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Otur tncf)t verhandeln!

Der chauvinistische Dvöbatt
Bellt drüben weiter sein Böauwan.
C)b rings die Hochöfen erkalten
Nnd alle Stirnen stehn voll Falten —
Die Bajonette weiter dröhn,

2Nan kreischt nach Kapitulation:

ITtur nicht verhandeln!

c5n Deutschland ist es anders nicht
Bel denen, die der Haber sticht:

Dlur ja keine Berständignng
1l.nd gar Protestbeendigung!

Je weiter einer ist vom Schuß,

Um desto kühner der Entschluß:

2ltur nicht verhandeln!

Böas im gequälten Ä^uhrgebiet
Ä.n bittrem 1l.nrecht auch geschieht,
Gb Ibnglück schaffend, unermeffen.
Die Soldateska dort in Effen
Befehlsgemäß ihr ^Mütchen kühlt.
Gb alle Herzen aufgewühlt —

Dtuc nicht verhandeln!

Es wird noch den Berhandlungstisch
Umtoben ähnliches Gezisch:
lieber Europa ganz verschandeln
Äls mit dem Erbfeind zu verhandeln.
So schafft der Hetzer ödes Böerk
A.n Ä.lteuropas Trümmerberg —
D^ur nicht verhandeln!

Die große Frage

Französisch-belgische Annexionsabsichten im
Ruhrrevier bestehen nicht! Das ist nun wahr-
haftig genügend oft festgestellt. Daß es vor
der Besetzung mehr Kohlen gab als später,
wird ebenfalls von keiner Seite bestritten.
Darum warf ein neugieriger amerikanischer
Journalist oie Frage auf: Was bezwecken
die Besatzungsmächte?

Nachdem er seine Umgebung sowie belgi-
sche und französische Offiziere und Inge-
nieure befragt hatte, stellte sich heraus, daß
der Zweck ja aller Welt bekannt sei — so
sagten sie. Aber der Journalist wußte es
immer noch nicht. Denn es war ibm um
den wirklichen Zweck, die wirkliche Ab-
sicht zu tun. So dachte er selbst darüber
nach, verbrachte sechs schlaflose Nächte, trank
einen Lektoliter schwarzen Kaffee und kehrte
sein Gehirn in jeder Stunde dreimal von
der einen auf die andere Seite. Es nützte
nichts.

Er wurde melancholisch. Ein Journalist,
der etwas nicht erfahren lann, hat seinen
Beruf verfehlt. Darum seufzte er, gab sich
«inen Ruck, kletterte in ein Flugzeug und
segelte mit frischen östlichen Winden nach
Brüssel. Theunis, der belgische Minister-
präsident, erklärte ihm, die Ruhrgeschichte
mache ihm so viel Arbeit, daß er noch nicht
dazu gekommen war, über ihren Zweck nach-
zudenken. Außerdem sei das eine Angelegen-
heit Poincarss. Immerhin wolle er sich
gelegentlich danach erkundigen. Das ver-
anlaßte den Amerikaner, ihm zuvorzukommen.
Er flog nach Paris.

Als er bei Poincarck eintrat, war dieser
dabei, mit Länden und Füßen um sich zu
schlagen. „Aha," sagte der Journalist, „Eie
bezwecken —"

„Keineswegs", schrie der Ministerpräsident.
„Ich habe die friedlichsten Absichten . . ."

„Monsieur Poincare, ich beschwöre Sie:
sagen Sie mir, was Sie beabsichtigen!"

„Kommen Sie als Freund?"

„Durchaus."

„Dann", Poincarä hob beschwörend die
Lände und flüsterte wehmütig: „sagen Sie
es mir, lieber Freund."

Bund Blücher.

„Die Mitglieder des Bundes Blücher sind
ja riesig angriffslustig!"

„Ja, aber vorläufig greifen sie nur die
Kassen anderer Leute an!"

Vom Kanzler.

„Ich weiß nicht", bemerkte jemand, „im
vorigen Jahre hat sich der Reichskanzler
Cuno geschickter benommen."

„Aber da war er doch noch gar nicht Reichs-
kanzler", machte man ihn aufmerksam.

„Eben darum", sagte jener. And man gab
ihm recht.

„Der Republik feste einheizen — das ist die
t^hre Einheizfront II"

Gedanken über Schieber

und Schiebergedanken.

Wie geht's? Danke, man schiebt sich so durch.

Warum heiraten Sie nicht? Nich in de
Land, bin freibleibend.

Ich bin ein Schieber, kennt ihr meine
Farben? — Die kennt niemand, aber meine
Pelze kennt jeder. „

Man glaubt zu schieben und man wird
geschoben. Stimmt! Zuerst im Kinderwagen,
dann fängt man selber an, zuerst mit Kugeln,
dann mit Kegeln, dann mit allem was rund
und eckig ist. *

Auch Erbsen lassen sich schieben, am besten
waggonweise. *

Wenn die Not am größten, sind die Schieber
am nächsten. »

Wenn alle schieben, kann Karl allein nicht —
arbeiten. (Frei nach Don Carlos.)

Schieberentwicklung: Der Großvater schob
den Lundekarren, der Vater den Schiebbock
und der Sohn — Güterwagen.

Wo Giftpilze und Schieber wachsen, muß
der Boden faul sein.

Richard III., der alte Königsschieber, würde
heute rufen: Ein Königreich für eineTelephon-
zelle! *

Die Geschichte des Schiebers ist uralt.
Joseph von Aegypten schob Korn und Sisy-
phus — Felsblöcke. „

Völkerschiebung heißt mit dem Fremdwort
Politik.

Der zeitgenössische Komiker nennt den
Schieber „geräuschlosen Kaufmann", im Be-
zirksverein gilt er als tätiger Mitbürger, im
Kirchenvorstand als guter Christ und in seiner
Familie als tüchtiger Geschäftsmann. A.V.
 
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