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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0018
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6916

gerechte Strafe.

Wie uns der bei unserer Redaktion beglaubigte Vertreter des Himmels uütteilt, sollen nach neuester
Entschließung den Besitzern und Aktionären der Margarinesabriken int ewigen Leben sämtliche Speisen
bis zum jüngsten Tage mit ihrer eigenen Margarine zubcreitct werden.

Hamborg bei St.Pauli,
im Dezember.
Werte Redakscho»!

Indem ich wieder die
Feder ergreife, ist es
darum, weilmeineSpe-
kulatschon verunglückt
ist und ich kein Kapita-
list nich geworden bin.
Obwohl ich es noch
heutebefürwortenmuß,
daß meinPlan ein glän-
zender gewesen ist und
den Senat von unsere freie und Hamsterstadt
nur bedauern kann, daß er ihn nicht akzeptiert
hat, wo mir doch ein Patentanwalt zugerodet,
er sei „sain". Nämlich von die Erdgasflamme
in Renengamme, wovon die werte Redakschon
auch schon gehört hat, ging es aus, und da
ist meine Jntellischens erleuchtet worden. Da
haben nämlich die Hamborger Wasserkünstlers
gebohrt und gebohrt, und da müssen sie wohl
mit ihre Bohrers in den Rücken von einem
vorsintflutlichen Walfisch geraten sein, wovon
viele da unten verrotten, und da machte es
„Puff" und statt Wasser kam Gas aus dem
Loch, wo aber gar nicht stinkt, von wegen die
Länge der Zeit, jedoch schon brennt und eine
kannibalische Hitze gibt. Also ich betrachtete
dieses Naturwunder von die Wirtschaft zur
„Schiefen Brücke" aus und trank 'n paar-
Grögger dazu wegen die Feuchtigkeit und kam
dadurch ins tiefe Nachdenken, und denn ist mir
die Sache liebsterwelt plötzlich klar geworden.
„Wozu," so fragte ich mir, „will denn der Senat
noch Wasser, wo wir doch genug haben in der
Elbe und die Bevölkerung überhaupt keins
trinkt, mit Ausnahme von die Abstinenten, wo
aber keineswegs in die Majorität sind. Son-
dern es muß für die Mehrheit auch gesorgt
werden, weil es doch am Stadthaus steht:
Latus poculi, nämlich ein heilsames Gläschen
ist das oberste Gesetz! Mit die Wasserversor-
gung aus Neuengamme ist das nichts nich, aber
die zentrale Grogversorgung könnte man ein-
richten und dazu die Ablaßgase von die vor-
weltlichen Walfische benützen." Somit schrieb

ich im Bewußtsein meines schenialen Gedankens
an den Senat, daß er diese Naturschätze aus-
nützen solle im Interesse von seine Einwohners,
und daß es über das ewige Feuer einen großen
Grogkessel aufhängen solle uub eine Leitung
nach die Stadt mit Zapfstellen, wo man einen
Nickel hineinwerfen tut und dann ein Glas
Grog bekommt, ivie in die Automatenkneipen.
Und ich wollte als Entdeckerlohn nur meine
Ernennung zum hamborgischen Zentralgrog-
versorgungsdirektor und würde mich auch er-
kenntlich zeigen, indem ich bald zur Unter-
stützung drei oder vier juristische Grogräte
und einen Grogregierungsrat verlangen tun
täte, was eine schöne Beförderungsaussicht für
den akademischen Nachwuchs von die Patrizier-
familien gäbe, und was sonst immer ein durch-
schlagendes Argument ist, wenn man den Senat
günstig stimmen will für ein Projekt.

Dennoch aber hat mir der Senat auf mein
untertänigstes Schreiben gar nicht geantwortet
und das Feuerloch von Neuengamme hat er
zugestöpsclt und eine riesige Blechkapsel darauf
gestülpt und weiß nun nicht, was er anfangen
soll mit dem Segen. Jedoch ich glaube, daß
es nur Neid ist, weil ich mit meinem beschränkten
Untertanenverstand auf eine Idee gekommen
bin, >vo die patrizischen und erbweisen Führer
des Volkes nicht gehabt haben, obwohl sie da-
für ihre Gehälters bekommen und nicht zn knapp.

