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9573

Der Defaitist.

„Denn was Hülse es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne
und nehme doch Schaden an seiner Seele?"

„Lieber Sohn, wenn du mit diesen Ansichten jetzt auf Erden wärst, hätte
die Entente schon längst ocine Verhaftung veranlaßt!"

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„Das Wahlrecht kommt," HerrHertling sprach,
„Versprochen hat's ja der König.

Gebt doch in kleinen Dingen nach.

Und habet Geduld ein wenig.

„In Preußen liegt's nun einmal so,

Man muß sich biegen und ducken,

Doch wird mit einem Quiproquo
Den bittern Happen mau schlucken.

„Historische Bedeutung hat
Das Wahlrecht auf alle Fälle;

Doch wer ist gerne Demokrat
In schwärzlicher Zentrumspelle?"

Der rumänische Kronprinz hat nicht standesgemäß geheiratet und
soll jetzt von der Thronfolge ausgeschlossen werden. Wat ick mir dasor
koofe, soll er gesagt haben, da es noch gar nicht sicher ist, ob überhaupt
in Rumänien noch 'ne Krone zu vererben sein wird.

Ein neues Deutschland mag jetzt werden,

Geeint und frei das ganze Land,

Der Deutsche soll auf dieser Erden
Stolz sein aufs große Vaterland.

Auf gleiches Recht muß es vertrauen
Vom Alpenwall zum Meeresstrand,

Kein Herr, kein Knecht in deutschen Gauen!

Wer hält dann solchem Volke stand?

Ick habe jefunden, bet de alldeutsche Presse durch de neuesten Er-
eignisse wie aufs Maul jeschlagen is, — du nich? Ick hoffe zuversicht-
lich, det ihr ooch uff de Kehrseite de neetige Wichse uffjestrichen wird.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Aus einem junkerlichen Liederbuch.

Melodie: Was ist des Deutschen Vaterland?

Wie muß das gleiche Wahlrechl sein?

Für groß und klein ganz gleich und rein?
Ob seine Logik darin liegt.

Daß jeder eine Stimme kriegt?

O nein, nein, nein.

Das Wahlrecht muß viel gleicher sein!

Wie muß das gleiche Wahlrecht sein?
Bestimmt es fein der Steuerschein?

Ermißt man nach dem Bildungsgrad
Die Stimmenzahl im Preußenstaat?

O nein, nein, nein,

Das Wahlrecht muß noch gleicher sein!

Wie muß das gleiche Wahlrecht sein?

Teilt man es nach Berufen ein?

Zuerst natürlich zauberhaft

Die Ritterschaft und Landwirtschaft-

O nein, nein, nein,'

Das Wahlrecht muß noch gleicher sein!

So müßt' das gleiche Wahlrecht sein:

Wir Junker wählen ganz allein.

Und jedes andre dolle Huhn
Hat jarnischt bei der Wahl zu tun!

O fein, fein, fein,

So müßt' das gleiche Wahlrecht sein! Etil.

Zeitgemäße Frage.

Ob's eine kleine Täuschung
Nicht mit dem „Stahlbad" war?

Man hat daran genug jetzt

Auf viele tausend Jahr! A. T.

Lieber Jacob!

So'n Weltkrieg mag ja for manche Leite
keenen rechten Reiz nich haben, aber et is
doch uff de andere Seite nich zu leijnen, det
er Jelejenheit zu jute Jeschäfte bietet. De
Kriegslieferanten verdienen jede Minute, ick
hätte beinahe jesagt 'ne Stange Jold - aber
det is unpatriotisch un jibt't ieberhaupt »ich;
also ick meene 'n Zehnpfundpaket Reichsbank-
noten un Darlehnskassenscheine; de Ajrarjer
in't hinterste Hinterpommern verwandeln sich
in Schöneberjer Milljonenbauern selijen An-
jedenkens, un de Lebensmittelschieber sacken
so ville in, det se sich jede Woche zweemal
'n jesalzenen Hering leisten derfen, wat oogen-
blicklich zu de unerschwinglichsten Delikatessen
jeheeren tut.

Det einträglichste Jeschäft aber scheint et
doch zu sind, wenn eener in Neukölln Milch
stiehlt. Een Oberschweizer, der im Dienste
dieser beriehmten Stadtverwaltung anjestellt
war un de richtije Dienstuffassung bewies, hat
et in kurze Zeit zu'n Bankjuthaben von sieben-
unvierzig Mille jebracht. Un wie se ihm jetz
bei de Hammelbeene kriegten, wurde» ihn von't
Schöffenjericht janze hundert Mark Strafe uff-
jebrummt, die er eenfach als Jeschäftsspesen
buchen ließ un sechsunvierzigdausend nein-
hundert Meter Reinjewinn in de Tasche be-
hielt. Ick vermute, det dieset strahlende Bei-
spiel nich ohne Foljen bleiben, sondern ville
Jleichjesinnte zur Nacheiferung anfeuern un
zur Hebung des Nazjonnlivohlstandes nich
unbeträchtlich beitragen ivird.

Een janz sicheres Jeschäft war for de Frei-
sinnijen in friehere Zeiten ooch der erste Ber-
liner Reichstagswahlkreis. Pikfeine Jejend,
wo der Mensch mit'n Hofkutscher anfängt un
mit'n Börsenjobber endigt, un ieberhaupt allens
for Bildung un Besitz schwärmt. Jetz scheinen
aber de Freisinnijen ihre Sache doch nich mehr
janz sicher zu sind, un um ihre Schanzen zu er-
höhen, haben se zum Kandedaten eenen Mann
uffjestellt, der zwar keen Pollitiker nich is, sich
aber dajejen als Verfechter der Berliner
Jrundbesitzer eenen penetranten Namen je-
macht hat. Denn de Freisinnijen haben immer
det Jlick, det se ihre Zeit richtig verstehen,
un se wissen, det oogenblicklich neben de
Tschecho-Slowaken keene Menschenklasse sich
eene so alljemeene Beliebtheit erfreuen tut wie
de Berliner Hausajrarjer! Also wenn det nich
zieht, zieht janischt mehr, un ooch dieset Kriegs-

jeschäft is richtig.-Falls et nich am

Ende vielleicht, kann sind, wer weeß, doch noch
anders kommen tut!

Womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein
jetreier Jotthilf Rauke,

nn’ii Jörlitzer Bahnhof jleich links.

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RedattionsschluL 30. September LU18.
 
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