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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 32.1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.8259#0103
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8659

Begründete furcht.

„Was die Tiere nur haben? Sie sind ja kaum zu halten?"

„Det is bloß Instinkt. Die Dackel haben Angst vor dem Ge-

räuchertwerden."

ss ftobelfpäne. tr©

Wenn Väterchen nach Deutschland sich begeben,
Weil's ihm in Rußland nicht geheuer schien,
War bei den Offiziösen großes Leben —

Sie fühlten sich versucht, vor ihm zu knien.

Die alteFreuudschaftRußlandsward gepriesen,
Die seinen lieben Deutschen er geschenkt;

Zn Memel hat er glänzend uns bewiesen,
Daß er an uns in treuer Liebe denkt.

Er hat sich etwas eigen dort benommen,
Und eine Plünderung vergißt man nie;
Ostpreußen ist wohl dauernd ausgenommen
Von jeder Art von Russensympathie.

Aller Kriegsruhm früherer Zeiten hat in der Jetztzeit nur noch die
Leuchtkraft der Wachskerze in einein brennenden Hause.

Heldentum und Pflichterfüllung sind sich chemisch gleich - wie
Diamant und Kohle. Und ihr Heizwert für die Zeitmaschine ist auch
demgemäß verschieden. „

Der Weltenkrieg stürzt vieles um
Mit schrecklichem Getöse,

Jedoch das goldne Kalb bleibt stehn
In seiner ganzen Größe.

Wird der Staat nach dem Kriege durch Erfahrung belehrt — für
die Streikposten der Arbeiter ebenso große Sympatien haben wie heute
für seine U-Boote? ,

Die Maifeier wird diesmal besonders festlich, nämlich mit Feuer-
werk im West und Ost, begangen werden. Zaungäste sind gewarnt.

Ihr getreuer Säge, Schreiner und Landslürmer.

Lurra-Kitsch.

Es hat sich dieser Zeiten
Mit wenig Phantasie,

Doch desto mehr Geschäftssinn
Bemächtigt die Industrie.

Auf Schlummerrollen hat man
Die „Brummer" aufgestickt;
Zigarrentaschen sind sinnig
Mit Eisernem Kreuz geschmückt.

Auf Schokoladentafeln
And Seifen — Lindenburgs Kopf!
Man sieht ihn auf Kaffeetassen
And auch auf manchem Topf.

Man sieht ihn allerorten.

Das ist des Ruhmes Fluch,

Man findet ihn beim Schneuzen
Auch auf dem Taschentuch.

Auf jedem Wein- und Bierkrug
Der Spruch ins Auge fällt:

„Wir Deutsche fürchten Gott nur.
Sonst nichts auf dieser Well!"

So werden mit jedem Tage,

Den dieser Krieg noch währt,
Daheim mit emsiger Mühe
Des Krieges Greuel vermehrt!

Lieber Jacob!

Die neun Milliarden Kriegsanleihe sind ja een
erhebender Beweis for de entsagungsfreidige
Zahlungsfähigkeit des deutschen Volkes. Ooch
ick hätte ivohl mit Handkuß hunderttausend
Emmchen in de patriotesche Pinke jeschmissen,
aber — ick hatte jerade nich so ville bei mir.
In mein Portcmonnöh stach an Barjeld nischt
weiter als wie een Sechser drinne, und von

Wertpapieren besaß ick bloß eene Brotkarte,
von die schon siebenhundertfuffzig Jramm weg-
jeschnitten waren. Da nu een Sechser zu wenig
is un uff meine Brotkarte mir keene Darlehens-
bank wat pumpen wollte, so mußte ick mir
leiderdet schmeichelhafte Bewußtsein verkneifen,
dem Fortjang der kriejerischen Operationen
zu fimf Prozent unter de Arme zu jreifen. Aber
ick freie mir, det det jewinschte scheene Resul-
tat schließlich ooch ohne meine Hilfe zustande
jekommen is, un ick hoffe, det nich der janze
Stieg wird in Jranaten anjelegt werden missen,
sondern det Europa rechtzeitig zur Besinnung
jelangt, un noch 'n paar Miliiärdchen zu bessere
Zwecke iebrig bleiben. Der erste Mai wäre
so 'n scheener Termin sor dem Friedensschluß
jeivesen, aber de Diplomaten haben dem Tag
ja niemals mit rechte Inbrunst jefeiert un da
konnte man ooch jetz nischt Berständijes von
sie erwarten.

Wat iebrigens die Opferfreidigkeit anbe-
langt, so kann man da manchmal nich vor-
sichtig jenug sind. Bei uns in't Vorderhaus
wohnt der Koofmann Filzmeyer, der in Frie-
denszeiten 'ne jutjchende Krawattenfabrik hat
— er nimmt fufzig Prozent im Schatten —
un jetz mit allerhand Armeelieferungen een
klotzijes Jeld verdient. Dem seine Jattin, wat
'ne jeborne Schlaumeyer is, betätigt sich seit
Kriegsbejinn bei alle WohltätigkeitSunterneh-
mungen, un jeden Nachmittag sitzt sc uff
irjend 'n Damenkaffee, wo det Wohlerjehen
der Feldjrauen mit Lorke begossen wird. Nei-
lich aber setzte se ihre unheilbare Menschen-
liebe de Krone uff, indem det se dem zwee
Kilo schweren Joldschmuck, dem ihr Mann

se zu Weihnachten geschauken hat, in de Me-
tallsammlung von't Rote Kreuz trug un ihm
mit tränende Oogen jratis uff dein Altar des
Vaterlandes niederlegte. Se hatte det Ereignis
schon morgens in't janze Hans verbreiten
lassen un jeder Mitbewohner blickte ihr mit
unjewohnte Hochachtung un Bewunderung
nach. Ooch ick konnte mir der Jberzeugung
nich enthalten, det se verrückt jcworden war.
Aber jejen Abend kam der Jatle aus det Je-
schäft zu Hause un da leeste sich det Rätsel
in eene Katastrophe uff, die wir bis in unser
Querjebeide, vierter Stock, hören konnten. „Ick
habe dir doch uff mein heilijes Ehrenwort
versichert jehabt, det der Schmuck von richtijet
schieres, echtes Jold iS!" donnerte Filzmeyer.
„Det haste immer von deine Jeschenke jesagt,"
heulte in erbärmlichste Klagetöne de jeborne
Schlanmeyer, „un wenn ick se nachher vom
Juwelier untersuchen ließ, denn is et noch
immer Tombak jewesen!" „Wie kannste mir
zutrauen, det ick dir bei meine jetzigen Ein-
kimfte so 'n Dreck zu's heilige Christfest uff-
bauen werde?" drillte er. „Weil Du von
Natur ’tt schäbiger Jeizdeibel bist!" kreischte
sie. Un uff eenmal hoben se dem Burgfrieden
uff un wamsten sich jejenseitig durch, det det
janze Haus zusammenlief!

Sonne Foljen kann de Wohltätigkeit haben,
wenn eener voreilig zu Werke jetzt; un et is
deswejen immer jut, ehe man det Opfer bringt,
es erst uff'n Probierstein priesen zu lassen, ob
et nich am Ende doch vollkarütig is!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an 'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
 
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