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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 32.1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.8259#0294
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8850 —



Advent



Über den Hügeln liegt träumende Stille.
Wo es ans Sternenhöhen fällt.

Deckt eine lichtumflutete Hülle
Friedlich die Welt.

Hügel an Hügel wachsen die Türme.
Flocke um Flocke formt ihre Gestalt,
Tief nun begraben liegt aller Stürme
Tote Gewalt.

Dort wo Kreuze an Kreuzlein tauchen
Aus dem Nebel am Massengrab,
Schauen die blinkenden Himmelsaugen
Trauernd hinab.

Wo der Menschheit Blüte gefallen,
Flamme und Schwert alles Leben fraß.
Vor den einsamen Totenhallen
Beugt sich der Haß.

Opfer ist neben Opfer gebettet. Leise die nächtlichen Winde wandern,

Silberlicht quillt zwischen Gipfeln hervor; Traurige Weifen mischen sich drein.

Die da ein gütiges Schicksal gerettet. Über den Hügeln in Polen und Flandern
Jubeln empor. Schlafen sie ein. L.P.

Feldpostbriefe.

XXXIV.

Lieber Maxe! Also auch bei die letzte Nach-
musterung der dauernd Unmöglichen haben sie
Dir als nicht zweckentsprechend befunden? Das
ist Pech und schmerzt mir in Deinen Interesse
heftig, denn Dir werden auf diese Weise zahl-
reiche Annehmlichkeiten entzogen, die man doch
bloß im Felde genießen kann. Du schreibst ja
selber, wie belämmert es Dir augenblicklich
in Berlin geht, und das glaube ich Dir herz-
lich gerne, denn von alle die Notstände, wo
Du Dir drüber beklagst, haben wir hier nicht
das geringste zu leiden gehabt. Zum Beispiel
vermißt Du des Morgens die zu dem Kaffee
gehörigen Schrippen, die Du als ordnungs-
liebender Mensch nicht entbehren kannst. Nun,
ich bin auch ein ordnungsliebender Mensch —
frage mal meinen Korporalschaftsführer, den
Herrn Sergeanten Lehmann —, aber wenn
ich morgens keinen Kaffee nicht kriege, so
brauche ich auch die Schrippen nicht zu ver-
missen. Und in diese bevorzugte Lage befinde
ich mir meistens. Ferner jammerst Du über
den Kohlenmangel und fragst mir, mit was
Du Deinen Ofen Heizen sollst. Dadrüber kann
ich Dir ebenfalls nicht belehren, denn ich
brauche keinen Ofen nicht zu Heizen, weil sich
in unserm Schützengraben keiner nicht befindet.
Ebensowenig drücken mir Deine Sorgen von
wegen die hohen Preise der Nahrungsmittel.
Die Gulaschkanoniere haben bis jetzt noch nicht
aufgeschlagen, obgleich bei uns keinerlei zwangs-
weise Höchstpreise eingeführt sind, und andere
Ausgaben belasten meinen Brustbeutel nicht,
indem daß es weit und breit nischt zu kau-
fen gibt.

Auch was sonst Dein empfindliches Herze
beklemmen tut, würde Dir hier ins Feld nicht
weiter belästigen. Du jammerst, iveil es keinen
Schwoof nicht mehr gibt, wo Du Dir Sonn-

tags in Deine ganze Pracht vor die belustigte
Damenivelt zeigen kannst, und Du fürchtest,
daß Dir eine allgemeine Stumpfsinnigkeit zu
beherrschen anfängt, weil Du keine Gelegen-
heit zu höhere geistliche Betätigung nicht mehr
finden kannst. Lieber Maxe, in diese Hinsicht
konnte Dir der Dienst im Felde mächtig auf
die Beine helfen; denn hier bei uns werden
alle menschlichen Sinne ohne Unterbrechung
geschärft, und man kann das ansäintliche Glied-
maßen und andere Körperteile deutlich bemerken.

Neulich zum Beispiel hatten wir einen sehr
schönen Nachtmarsch zur Umgehung einer feind-
lichen Stellung. Nachdem wir zehn Stunden
getippelt waren, wurde uns erst bewußt, was
für ein fein empfindsames Sinnesorgan der
Mensch in Gestalt von seine zwei Spazierhölzer
besitzt. Kein noch so unbemerkbarer Kieselstein
lag am Wege, den man nicht ganz deutlich
durch die genagelten Stiefelsohlen durchfühlen
konnte, und jeder Schritt brachte eine neue
Offenbarung! Ein längeres Ende mußten wir
auch in kriechende Haltung zurücklegen, was
in die Dunkelheit immer sehr belehrend ist.
Denn Du ahnst gar nicht, lieber Maxe, in wag
der Mensch alles 'reinfassen kann! Und bei
solche Gelegenheiten kommt auch die Nase zu
ihr natürliches Recht. Ebenso wurden die Horch-
lappcn in Beschäftigung gesetzt, indem man
ununterbrochen Obacht passen mußte, ob nicht
irgendwo was zu hören war. Und schließlich
wurde unsere Anstrengung belohnt und wir
hörten zu unsere Befriedigung die feindlichen
Kugeln pfeifen, und als wir noch ein Stück
weiter gekrochen waren, fand auch das Auge
seine Genugtuung, indem daß wit die Fran-
zosen in eine sehr stark befestigte Stellung er-
blicken konnten. Dann dauerte es nicht mehr
lange, lieber Maxe, und der Sturm ging los,
und es begann ein Tanzvergnügen, bei dem
Du selbst dem pikfeinsten Halenseer Schwoof
gerne entbehrt haben würdest!

Kurz und gut, lieber Maxe, es ist und bleibt
bedauernswert, daß sie Dir nicht aus Deine
traurige Lage befreit und hierher zu uns ge-
schickt haben. Aber tröste Dir: wer weiß, zu
was es gut war! Schließlich muß doch auch
nach Friedensschluß noch einer übrigbleiben,
der das menschliche Geschlecht weiter fortpflanzt,
und in diese Hinsicht sehe ich die gespann-
testen Erwartungen in Dir, und grüße Dir
auf das herzlichste als Dein Freund

August Säge jun., Garde-Grenadier.

?. 8. Schreibe mir doch, ob Du wegen körper-
liche oder wegen geistliche Minderwertigkeit
dienstuntauglich geschrieben bist. Fritze Leh-
mann aus die Ackerstraße, der Dir ja auch
gut kennt, behauptet den ersteren Fall, ich den
letztere». Wir haben um eine Dauerwurst ge-
wettet, und ich darf Dir wohl bitten, dieselbe
gleich beizupacken, weil die Wette doch um
Dir geht.

Die Mütze.

Die herabgefallene Mütze eines Zeppelin-Matrosen wurde als
Siegesiraphäe in allen Londoner Blättern abgebildet.

Nu» kann man wieder gesunden
In London vom Zeppelingram:

Es ward eine Mütze gefunden,

Die aus den Lüsten kam!

Des Luftkampfs erste Trophäe
Erhöht den gesunkenen Mut —

Nus, hängt sie am Square auf die Stange
Wie einst den Geßlerhut!

Die Mütze ist erst der Nnfang;

Bald sinket das Luftschiff sich.

Dann ist es auch zu Ende
Mit Deutschland sicherlich.

-So kam die Mütze zu Ehren

Des Sachen tjinnerk aus Mel,

Die ihm beim zu heftigen Niesen
Jüngst aus der Gondel fiel....
 
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