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einer, der die Zeit begriffen bat.
„Ich male nur noch alte Bilder, die gut bezahlt und auf den Kunstaultiouen
als echte verkauft werden. Die Dummen werden eben nicht alle."
M ftobelfpäne.
Wenn Lichtmeß naht, regt sich die Erde,
Es keimt in ihr mit neuer Kraft,
Und in die Bäume schießt der Saft,
Damit die Ernte köstlich werde.
Ein Landmann, sonst mit frohen Sinnen
Sah er das Weben der Natur,
Denkt heute an die Buben nur,
Die ihm das Schicksal nahm von hinnen.
Wird ihm das Vaterland gedenken
Die Opfer, die er dargebracht?
Nicht streben soll's nach Ruhm und Macht,
Doch bald uns Frieden, Freiheit schenken!
8uum cuique ist ein sehr schöner Spruch, der die Richtung angeben
sollte, wenn zwei Streitende sich verständigen wollen. Im Osten scheint
das Umgekehrte der Fall zu sein, da zwei Verständige immer aufs
neue in Streit geraten. .
Es ivaren zwei Honoratioren,
Die kriegten sich bei den Ohren;
Der eine machte in Seife und Öl,
Dem andern schlug's an der Börse fehl.
Aus Wut denunzierte der zweite
Den ersten, der ging dann pleite.
Und damit waren die Freunde quitt, —
Jetzt sitzen beide in Moabit.
Zur Lösung der Aufgabe, wie man die Klassenjejensätze mildert, habe
ick mir jemeldet und hoffe, den ersten Preis von fimstausend Mark sicher
zu jewinnen. Ick habe nämlich vorjeschlagen, die Klassenjejensätze nicht
nur zu mildern, sondern janz abzuschaffen. Merkst« was?
Ihr getreuer Säge, Schreiner und Landstürmer.
Tage darauf befand ich mir im Besitz von die
Gefreitenknöppe.
-Mit welchem wohlverdienten Schmuck ich
Dir leider bloß in Gedanken herzlich küssen
kann als Dein getreuer Bräutigam
Gefreiter August Säge jun..
Garde-Grenadier.
Nachschrift. Eine Zeitungsnummer mit
mein Bildnis brauchst Du mir nicht zu schicken.
Denn Du wirst ihr vergebens suchen, weil
jetzt bloß noch die abgebildet werden, die dem
Pour le mörite bekommen haben. Also gedulde
Dir so lange. Wenn Du mir aber inzwischen
sonst etwas Lesbares schicken willst, so würde
ich mir sehr freuen. Aber bloß keine Kriegs-
und Soldatengeschichten, sondern elivas ganz
Friedliches und Zivilistisches.
Herr Wilson.
In einem Schafspelz kommt er gegangen.
Als kam' aus Arkadiens Hainen er froh.
Man darf zu verwechseln sich nicht unterfangen
Ihn mit dem „Tiger", dem Freund Clomenceau.
Cr trägt auch ei» Schwert nicht an seiner Seite,
Gerüstet zum männcrmordcndcn Krieg,
Mit einer Flöte nur gibt er'S Geleite
Dem Menschheitsgcdanke», den er führt zum Sieg.
Die ganze Menschheit will er beglücken
Mit einem heiligen Friedensband:
„Nie wollen wir wieder die Schwerter zücken.
And nie mehr soll lodern des Krieges Brand.
„Die Waffen wollen wir nicderlegen
In Brüderlichkeit auf der ganze» Welt
And wollen sichern in heil'gen Verträgen,
Datz jeder den Frieden auch ehrlich hält.
„Nur eine Kleinigkeit ist »och vonnöten.
And unsere Klugheit erreicht sie wohl bald.
Die deutsche Macht mutz niedergetreten,
Mutz werde» gezähmt mit des Hungers Gewalt-"
O käme doch mal ein politischer Ketzer
Herbei entschloffen und klebte nicht faul
Solch einem frömmelnden Heuchler und Schlvätzer
Ein Pechpflaster auf das große Maul. , Ä. Fl.
