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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 32.1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.8259#0295
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-—. 8851

Noch ein Präjüdentfdiaftsfeatididat ln den
verewigten Staaten.

Herr Bryan: Lassen Sie sich non Wilson nicht übertölpeln! Wenn der Mann die
Neutralität ausrecht erhalten und keine Munition an die Entente geliefert hätte,
wäre der Weltkrieg längst beendet.

vobelMne.

Ach, Mutter Natur, wie gütig war
Gesinnt sie uns in diesem blutigen Jahr
Und wollt' gegen Englands Hungerkrieg
Dem deutschen Volke verbürgen den Sieg.

Sie hat aus des Überflusses Born
Gespendet Deutschland Kartoffeln und Korn,
Der Weinstock trug eine schivere Last,

Dem Obstbaum brachen die Zweige fast.

Und doch ward dem Volk auch dieses Mal
Bereitet nur des Tantalus Qual,

Wohl schaut es ringsum den Überfluß,

Doch muß es versagen sich den Genuß.

O du grundgütige Mutter Natur,

Was ließest du doch nicht wachsen nur
Dazu auch den „Knüppel aus dem Sack",

Zu scheuchen von dannen das Wuchererpack!

Die ganz Gerissenen sagen sich: ein gutes Gedächtnis ist ein wich-
tiger Helfer im Leben. Mau soll es trainieren. Nicht nur im positiven,
sondern auch im negativen Sinne: es muß uns zur rechten Zeit —
im Stich lassen. »

So mancher, der zu Hause
Im Größenwahn stolziert.

Der war', im Schützengraben
Alsbald davon kuriert.

Hat der Spießer das Recht, auf der Brust immer eine Medaille zu
tragen, so verzichtet er gern auf die Macht, immer fünf Mark in der
Tasche zu haben! .

Wer gut „schmiert" ... halte nicht jedem die Ölkanne unter die Nase!

Ihr getreuer Säge, Schreiner und Landstürmer.

Churchill.

Churchill legte seinen Ministcrposten nieder, um zur
Front zu gehen und ins Leer einzutrcten.

Du konntest lieblos von uns scheiden.

Du, unser Gönner, unser Freund?

Die holden Bande sollen reißen.

Die uns ein Jahr lang froh vereint?

Das waren Tage reinster Wonne,

And herzlich lachen wir noch heut.

Wenn wir des lustigen Streichs gedenken.
Mit dem Antwerpen du „befreit"!

In Plänen warst du unerschöpflich.

And nie vergessen wir es, nie.

Was uns dein Genius bescherte
Am Strande von Gallipoli!

Noch stärker fast warst du im Reden,

And manches goldgeprägte Wort
Als ewige Quelle der Erheitrung
Im deutschen Lerzen lebt es fort!

Nun gürtest du um deine Lende
Des Kriegers Schwert zu Wehr und Trutz
And knüpfst um das beredte Mundloch
Die Binde dir als Stinkgasschutz.

Ich aber Hab' nur eine Bitte:

Bewahre, Freund, dir dein System
And bleib uns auch im Schützengraben
So lieb und nützlich wie vordem! Sulla.

Lieber Jacob!

Wat mein Freind Edeward is, der beivacht
noch immer die ruffeschen Jefaugenen in Dö-
beritz. Der Dienst bekommt ihn insoweit janz
jut, bloß von det ewije Wacheschiebcn is ihn

morjens immer so flaumenweich in de Magen-
jejend, un da hat er sich anjewehnt, det er
zu't erste Friehstick eenen kleenen Jilka uff de
Lampe jießt. Wie er nu vor vier Wochen uff
Urlaub hier war, fiel diese kriejerische Lebens-
weise seine Alte unanjenehm uff die Nerven,
aber se verjrub ihren Jram, bis Ede iveg ivar.
Dann kam se bei mir und klagte, det ihr Mann
sich den jewerbsmäßijen Suff ieberjeben habe.
Det war nu jerade in die Dage, wo der Je-
sundbeterprozeb in Moabit war, 'un unjebil-
det wie det Weib is, erklärte se, se wirde Ede-
ward vermittelst de christliche Wissenschaft von
sein Laster heilen lassen. Ick versuchte se die
Dummheit auszureden, aber se blieb hartlei-
big, un ick Heerte ooch bald, det sie sich wirk-
lich mit sonne alte Schrulle in Verbindung
jesetzt hatte, die ihr versprach, jeje» voraus-
bezahltes Honorar Edeivard'n seinen Suff janz
bestimmt wegzubeteu. Da er selber aber nich
dem richtijen Jlooben hatte, so durfte er nischt
von wissen, un die Kur fand aus dem Weje
der „Fernbehandlung" statt. Also die besagte
Schrulle betete jeden Sonntagabend in Ede'n
seine jute Stube for eene Mark fuffzig, und
Edeward soff deriveilen in Döberitz nichts-
ahnend seinen Jilka!

Det jing mir denn doch jejen de Natur un
ick schrieb eene Feldpostkarte un stach ihm den
Sachverhalt. Er jab mir keene Antwort nich,
aber letzten Freitag rückte er ivieder uff Ur-
laub an un veriveilte drei Dage an seinen
häuslichen Herd. Kurz vor seine Abreise be-
suchte er mir und sagte mit een teiflisches
Jrienen: „Ick habe ihr kuriert, se jloobt nich
mehr dran." „Wie haste denn det jemacht?"

fragte ick. „Janz eenfach," entjejente er, „wie ick
dem ersten Morjen bei't Friehstick saß, merkte
ick jleich, det se mir jespannt beobachtete, ob
er mir ividerstehen wird. Ick ließ mir aber
nischt merken, sondern langte meine Pulle
raus un schivenkte »ach einander vier jroße
Jläser in die Jacke. Dabei sagte ick zu meine
Olle: Ick weeß nich, seit einige Zeit ieber-
kommt et mir jeden Morjen janz merkwirdig,
un wenn ick nich mindestens meinevierSchnäpse
uff'n Diensteid jenommen habe, dann stehle
ick mir dem janzen Tag ieber tief unjliecklich.
Ick kann mir dem Zustand nich erklären, et
muß een iebernatierlicher Zwang sind! —De
Olle wurde leichenblaß un sagte keen Wort.
Sonntag frieh mimte ick dieselbe Komeedje
mit denselben Erfolg noch eenmal. Un wie et
Sonntagabend klingelte, da lief meine Olle
mit leidenschaftliche Jebärden nach de Türe,
un dann Heerte ick in 'nHausflur eenen Mords-
spektakel un et schien eener janz schnell de
Treppe runterzustolpern. Ick sage Dir, die Frau
is kuriert!" „Ja aber, Edeivard," wandte ick
mit Besorjnis ein, „Du säufst Dir inzwischen det
Trelirium an'n Hals!" „Quatsch mit Sooße!"
rief er ärjerlich, „ick hatte ja dem ollen Fusel
schon längst wieder uffjesteckt jehabt, und die
vier Morjenjebete sind mir wahrhaftig nich
leicht jeworden! Aber ivat tut man nich allens,
um det unwissende Volk von seinen Aberjlauben
zu befreien?" „Edeivard," sagte ick un drickte
ihm jeriehrt die Kriejerfaust, „derWeltkrieg hat
Dir zu einen edlen Menschen jemacht!"

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

an 'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.

Redaktionsschluß 29. November 1915.
 
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