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9452 *-

Die alte Kanone.

Die Frühlingswinde wehen
Dort um die alte Bastei;

Um halbzerbröckelke Mauern
Schrillt Heller Schwalbenschrei.

Es blühen die ersten Blumen
Um drohender Zinnen Rand'
Ein sonnentrunkener Himmel
Lacht über dem weiten Land.

Über die grünenden Wälle
Ragt einer Kanone Schlund'
Ein Amselpärche«. nistet
In ihrem ehernen Mund. .. .

Sie schmücken das Nest gar emsig
Und zwitschern mit hellem Mut.

Bald zwitschert zwischen den Hälmchen
Die junge, hungrige Brut.

Ich sah das trauliche Bildchen
Mit hoffnungsfrohem Blick:

Das sei bald aller Kanonen
Frühlings- und Friedensgeschick. ... P.

Elsaß-Lothringen und Deutschland.

..Mit dem Schieße» sollte man endlich anshöre»;
wir drei bleibe» ja doch beieinander!"

Feldpostbriefe.

XCIII.

Geliebte Riete! Die letzten Berliner Zei-
tungen, die ivir hier bekommen habe», be-
richten i» klagende Töne von die Verkehrs-
verhältnisse mit zu spät ankommende Eisen-
bahnen, zu volle Hochbahnen, zu ivenige
Straßenbahnen und verschwundene Omni-
busse. Die ganze Front beklagt auch schon
die unglücklichen Berliner, die an die Halte-
stellen so lange warten und sich nachher in
die Wagen so dichte drängeln müssen.

Aber vielleicht ist es für Euch ein Trost,
wenn Ihr hört, daß auch wir hier draußen,
zumal beim Stellungskrieg, mit die Verkehrs-
verhältnisse zu kämpfen haben. Vorigen Don-
nerstag zum Beispiel feierte Fritze Lehinann
aus die Ackerstraße seinen Geburtsag. Zu das
Fest halte er aus die liebe Heimat vier ziem-
lich umfangreiche Pakete mit Genußmittel er-
halten und mir feierlichst eingeladen. Ich fühlte
mir daher höchst unangenehm berührt, wie ich
am Abend vorher den Befehl bekam, einen
kleinen italienischen Gefangenentransport meh-
rere Meilen hinter die Front zu bringen. In
beschleunigte» Eilmarschtempo tippelle ich mit
meine Makkaroni-Anbeter früh morgens los
und war auch schon gegen Abend an Ort und
Stelle. Die anderen Kameraden von mein
Kommando blieben die Nacht ins dortige
-Quartier, ich aber machte mir, von die Aus-

sicht auf Fritzens morgige Geburtstagsfeier
beseligt, noch am selben Abend an den Rück-
marsch, verbiesterte mir auch glücklich, mußte
in ein Wäldchen den Sonnenaufgang ab-
warten, geriet dann in unverhoffte allseitige
Befunkung aus italienische, französische und
englische Kaliber und sah mir genötigt, meinen
Spaziergang auf dem Bauche rutschend fort-
zusetzen. Diese Art der Verkehrsverhältnisse
ist noch schlimmer wie keinen Omnibus zu
finden und hat manchmal sehr überraschende
Folgen. Nach eine fünfstündige Promenade,
wo ich kauni zwei Kilometer geschafft hatte,
waren mir beide Knie dick angeschwollen, und
aus meine wasserdichten Stiefeln quoll das
rote Blut heraus.

Sobald wie ich in Sicherheit war, konnte
ich mir nicht mehr von die Stelle rühren. Zu
meinen Glück begegnete mir gegen Mittag
eine Trainkolonne, die zu unser Regiment
wollte und mir initnahm. Sie hatte außer
mir noch einen unverhofften Passagier, aber
der war an den Wagen angebunden: nämlich
einen aufgelesenen italienische» Kavallerie-
gaul, komplett gesattelt und gezäumt. Erst
bedauerte ich ihm, weil er laufen muhte, aber
wie ich eine Weile mit meine geschwollene
Knie auf dem stuckrigen Wege hinter mir hatte,
da betrachtete ich ihm bereits mit unverhohlene
Neidgefühle. Fritze Lehmann seine heutige Ge-
burtstagsfeier hatte ich mir, ohne schmeicheln
zu wollen, wirklich schöner vorgestellt! Und
dabei wurde meine Hoffnung, doch noch vor
Abend einzutreffen und bei die Enthüllung der
Pakete gegenivärtig zu sein-, immer schwüch-
licher, denn die Trainfuhre kam meistens bloß
iin Schritt vorwärts.