Lieber Jacob!
Det eene muß man de Brieder von de Vater-
landsparlei lassen: se verstehen det Jeschäft
un se jehen uff't Janze. De Schwerindustrie
un det Ajrarjerlum, die jerade mitten in't
dickste Verdienen drinstechen, wollen sich natier-
lich nich pletzlich dem vollen Futtertrog von
de Reese wegziehen lassen un sagen: „Wie ville
Milljonen könnten wir insacken, wenn de jroße
Zeit noch 'n paar Jährken andauert, un wenn
dann een Frieden nach unsere innigsten Her-
zenswinsche jeschlossen wird, denn is damit
ooch jleich de Sicherheit jejeben, det wir in
absehbare Zeit wieder 'ne vermehrte un ver-
besserte Jelejeuheit zu neie Kriegsjeivinne je-
nießen werden. Bloß keenen raschen un keenen
dauernden Frieden nich! Wenn aber de Re-
jierung partuh nich nach unsere Pfeife tanzen
will, denn wird nich lange Menkenke jemacht,
sondern eenfach der „Jeneralsstreik" erklärt.
De milletäreschen Befehlshaber haben ihre
Ämter niederzulejen un zu erklären, det se
bloß dann weiter mitmachen, wenn 'ne Kriegs-
dauer von noch mindestens zehn Jahre jaran-
tiert wird. Fertig is de Laube!
Det klingt allens sehr ieberzeijungsvoll, aber
de Schose hat leider dem Haken, det de Jejner
von de Vaterlandspartei villeicht diefelbigte
Taktik beobachten un dem Jeneralsstreik zu
eenen Jeneralstreik — ohne s — ausdehne»
könnten. Denn watdemilletäreschen Exzellenzen
recht is, det is de Munizjonsarbeeter billig,
un wenn de eenen erklären derfen: wir machen
bloß mit, wenn'» Frieden nach unsere Winsche
jeschlossen wird, — denn mißten ooch de an-
dern am Ende detselbe sagen derfen. Wat de
maßjebenden Stellen denn doch immerhin zum
Nachdenken veranlassen sollte.
Aber ooch sonst zeigt sich de Vaterlands-
partei stets zur Stelle, un weil ihre Mitjlieder
sor dem Kriegsdienst mehrstenleels unabkömm-
lich sind, suchen se sich in ihre unbezähmbare
Kampfeslust 'n anderes Feld der Ehre. Dieses
fanden se neilich in't Lehrervereinshaus am
Alexanderplatz, wo se eene janze Schar kriegs-
beschädigte Feldzugsinvaliden uff de todes-
mutigste Weise attackiert un uffjerieben haben.
Et soll sor jedem ieberzeigten Vaterlandspar-
teiler een erhabener Anblick jewesen sind, wie
de Stelzbeene, Holzarme un Jlasoogen unter
de wuchtigen Hiebe der Armeelieferanten zu
Boden jeschlagen wurden. Un da een Sieg
ohne Kriegsenlschädijung nich stattfinden derf
un invalide Feldzugskrippel keene nennens-
werten Barmittel nich zu besitzen flejen, so
blieb de Unterlejenen nischt anderes iebrig,
als wie ihre armselijen Kriegsauszeichnungen
zu sammeln un se mit huldijungsvollen Jruß
Tirpitz'n zu Füßen zu lejen. Dieser aber muß
als Vater der Vaterlandspartei det Jeschäft
natierlich am besten verstehen, un daher zweifle
ick nich daran, det er die erbeuteten Bänder
un Kreize an seine unabkömmlichen Heimkriejer
verteilen wird, die diesem Schmuck durch ihre
Heldentaten am Alexanderplatz reichlich ver-
dient haben!
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jelreier Jotthilf Rauke,
an’« Jörlitzer Bahnhof jleich links.
viedatttonslchluß 2l. Januar lgt8.
einer, der die Zeit begriffen bat.
