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. 64

Moderne Haussegen

Äochzeit bei Lampels

Von Alfred Venter

Unser Buttermann — solch ein „Wohltäter"
blüht sonst nebst Name und Wohnort gewöhn-
lich im Verborgenen — heißt Hampel. Wenn
man in Obersachsen sagt: „Es geht zu >vie
bei Hampels, dann weiß jeder Bescheid: bei
denen gibt's sieben Türen uild keine Klinke,
und die Stubenleiter steht mit einem Bein in
der Bratensauce.

So schlimm war es aber bei HaMpels selbst
vor 1914 nicht, obgleich es ihnen nicht über-
trieben gut ging; denn selten starb um diese
Zeit ein reicher Buttermann. Bon 1916 ab
steigerte sich Hampels Wohlstand. Der Älteste
wurde zwar eingezogen, blieb aber ein soge-
nannter Urlaubssoldat und kam erst nach dem
fünfundsiebenzigsten Stück Butter ins Feld,
und zwar in ein Kohlrübenfeld nach Posen,
wo unter seiner Aufsicht das neue Volksnah-
rungsmittel sachgemäß kultiviert wurde. Er
begleitete auch einmal ein vollgerüttelt Maß
davon an die Front und kehrte, mit dem Ei-
sernen Kreuz gestärkt, für immer heim.

Hampels kamen längst nicht mehr in die
Stadt; denn um diese Zeit hatte schon die
Wallfahrt nach dem Lande, wo die frommen
Lämmer hüpfen und die gelben Butterquellen
fließen, eingesetzt. Man begegnete damals auf
den stillen Dorfwegen mehr Beamten als im
Finanzamt, und das will was sagen. In jedem
Gutshofe antichambrierte eine Geheimrats-
köchin, die hier allerhand nützliche Tauscharti-
kel ausbot. Nur Hampels Tor blieb geschlossen.
Sie nahmen nur hartes Geld und hatten sich
eine tüchtige langzottige Bella zugelegt, die
wie ein Zerberus die Milchkübel bewachte.

Als die Not am höchsten und die Marga-
rine am teuersten war, entschloß ich mich schwe-
ren Herzens zu einem Vorstoß gen Rupperts-
walde. Mit dem Rucksack letzter Garnitur be-
waffnet, fuhr ich in den grauenden Morgen
hinein. Nach mancherlei Irrfahrten durch das
feindliche Gelände gelangte ich in der Däm-
merung an Hampels uneinnehmbare Festung.
Hier war Deutschlands Wiederaufbau bereits
vollzogen, alles praktisch umgebaut und frisch
gestrichen. Die Niederstube, sonst nur durch
eine Öllampe kümmerlich erhellt, strahlte in
Lichtfülle. Eine Girlande war um die Haus-
tür geschlungen. Sollten sie geahnt haben, daß
ich heute kam.

Bald rauschte eine taftseidene Gestalt über
die buckligen Fliesen — die Hampelbäuerin im
Festkleid. „Nee, daß Se heute gerade kommen?
Mr ham nämlich gerade bissel Hochzeit!" An
solchen Tagen kommt es gewöhnlich auf einen
Gast mehr oder weniger nicht an, aber Ham-

pels sind anders als die andern. „Nu, er is
eemal da," sagte der Hampelbauer mit crfri-
schende»7Offenherzigkeit und gab mir die Hand,
wobei ihm eine Naht im frischgebauten Geh-
rock platzte.

Da rauschten durch die Räume liebliche
Klänge. Shimmy bei Hampels! „Mr ham glei
aus dr Stadt zwee Musikersch komm lassen;
dr Schmied un dr Totengräber spielen zu
schlecht auf der Harmonika!" entschuldigte er
sich. Dazwischen quakte ein Grammophon eine
abgeleierte Carusoplatte, und aus dem Stalle
klang ein mißbilligendes „Muh" dazu.

Durch den Türspalt sah ich auf der Hoch-
zeitstafel auch — meine Gans stehen, die ich
mir hatte erhandeln wollen. Das nahm mir
den letzten Mut, und ich machte Anstalt, mich
zu empfehlen. Aber der Bauer war nachdenk-
lich geworden! „Wissen Sie," sagte er zutrau-
lich, wir haben alles heute, wir ham eine
Mampestube eingerichtet, wir ham Sekt, wir
ham zwei Kälber geschlachtet und zwanzig
Streuselkuchen gebacken, aber 's fehlt noch
ne Hochzeitsred!"

„Die sollt ihr haben!" dachte ich, „eine Rede,
an die ihr noch lange denken sollt!"

Die Einheitsfront

„ Einig müssen wir sein .Darum nieder mit den Sozia-
listen, Pazifisten, Juden und Jndengenossen!"

Ich entschuldigte mich zunächst, daß ich so
hereingeschneit käme wie das Mädchen aus
der Fremde, daß ich kein hochzeitlich Kleid an
hätte und sagte dann auf dem Höhepunkt an-
gelangt:

„Liebe Freunde! Ich freue mich sehr, daß
ich wieder einmal unter fröhlichen Gesichtern
bin; das passiert einein in der Stadt nicht alle
Tage, aber es wird bald besser werden mit
uns. Ich will euch eine freudige Nachricht
überbringen: alle Not wird nun bald zu Ende
sein!"

„Was Not! Not haben wir eigentlich nicht,"
fiel der Neidelbauer mir ins Wort, und dabei
glänzten seine weinseligen Äuglein, „wenn nur
die vielen Steuern nicht wären!" überall bei-
fälliges Nicken.

„Wartet, liebe Freunde," fuhr ich fort, „auch
das geht bald vorüber, alle Weltnot wird bald
verschwunden sein. Gestern ist auf der Kon-
ferenz zu Buxtehude beschlossen worden, alle
Silbergruben der Welt für Deutschland zu
öffnen, Dann werden alle Löhne in Silber aus-
gezahlt, bald wird die ganze Erde von Silber
überschwemmt sein!"

Ei, das schlug ein! Wer rot vom Weine
war, wurde puderweiß, und wer blaß war,
wurde puterrot, der arme Hampelbauer sogar
gelb und grün. Jeder dachte an seine Silber-
säcke, die ihm über die übrigen Papierdeutschcn
eine so schöne Überlegenheit gaben. Und die
nun nicht mehr viel galten. Dumpfe Verzweif-
lung brütete ringsum.

Zu Hampels kann ich natürlich nicht gleich
wieder kommen; vor der — Silberhochzeit
wenigstens nicht.

Verschiedene Osterhoffnungen

Der Schuster Kohlmayer hofft, weil das
Geschäft faul geht, auf Matschwetter.

Bureauschreiber Fleißig aber wünscht
Sonnenschein, daß die Kinder wieder barfuß
laufen können.

Die Schüler erwarte», daß die Schule ab-
brennen möge.

Auch Pastor Schulze hofft diesmal nicht
auf die Auferstehung des Herrn, wohl aber,
daß die Kirchensteuern eingehen.

Die Jungfrau Röschen verspricht sich
allerlei von ihrem „Osterwunsch" in der drei
Tage aufliegenden Festnummer des Tage-
blatts.

Windelband, der anspruchsloseste aller
Lyriker, sehnt sich nach dem Amselruf in sei-
nem Gärtchen.

Der alte Daniel aus dem Hinterhaus hat
denselben Wunsch; denn das Holz geht auf die
Neige.
 
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