Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 30.1913

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7671#0412
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
— 8168

Winterstimmung.

„Da steht schon wieder in der Zeitung, daß infolge der Kälte mehrere
Menschen erfroren aufgefundcn worden sind — Berta, schüren Sie doch gleich
mal tüchtig nach!"

Galgenhumor in der Markthalle.

„Wenn fetzt eener Trichinen oder ’n Bandwurm kriegt, denn iS et ’tt reicher
Mann, unsercens kann sich höchstens »och die Hundetollwut leisten — --"

ooo

ßbristnacbt.

So nächtlich die Strassen — der CUind beult so bang,
Im Schein der Laternen fällt Schnee.

JTus lichtbellen Räusern klingt frommer Gesang,
Gestorben scheint rings alles GJeb.

JTm Stabe dabin nur wankt einsam ein Greis,

Der Slockcn achtet er nicht.

Gebeugt ist sein Rücken, sein Raar ist sebneeweiss,
Doll Jalten sein braunes Gesiebt.

Zerschlissen sein Mantel, zerfetzt seine Schub,

So wankt er am Stab durch die Dacht.

Jür ibn ist kein Plätzchen zu stärkender Rub,

Ihm wird auch kein Sriede gebracht.

Und als er, so müde, nicht weiter kann ziebn,

Da ladet die Kirche ihn ein.

Da sinkt er auf schneeige Stufen dabin,

Dabin auf den eisigen Stein.

£r stützt auf die Räude sein sebneeweisses Raupt,
Die Jlocken, sie fallen so sacht.

Oon fern klingt das Lied, an das einst er geglaubt,
Das Lied von der „heiligen Dacht“.

£s klingt und verklingt. Und rings wird es still.
Der JUte schläft sehnsuchtsvoll ein:

Seine Qualen sind aus, sein Rerze steht still —
Cot sitzt er auf eisigem Stein. fl. eiiinger.

Parlamentarische Kommissionen.

Die deutsche Ncichsregierung hat bekanntlich eines
der Mitglieder, die die sozialdemokratische Reichs-
tagsfraktion in die Kommission zur Untersudinng
der Rüstungslieserungen entsandt hatte, znrnckgc-
wicsen, und die Sozialdemokraten Roben daraufhin
deschlosse», die Kommission unbeschickt zu lassen.

Um derartigen Taktlosigkeiten der Umstiirzpartei
in Znknnst vorznhcngen, schlagen wir vor, für die
Einberufung und die Verhandlungen solcher parla-
mentarischen Komniissionen ein für allemal folgende
Bestimmungen gesetzlich festznlegen.

ß 1. Die Kommission wird zusammengesetzt aus
Mitgliedern der Regierung und den Vertretern der
einzelnen parlamentarisdien Fraktionen.

ß 2. Diese Vertreter werden von ihren Fraktionen
durch freie Wahl bestimmt.

§ 3. Die Regierung entscheidet aber, wie viele
uno welche Mitglieder jede Fraktion als Vertreter
zu enlseitden hat.

§ 4. Sollten sich in einer Fraktion keine für die
Zwecke der Kommission geeigneten Persönlichkeiten
finden, so steht es der Regierung frei, die betressen-
den Kommissionsmitglieder aus einer anderen Partei
zn wählen.

§ 5. Die Verhandlungen der Kommission sind
öffentlich.

ß 6. Irgendwelche Mitteilnngeil Über den Gang
der Kommissionsverhandlungen oder die Beschlüsse
der Kommission mündlich oder durch die Presse zu
verbreiten, ist bei Gefängnisstrafe verboten.

§ 7. In den Verhandlungen derKommission herrscht
die verfassungsmäßig garantierte Redefreiheit.

§ 8. Es dürfe» in den Debatten nnd Referaten
der Kommission aber keinerlei Dinge zur Sprache
gebracht werden, ivelche die Interessen der Landes-
verteidigung zn schädigen, das heißt die Regierung
oder das Geschäftsgebaren der Armeelieferanten zu
diskreditieren nnd zn blamieren geeignet erscheinen.