„Ich male nur noch alte Bilder, die gut bezahlt und auf den Kunstaultiouen
als echte verkauft werden. Die Dummen werden eben nicht alle."
M ftobelfpäne.
Wenn Lichtmeß naht, regt sich die Erde,
Es keimt in ihr mit neuer Kraft,
Und in die Bäume schießt der Saft,
Damit die Ernte köstlich werde.
Ein Landmann, sonst mit frohen Sinnen
Sah er das Weben der Natur,
Denkt heute an die Buben nur,
Die ihm das Schicksal nahm von hinnen.
Wird ihm das Vaterland gedenken
Die Opfer, die er dargebracht?
Nicht streben soll's nach Ruhm und Macht,
Doch bald uns Frieden, Freiheit schenken!
8uum cuique ist ein sehr schöner Spruch, der die Richtung angeben
sollte, wenn zwei Streitende sich verständigen wollen. Im Osten scheint
das Umgekehrte der Fall zu sein, da zwei Verständige immer aufs
neue in Streit geraten. .
Es ivaren zwei Honoratioren,
Die kriegten sich bei den Ohren;
Der eine machte in Seife und Öl,
Dem andern schlug's an der Börse fehl.
Aus Wut denunzierte der zweite
Den ersten, der ging dann pleite.
Und damit waren die Freunde quitt, —
Jetzt sitzen beide in Moabit.
Zur Lösung der Aufgabe, wie man die Klassenjejensätze mildert, habe
ick mir jemeldet und hoffe, den ersten Preis von fimstausend Mark sicher
zu jewinnen. Ick habe nämlich vorjeschlagen, die Klassenjejensätze nicht
nur zu mildern, sondern janz abzuschaffen. Merkst« was?
Ihr getreuer Säge, Schreiner und Landstürmer.
Tage darauf befand ich mir im Besitz von die
Gefreitenknöppe.
-Mit welchem wohlverdienten Schmuck ich
Dir leider bloß in Gedanken herzlich küssen
kann als Dein getreuer Bräutigam
Gefreiter August Säge jun..
Garde-Grenadier.
Nachschrift. Eine Zeitungsnummer mit
mein Bildnis brauchst Du mir nicht zu schicken.
Denn Du wirst ihr vergebens suchen, weil
jetzt bloß noch die abgebildet werden, die dem
Pour le mörite bekommen haben. Also gedulde
Dir so lange. Wenn Du mir aber inzwischen
sonst etwas Lesbares schicken willst, so würde
ich mir sehr freuen. Aber bloß keine Kriegs-
und Soldatengeschichten, sondern elivas ganz
Friedliches und Zivilistisches.
Herr Wilson.
In einem Schafspelz kommt er gegangen.
Als kam' aus Arkadiens Hainen er froh.
Man darf zu verwechseln sich nicht unterfangen
Ihn mit dem „Tiger", dem Freund Clomenceau.
Cr trägt auch ei» Schwert nicht an seiner Seite,
Gerüstet zum männcrmordcndcn Krieg,
Mit einer Flöte nur gibt er'S Geleite
Dem Menschheitsgcdanke», den er führt zum Sieg.
Die ganze Menschheit will er beglücken
Mit einem heiligen Friedensband:
„Nie wollen wir wieder die Schwerter zücken.
And nie mehr soll lodern des Krieges Brand.
„Die Waffen wollen wir nicderlegen
In Brüderlichkeit auf der ganze» Welt
And wollen sichern in heil'gen Verträgen,
Datz jeder den Frieden auch ehrlich hält.
„Nur eine Kleinigkeit ist »och vonnöten.
And unsere Klugheit erreicht sie wohl bald.
Die deutsche Macht mutz niedergetreten,
Mutz werde» gezähmt mit des Hungers Gewalt-"
O käme doch mal ein politischer Ketzer
Herbei entschloffen und klebte nicht faul
Solch einem frömmelnden Heuchler und Schlvätzer
Ein Pechpflaster auf das große Maul. , Ä. Fl.
