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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 28.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.6709#0029
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6927

Der wilde Eber.

Eine wahre Geschichte.

ver PolizettaUt in der Moabiter BeruJggungsfpttipöome.

Komponiert von Herrn n.Isgow. Emu Erk

Im Llinde Borussia hauste einstmals ein
wilder Eber. Der hatte gewaltige Hauzähne
und ivar stärker als alle seines Geschlechts.

Oftmals brach er des Nachts aus dem Dickicht
des großen Waldes und fiel in die Herden der
friedlichen Läinmer ein. Mit seinen Hauern
riß er ihnen den Bauch auf und verschlang die
rauchenden Eingeweide.

Mutige Hirten mit ihren treuen Hunden
hatten einigemale versucht, die Bestie zu er-
legen. Sie hatten ihre Kühnheit mit dem Leben
büßen müssen. Kein Hundezahn, keine Speer-
spitze konnte dem Untier etwas anhaben; un-
durchdringlicher als ein Kettenpanzer war daS
dicke borstige Fell. Menschen und Tiere fand
man mit aufgeschlitzten Leiber» des Morgens
auf dem Schauplatz des Kampfes.

Entsetzen verbreitete sich unter der Bevölke-
rung. Niemand wagte mehr, dem gewaltigen
Wild entgegenzutreten. Dieses aber schien
immer blutgieriger zu werden. Kaum eine Nacht
verging noch, in der es nicht seine fürchter-
lichen Spuren zeichnete. Ja es begann, sogar
in die Hütten der Menschen einzubrechen. Kleine
Kinder schienen ihm Leckerbissen zu sein. Jam-
mer und Wehklagen erfüllte das ganze Land.

In dieser großen Not richteten sich aller
Augen hilfeflehend auf den edlen Fürstin des
Landes, der als kühnster aller Jäger bekannt
war. Elche, Wölfe, Auerochsen und Bären
hatte er schon zu Hunderten erlegt. Freilich
waren alle diese Tiere an Kraft und Wildheit
nicht zu vergleichen mit dem mordgierigen
Rieseneber, der jetzt das Land in Schrecken
setzte. Aber das Heldenherz des Fürsten kannte
keine Furcht. Kaum hatte er die Kunde von
dem Unheil vernommen, da befahl er zur Jagd
zu rüsten.

Die sieben schärfsten Hunde wählte er aus
und übergab sie der Führung eines erfahrenen
Knappen. Zwei weitere kühne Knappen mußten
ihm sechs Jagdspeere »achtragen, indes er selbst
den siebenten in die Hand nahm. Einem vierten
Knappen aber vertrante er ein kleines, geheim-
nisvolles Kästchen an, das er stets mitnahm,
wohin ihn die Pflichten oder Freuden seines
hohen Berufes riefen.

So gerüstet verließ der Fürst sein Schloß
und drang in den dunklen Wald ein, um das
Untier in seinem Versteck aufzuschrecken und
zu erjagen. Es dauerte nicht lange, da nahmen
die Hunde die Fährte des Ebers auf. Mit ivil-
dem Eifer stürzten sie vor, und bald verkündete
Gebell und Getöse, daß der Kampf begonnen.

Da brachen auch die Jäger sich rasch Bahn
durch das Dickicht und stürmten den Hunden
nach auf eine Blöße, woher der Kampflärm
tönte. Doch welch trauriger Anblick bot sich
ihnen dar! Schon lagen fünf der edlen Jagd-
hunde, fürchterlich zerfetzt, heulend, wimmernd
und zuckend umher. Ein sechster flog eben mit
hängenden Eingeweiden durch die Lust, und
ehe noch die Männer herangekommen, lag auch
schon der letzte in Todeszuckungen am Boden.

Kaum hatte die wütende Bestie die neuen
Feinde erblickt, so stürmte sie ihnen auch schon
entgegen. Mit Blitzesschnelle begrub er die
blutgeröteten Hauer in dem Bauch des vorder-
sten der Knappen, des Hundewärters. Und
ehe noch die beiden Speerträger sich zum Ali?,
griff hatten bereit machen können, ach, da
wälzten auch sie sich schon in ihrem Blute.

Jetzt sauste der Speer des Fürsten durch
die Luft. Doch, so stark der Arm des Absen-
ders, so scharf die stählerne Spitze war, sie ver-
mochte den borstigen Panzer nicht zu durch-
dringen. In rasender Wut rannte der riesige

Crescendo.

Furioso.

Glorjoso.
—o-

Eber gegen den kühnen Jäger an. Dieser schien
dem Tode geiveiht. Dem noch überlebenden
Knappen sträubten sich bei dem Anblick die
Haare empor; ivie zum Schutz hielt er das
geheimnisvolle Kästchen vor.

Der Fürst aber stand Auge in Auge mit
dem Untier, und in dem Moment, wo dieses
zum furchtbaren Hieb ausholte, stieß ihm der
Held den Jagddolch in den aufgerissenen
Rachen. Ein schwarzer Blutstrom schoß aus
dem Schlund des Ungeheuers. Mit dumpfem
Gebrüll brach es tödlich getroffen zusammen. —

Zitternd noch an allen Gliedern von dem
ausgestandenen Schrecken, steckte der Knappe
das Kästchen ivieder sorgsam in das Futteral.
Er hatte, del» Befehl seines Herrn getreu, bte
Geistesgegenwart besessen, den großen, gräß-
lichen Moment zu photographieren. Das Käst-
chen war nämlich ein Kodak. Dank dieser herr-
lichen Erfindung konnten bald darauf alle illu-
strierten Zeitungen des Landes dem Volke
-Kunde geben von der befreienden Tat seines
Fürsten, und des Jubels war kein Ende. Auf
dem in der Nähe von Springe im Gau West-
falia liegenden Schaupatz des großen Ereig-
nisses.soll demnächst ein Denkstein für ewige
Zeiten errichtet tverden. M

Der Keperprinz.

Wiederum ersah an Maxen
Run ein jedes Kind,

Daß die guten blonden Lachsen
Riesig Helle sind:

Sr, der vielgefeierte
Muster-prtnzen-Lhrist
Sich beinah entschleierte
Ais ein Modernist.

Und er ward schon halb betrauert

Ais verlorner Sohn-

Ach, es hat nicht lang gedauert
Seine Rebellion!

Reue Segnungen der Kutten
Hat er schon erreicht
Auf den Knien. Fa, den Huttcn
Spielt man nicht jo leicht.

Pius lacht: „Ls kommt die Schnecke
Stzer aus dem Haus,

Als ein deutscher Kirchenrecke
Aus der Kutte raus!"

Ss verflackert das Geloder,

Ls verschwelt das Licht:

Denn man ist — Entweder — Dder! —
Pfaffe oder nicht! P-E.
 
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