Lehmann.

Bücher für den Weihnachtstisch.

,,Kornwalzer, die mich nie erreichten." Von

Jnstilia.

„Wie werde ich Sozialdemokrat?" Tausend Re-
zepte, approbiert und heransgegeben vom Bund
der Scharsmacher.

„Das große Kalauer-, Witz- und Hnmorbuch."

Erzbergers gesammelte Reden.

„Von Lentuailts, die ich lieb gewa»»." Von

Wackes.

„Das Buch der Jahrhundertfeftspiele." Vor-
zügliches Brennmaterial.

„Geheimsprache für Liebende." Die Chiffre-
systeme aller Spione der „bfframbcteu" euro-
päischen Staate».

„Deutschlands Fortschritte." Sehr selten.
„Knigge, Umgang mit Menschen." Ren bearbeitet
für die bayerischen nnd österreichischen Parlamente.
„Im Zeichen des Verkehrtseins." Biographien
Pegonds, BethmannS nnd anderer, die es — ver-
kehrt machen.

„Bellachini in der Westentasche" oder: Wie kann
ick> nationalliberal sein und zugleich für die
Schwarzen stimme»?

„1001 Stacht im Palais de danse." Erschitttern-
der Liebesroman eines Agrariers.

„Böcke, die ich geschossen." Neuauflage des kron-
prinzlichen Jagdtagebnchs.

Deutsche Weihnachtsmärchen.

Es war einmal ein Christengel, der verwechselte
das Hinterhaus mit dem Vorderhaus.

Es war einmal eine Wohltätigkeitsveranstaltnng,
wo man nur Gutes tat nnd nicht ans Amüsieren
dachte.

Es war einmal eine christliche Regierung, die baute
ein Panzersckiifs weniger und sättigte, kleidete und
wärmte dafür am Christfest hunderttausend Arme.

Es war einmal eine Hofjagd, deren „Strecke"
unter die Hungernden verteilt wurde.

Es war einmal ein Weihnachtsfest, da „allen
Menschen ein Wohlgefallen" ward.

3 in Äinterhans.

„Du, Mania, nicht wahr, wenn der Weihnachts-
mann streikt, sinden sich keine Streilbrecher?"

„deutsches " tTurnerited.

Zch bin ein Eurner, ein „echt nationaler",

Ich schwärme mächtig für des Reiches wohl,

Geopfert habe ich schon manchen Ealer
Für hurrafeste und für Alkohol.

Venn an Gehirnverkleist'rung

Müßt' kranken Sie Begeist'rung,

wenn man nicht täglich stramm sein „Debbchen" trinkt,

Bis man dem Schlummer in die firme sinkt.

Da plötzlich - welch ein fürchterlich Entsetzen,
welch ungewohnter, schreckensvoller Klang?

Es naht dem stolzen Reich des „Vebbchen-Göhen"
weeß Knebbchen Kladd'radatfch und Untergang.

Ein „Bund der Abstinenten" -
wie soll das nur noch enden?

Und mitten in der „teutschen" Eurnerschast?

Da schwindet ja Begeist'rung, Mut und Kraft.

Der „Vebbchen-Götz" ergreistt die vonnerkeule
Und schleudert auf die Frevler seinen Bann,

Venn niederbrechen sieht er Säul' um Säule,
wenn man nicht mehr sein „Vebbchen" trinken kann.

Ob „dunkles" oder „lichtes",

Ob doppeltes, ob schlichtes -

Nur muß es vier von Malz und Hopfen fein,

Daß es die Kehle netzt zum hurraschrei'n.

Nun steht es wieder wohl im deutschen Staate,

Gerettet ist er durch den „Vebbchen-Götz".

Und wer da Wasser trinkt und Limonade,

Der wird gemieden wie die Pest und Krätz'.

Man setzt ihn vor die Eüre
Ob seiner Sünd' am Biere,

Doch unverdrossen sauft sich Mut und Kraft

Die „nationale" deutsche Eurnerschaft. Kl.
 
Annotationen