Lieber Jacob!
Det eene muß man de Brieder von de Vater-
landsparlei lassen: se verstehen det Jeschäft
un se jehen uff't Janze. De Schwerindustrie
un det Ajrarjerlum, die jerade mitten in't
dickste Verdienen drinstechen, wollen sich natier-
lich nich pletzlich dem vollen Futtertrog von
de Reese wegziehen lassen un sagen: „Wie ville
Milljonen könnten wir insacken, wenn de jroße
Zeit noch 'n paar Jährken andauert, un wenn
dann een Frieden nach unsere innigsten Her-
zenswinsche jeschlossen wird, denn is damit
ooch jleich de Sicherheit jejeben, det wir in
absehbare Zeit wieder 'ne vermehrte un ver-
besserte Jelejeuheit zu neie Kriegsjeivinne je-
nießen werden. Bloß keenen raschen un keenen
dauernden Frieden nich! Wenn aber de Re-
jierung partuh nich nach unsere Pfeife tanzen
will, denn wird nich lange Menkenke jemacht,
sondern eenfach der „Jeneralsstreik" erklärt.
De milletäreschen Befehlshaber haben ihre
Ämter niederzulejen un zu erklären, det se
bloß dann weiter mitmachen, wenn 'ne Kriegs-
dauer von noch mindestens zehn Jahre jaran-
tiert wird. Fertig is de Laube!
Det klingt allens sehr ieberzeijungsvoll, aber
de Schose hat leider dem Haken, det de Jejner
von de Vaterlandspartei villeicht diefelbigte
Taktik beobachten un dem Jeneralsstreik zu
eenen Jeneralstreik — ohne s — ausdehne»
könnten. Denn watdemilletäreschen Exzellenzen
recht is, det is de Munizjonsarbeeter billig,
un wenn de eenen erklären derfen: wir machen
bloß mit, wenn'» Frieden nach unsere Winsche
jeschlossen wird, — denn mißten ooch de an-
dern am Ende detselbe sagen derfen. Wat de
maßjebenden Stellen denn doch immerhin zum
Nachdenken veranlassen sollte.
Aber ooch sonst zeigt sich de Vaterlands-
partei stets zur Stelle, un weil ihre Mitjlieder
sor dem Kriegsdienst mehrstenleels unabkömm-
lich sind, suchen se sich in ihre unbezähmbare
Kampfeslust 'n anderes Feld der Ehre. Dieses
fanden se neilich in't Lehrervereinshaus am
Alexanderplatz, wo se eene janze Schar kriegs-
beschädigte Feldzugsinvaliden uff de todes-
mutigste Weise attackiert un uffjerieben haben.
Et soll sor jedem ieberzeigten Vaterlandspar-
teiler een erhabener Anblick jewesen sind, wie
de Stelzbeene, Holzarme un Jlasoogen unter
de wuchtigen Hiebe der Armeelieferanten zu
Boden jeschlagen wurden. Un da een Sieg
ohne Kriegsenlschädijung nich stattfinden derf
un invalide Feldzugskrippel keene nennens-
werten Barmittel nich zu besitzen flejen, so
blieb de Unterlejenen nischt anderes iebrig,
als wie ihre armselijen Kriegsauszeichnungen
zu sammeln un se mit huldijungsvollen Jruß
Tirpitz'n zu Füßen zu lejen. Dieser aber muß
als Vater der Vaterlandspartei det Jeschäft
natierlich am besten verstehen, un daher zweifle
ick nich daran, det er die erbeuteten Bänder
un Kreize an seine unabkömmlichen Heimkriejer
verteilen wird, die diesem Schmuck durch ihre
Heldentaten am Alexanderplatz reichlich ver-
dient haben!
Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jelreier Jotthilf Rauke,
an’« Jörlitzer Bahnhof jleich links.
viedatttonslchluß 2l. Januar lgt8.