünfziger hinaus.

„Se sin' woll meschugge?" war die empörte Ant-
wort.

Draußen stand nämlich der Hauswirt und wollte
die Miete haben. T.

Das gute Verhältnis.

„Prost Neujahr, Herr Wachtmeesta!"

„Prost Neujahr."

„Herr Wachtmeesta. . .1"

„Was is los?"

„Ick mcchtc jcrn, dat Se blankzieh'n bäten!"

„Nanu? Wieso denn? Heute is doch allens un-
politisch!"

„Ja... aba jrade darum mecht' ick ooch noch
Ihrer werten Plempe rasch 'n jcscgnetct neict Jahr
winschen!" T.

Aus ersten Kreisen.

Der kleine Ottokar v. Päterow — eS handelt sich
hier um die Päterows auf Muschitten bei Inster-
burg und nicht etwa um die Päterows auf Groß-
Schniefke bei Stolp — ist ein kolossal munterer und
aufgeweckter Knabe.

Heuer znin Beispiel, als am Silvesterabend im
trauten Familienkreise der Tannenbaum nach Ver-
löschen der letzten Kerze sehr unterhaltsam sollte „ge-
plündert" werden — da riß dieser brave Junge vor
lauter Besorgnis, daß die andern zuviel bekommen
könnten, den ganzen Tannenbanm um.

Seine Mama war damit nicht sehr einverstanden;
sein Papa aber freute sich.

„Ich glaube, der Ottokar wird später noch mal eine
Zierde der konservativen Partei!" meinte er. T.

Von der Kronprinzenreise.

Auf Ceylon wurden die Elefanten besichtigt. Auch
saß da ein tiefsinniger Fakir, der in hartnäckiger
Betrachtung seines Nabels die Welt zu erkennen
vermochte und überhaupt ein großer Zauberer war.

Als der Kronprinz hiervon hörte, ließ er sich, den
Mann vorführen und fragte ihn lcutselig-schcrzend,
ob er nicht vielleicht aus einem Elefanten eine Mücke
machen könne? Oder umgekehrt?

Der berühmte Fakir erwies sich als ein großer
Diplomat.

„Oder umgekehrt...?" griff er die letzten Worte
des Kronprinzen ans: „Das tut mir sehr leid, kaiser-
liche Hoheit . .. daS können nur preußische Staats-
anwälte!!" T.

Der Fettkellerklub.

DaS Kriegsgericht in Kiel verurteilte vor kurzem
eine 'Anzahl Feldwebel und llntcrossiziere von der
ersten Torpedodivision, die jahrelang die Mannschafts-
küchen bestohlen hatten. Die edlen Stellvertreter Gottes
bildeten einen regelrechten Verband, den „Fettkcllcr-

klub", dessen Zweck darin bestand, die den Mann-
schaften geraubten Lebensmittel in fröhlichen Gelagen
zu verzehren.

Wie uns aus großgrnndbesitzenden Kreisen ge-
ineldct wird, hat der Bund der Landwirte, dessen
Name in letzter Zeit ja zweifellos etwas anrüchig
geworden ist, nunmehr den Beschluß gefaßt, sich von
jetzt ab „Nationaler F cttkellerklub" zu nennen.

Kalenderreform.

Der Schweizer Bundesrat ivill eine internatio-
nale Konferenz zur Reform des Kalenders
einberufen.

Wie wir hören, hat die deutsche Reichsregierung
bereits erklärt, daß ihr das Projekt sehr sympa-
thisch sei und sie sich mit Vergnügen an den Be-
ratungen beteiligen werde. Um aber für eine wirt-
lich gründliche, zeitgeniäße und den Wünschen der
maßgebenden Kreise entsprechende Kalenderreform
die Wege zu bahnen, beantragt die deutsche Regie-
rung, den Verhandlungen folgende Leitsätze zugrunde
zu legen:

s 1. Kaisersgeburtstag und Sedantag
dauern fortan je achtundvierzig Stunden.

§ 2. Die auf diese Weise jährlich eingcbüßten
zwei Tage werden dadurch wieder eingebracht, daß
man den 18. März und den 1. Mai aus dem
Kalender streicht.

Säulen des Klaffenstaats.

Der Spitzel: So '»e Jemcmheit, jetz loofe ick den verdächtigen Kerl schon ’it janzen Tag lang nach,
un nu is er 'u Jcheimer!
 
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