Schließlich erkühnte ich mir die Bitte, ob
ich mir nicht auf dem Italiener setzen und
vorausreiten dürfte. Die Kolonne hatte nichts
dagegen und so wurde ich denn hochgehißt
und fegte los. Das erste Ende ging in glanz-
vollem Galopp vor sich und der Train war
bald aus meinen Gesichtskreis entschwunden.
Aber bei eine plötzliche Biegung des Wegs
stolperte mein Gaul und lahmte von da an
derartig, daß ich nicht länger im Sattel blei-
be» durfle. Ich stieg daher ab und führte
dem Patienten, dessen linkes Vorderbein von
Minute zu Minute dicker wurde, am Zügel.
Die Trainkolonne war weg und meine Kom-
pagnie noch mindestens zwei Meilen entfernt.
Dieses Verkehrsverhältnis ivar das ange-

nehmste von alle, die mir bisher zugestoße»
ivaren. Dabei fing es an dunkel zu werden
und mein hinkendes Vieh scheute jetzt bei jede
Gelegenheit, so daß ich es kaum Hallen konnte.
Wie wir schließlich eins von die graulichen
Heiligenbilder begegneten, die an die italie-
nischen Wegkreuzungen aufgebant sind, machte
es einen Riesensatz, riß sich los und ging da-
hin, nachdem es einmals links und einmal
rechts ausgesteuert und mir von oben bis unten
mit Dreck beschleudert hatte. Ich versuchte ihm
nachzueilen so gut es mit meine schadhaften
Spazierhölzer möglich war, gab aber schließ-
lich das Wettrennen auf und biwakierte die
Nacht wieder auf die blanke Erde bei ziem-
liche Kälte. Ein D-Zug, auch mit »och so große
Verspätung, wäre mir in diese Situation ein
Festessen gewesen.

Am nächsten Morgen traf ich dann meinen
holden Flüchtling, als wie wenn nichts ge-
wesen wäre, in den Borgarten von ein Land-
haus an, wo er ungeniert graste und sich
dazwischen an seine dicke Vorderwade leckte.
Ich bemächtigte mir seiner und führte ihm
nun glücklich bis zu meine Kompagnie retour.

Geliebte Riete, es wird mir immer klarer:
das einzige bequeme und sichere Verkehrsver-
hältnis ist bei die Flieger. Tröste Dir also
mit die Hoffnung, daß auch Ihr in Berlin
Euch bald in Zeppelins und Rumpler-Tauben
bewegen werdet, und lasse Dir inzwischen bei
das Warten auf die Elektrische die Zeit nicht
zu lange werden!

Mit diesen Wunsch küsse ich Dir in Gedanken
herzlichst als Dein getreuer Bräutigam und
Gefreiter August Säge jun..

Garde-Grenadier.

Nachschrift. Fritze Lehmann hatte natür-
lich seinen Geburtstag allein gefeiert und he-
findet sich bereits wegen erkrankten Magen
ins Revier. Aber an einige zurückgelassene
Pellen roch ich, daß ich nichts versäumt ge-
habt hatte: Ziegenwurst und Stockfisch ist für
mir keine Leidenschaft. Dagegen könntest Du
mir mit etwas Rauchbares wie immer eine
angenehme Überraschung Hervorrufen.

Der Vaterlandsparteiler.

Ja, er ist unabkömmlich
Und braucht drum nicht hinaus,

Und als ein guter Schieber

Siegt glänzend er zu lfaus. a. I.
 
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