Aber es ist eben noch heute so, wie unser
nalschonaler Dichter gesagt hat, wo er von
dein Undank für segensreiche Erfinders spricht:
Es liebt die Welt, das Strahlende zu swärzen
Und das Erhab'ne in den Staub zu petten!

Ich will mich nicht rühmen, iveil das Eigen-
lob nicht günstig riecht, und ich will auch nichts
gegen die Abstinenten sagen, ivo auch sein
müssen, aber eine zentrale Grogversorgung
mit Staatsbetrieb wäre für unsere freie ilnd
Hamsterstadt ein Segen gewesen, namentlich
in diese letzten traurigen Wochen, wo ivir die
Margarinevergiftungsepidemie gehabt haben
mit choleraverdächtigen Erscheinungen, wo aber
von keinem Bazilius oder wie man das Vieh-
zeug nennen tut, abstammen, sondern von dem
neugeivählten Stadtvater Mohr in Altona.

Dieser Mohr ist auch schon preußischer Land-
tagsabgeordneter gewesen und im November
haben ihn dieAltonesen zumStadtvater gewählt,
iveil er die Bürgers versprochen hat, er wolle
für die öffentliche Ordnung sorgen. An
demselbigten Tag aber wurde in seiner Fabrik
Margarine gemantscht, wo bei einem erheb-
lichen Teil der Bevölkerung ordentliche
Öffnung zur Folge gehabt hat. Indem
meine Köminsel nur ’n paar hundert Meter
von Altona entfernt liegt, sind viele Hilfs-
bedürftige zu mir gekommen, und ich habe
ihr Leiden in die schmerzverzerrten Züge ge-
lesen und Hab' sie von meinem guten Grog von
Jamaika (Junkerfusel ist bei mir ausge-
schlossen!) eingeflößt, und sie dankten mir mit
tränenden Augen und verlangten noch einen,
wo ich.ihnen auch gab, denn

Edel sei der Mensch, hilfreich und aut,
wie bekanntlich der große Goethe sagt, was
ich mir jümmers zum Grundsatz nehme.

Dieser Stadtvater Mohr aber — nee, da
haben die Altonesen den Richtigen! Drei-
hundert Märker gab er an die Reporters, um
sie die Augen und die Nasen zu verschließen
gegen die Folgen der Margarine. Dieses war
aber zu wenig und wirkte nur für ein Auge
und ein Nasenloch, und die Reporters wurde»
nachträglich stolz und kriegten die Berufsehre
und gaben das Geld wieder zurück, indem die
Öffentlichkeit inzwischen gekommen war und
sie nicht mehr estimieren wollte wegen der
billigen Abfindung und der Schornalisten-
verein auch sagte, der Mohr sei zu schwarz,
um für lumpige dreihundert Emmchen weiß-
gewaschen werden zu können.

Stadtvater Mohr steht jetzt an de Water-
kant „im Mittelpunkt des öffentlichen Inter-
esses", wie die Reporters immer schreiben tun,
und wenn er seine erste Rede im Altonesen-
Rathaus hält, über Volksernährung oder so,
werde ich die werte Redakschon in Kenntnis
setzen, indem ich mir meine verunglückte Spe-
kulatschon von der Seele schreiben muß.

Hiermit grüßt mit einem Pränumerando-
Silvestergrog

Claus Swartmnul,
nichtgewordener Zentralgrogversorgungs-
direktor und gebliebener Fleegenwirt.

Glossen.

„Instrumente des Himmels" — Milan von Ser-
bien, Carlos von Portugal, Abdul Hamid, Kaiser
Nero und Etzel, die „Gottesgeißel", waren auch welche.

„Von Gottes Gnaden!"— eine Degradation des
lieben Gott zum Srtzredakteur des Absolutismus.Kl.

Das neue Strafrecht. E. schmmg.

„Also, de bloße Verherrlichung von befangene Ver-
brechen woll'n se nu ooch bestrafen?"

„Schab' nischt, der Bethmann müßte ja zuerst dran
jlooben, der verherrlicht doch det Drciklassenwahlrecht.
 
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