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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 32.1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.8259#0283
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8839


Croftlofe Zelt.

„Was nützen uns nun die schöne» Krtegsgewinne? Amorsäle geschlossen, Palais
de Dance geschlossen, nirgends ein gemütliches Lokal, wo man sein Geld
los werden kann!"

trotiellpüne. eT

Von einem gar zn selbstbewußten Tropf.

Der andre schmäht, pflegt man seit alten Tagen
Gelegentlich das gute Wort zu sagen:

Der Kerl hat selber Butter auf dein Kopf!'

Wer dächte nicht daran in dieser Zeit?

Und >ver erinnert sich nicht der Berflucher?
Es treibt nun mancher seinen fetten Wucher.
Der ilns geschmäht mit edler Heftigkeit.

Doch wer bisher der Sorte noch geglaubt.
Sieht jetzt die Wucherer im hellsten Lichte,
Und er erkennt: die unverschämten Wichte,
Die haben scheußlich Biltter aus dem Haupt!

Der Zuruf „Guten Appetit" ist behördlich verboten worden, da er
zur Völlcrei anreizen und somit der gebotenen Sparsamkeit entgegen-
wirken könnte.

D'Annunzio ist, wie berichtet ivird, unter die Flieger gegangen.
Kein Wunder: er ist ja schon immer ein „Luftikus" und „Hochstapler"
gewesen.

Wenn wieder am Balkan die Rosen glüh».

So hofft man, ivird auch der Friede blühn.

Ach, mit den Rosen ist's ei» Trug —

Blutrose» blühn dort schon mehr als genug.

Zur Beseitigung der Kleiugeldnot soll jetzt das au den Stammtischen
geredete Blech ausgemünzt werden.

Ihr getreuer Säge, Schreiner und Landstürmer.

Sprachreform.

Der im Berliner Polizeipräsidium tagende „Sprachaus-
schuß" hat vorgeschlagen, für das Work „Parfümerie"
künftig „Parfümerei" zu schreiben und zu sprechen.

Der verruchten und verhaßten
Fremdwörterepidemei
Endlich den Garaus zu machen
Mit tatkräft'ger Energei,

Mühte sich schon lange unsre
Geist'ge Aristokratei.

Doch sie stieß bei dem Bestreben
Stets auf Spott und Ironei,

Denn die ernste Frage brach sie
Leider meistens übers Knei
And bewies bei der Behandlung
Nur ihr geist'ges Alibei.

Jetzt hingegen rückt aufs Leder

Dieser Auslandsdespotei

Mit des Philologcnrüstzcugs

Allerschwerster Batterei

And mit Geist, Geschmack und Grazie

Die Berliner Polizei:

Und ein jeder Bürger grüßt sie
Mit der wärmsten Sympaihei
And erstirbt in Ehrfurcht vor dem
Überragenden Genei
Unserer Burokratei.-

Oder gibt's im Bakerlande
Irgendwo ein blödes Beih,

Das an diesem zweifelt? Wei? Balduin.

Lieber Jacob!

Soviel wie ick mir aus meine Schulzeit her
erinnern kann, jalt, wenn sich zwee Jungens
priejelten, immer der als der stärkere, der dem

anderen verwichst hatte. In de hohe Pollelik
scheint man aber in diesen Punkt de entjejen-
jesetzte Ansicht zu huldijen. Wenigstens schließe
ick det aus die Rede, die der neie franzeesche
Ministerpräsident Briand in det Pariser Par-
lament jehalten hat. Der Mann stellte fest, det
de deitsche Armee seit een Jahr Beljien un
Nordfrankreich besetzt hält un in Rußland een
janz scheenes Stick vorjedrungen is, un fol-
jcrte aus dieses unbestreitbare Erjebnis, det
sich Deitschland in eenen bejammernswerten
Schwächezustand befindet. Um nu de Uffmerk-
samkeit von diese traurije Lage abzulenken un
sonne scharfen Beobachter wie Briand zu nep-
pen, habe de deitsche Heeresleitung dem ver-
zweifelten Entschluß jefaßt, in Serbien einzu-
ricken un ooch noch dieses Land zu erobern.
Det Deitschland un Österreich jejen alle Offen-
siven bisher sonn unerschitterlichen Widerstand
jeleistet haben, det is nach Briand'n seine Mei-
nung ooch man bloß een Beweis dafor, wie
sehr de Deitschen un de Österreicher ihre ieber-
lejenen Feinde firchten täten! Wundern muß
ick mir bloß, det Briands engelsche Freinde
jar keen richtijes Verständnis for diese jlick-
liche Sachlage nich zu besitzen scheinen. Denn
anstatt det sich Grey un Asquith von wejen
dem deitsche» Schwächezustand 'n Ast lachen,
haben sc sich ieber det Bnlkanunteruehmen in
janz entjejenjesetzte Ansicht ausjequetscht un
sich in ihre Reden villemehr den Standpunkt
jenähert, dem wir als Schuljungens for richtig
erachteten. Aber ick will mir aus Bescheiden-
heit in diese Meinungsdifferenzen unserer
Jejner nich mengelieren, sondern ick bejuieje
mir mit det Bewußtsein von den deitsche»

Schwächezustand, der uns bis jetz janz jut
bekommen is un hoffentlich in dieselbe Weise
weiter andauern wird.

Ooch mit die neien Lebensmittelukase unseres
Bundesrats bin ick insoweit janz einverstan-
den. Aber ick hoffe, det uff diesen Weje noch
energischer fortjeschritten werden wird, denn
eene Schwalbe macht noch keenen Tobias. Det
an zwee Wochentage in de Restorangs keene
fetthaltije Substanzen nich abjejeben werden
Versen, jetzt mir nich weit jenug. Denn der
an Fettlebe jewehnte Birjer kann sich immer
noch so einrichten, det er sein Fett weg hat,
auch ohne det er sich jerade in de Kneipe setzt.
Mit moralesche Jenugtuung dajejen bejrieße ick
die zwee Wochentage, ivo im effentlichen Ver-
kehr alle fleischlichen Jeliste pollezeilich unter-
drickt werden. Diese Beschränkungen werden
von keenen Patrioten als drückend emfunden
werden. Denn mit jroße Befriedijung las ick
in't „Tageblatt", wat vor scheene Jerichte man
allens an die betreffenden Fastentage präpeln
kann, ohne de deitsche Wehrkraft zu nahe zu
treten. Et is 'n wahrer Sejen, det eenen de
birjerliche Presse uff alle diese Delikatessen
uffmerksam macht, denn von alleene wäre
unsereener janich druff jekommen. Leider aber
is jünzlich vergessen worden, anzujeben, wo
man de Jelder hernehmen soll, um sich nach
die wohlschmeckenden Rezepte seine pollezeilich
erlaubte Nahrung herzustellen. Aber ieber sonne
poplijen Kleinigkeiten darf man sich in de je-
jenwärtije jroße Zeit nich weiter uffhalten!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an 'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Redaktionsschluß IS. November 1915.
 
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