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Frühlingsphilosophie

Das letzte Weiß schmilzt auf den Bergen,
und den Menschen das letzte Blau in der
Brieftasche. 4

Der Winter, der alte dickköpfige Monarch,
hat sein Thröncken auf den Nordfirst gerettet
und wirft mit Lakenkreuzen — Verzeihung —
Lagelkörnern unter die demonstrierende
Menge, t

Alles kehrt wieder: Schwalben, Steuer-
listen, Drosseln, Stare, und die Filmstars
ziehen nach Amerika.

Die ersten Frühlingswunder erscheinen
in den Lutläden, aber man wundert fick nur
über die Preise. ,

Frühlings Auferstehung überall, vom
Maiglöckchen bis zu Großvaters Kellerrock,
aus dem das Enkelchen eine neue Weste
bekommt. „

Die gefiederten Tenöre singen wieder
in den Zweigen, Gott sei Dank; denn die
zweibeinigen sind kaum noch zu bezahlen.

Auch der Storch ist wiedergekommen,
bei Nachbars Lieschen kam er sogar einen

Monat zu früh. .

Das Blut rauscht rebellisch in den
Adern. Vorsicht, die Dummheiten sind heute
sehr teuer. ,

Die Dichter haben neues Lossen, neues

Sehnen, aber der Fortschritt bleibt im —
Dreck stecken. .

Der Star bezieht fröhlich seine Wohnung
und wirft die Zwangseinquartierung der
Spatzen hinaus. Doch die Menschen bekommen
keine Wohnung und wenn sie auch 7 Jahre
verlobt wären. A. V.

*•

Lieber Jacob I

Das Gespräch hatte sich der Politik zu-
gewandt. „Merkwürdig", sagte Frau Schieber
Schnappte, „daß das sozialdemokratische Zen-
tralorgan, der „Vorwärts", nach dem Feld-
marschall Blücher benannt ist!"

*

Stimmen zur Lage

„Meine Erklärung, daß ich nicht verhan-
dein werde, solange noch ein Franzose im
Ruhrgebiet steht, ist selbstverständlich nicht so
aufzufassen, daß ich nicht verhandeln werde,
solange noch ein Franzose im Ruhrgebiet steht.
Sie ist ganz anders aufzufassen. Wie sie auf-
zufassen ist, muß abgewarlet werden." «uno.

*

„Die Lage ist außerordentlich verwickelt.
Aber es läßt sich viel an ihr verdienen."

t SklnneS.

„Daß die Franzosen keinen Krieg haben
entfesseln können, das sollen sie mir büßen!
Ich bereite die Revanche vor. Für die nötigen
Mittel hat meine Steuerpolitik gesorgt!

Lelfferich.

„Ich sage nur dies: Was Deutschland ge-
worden ist, ist eS durch sein Schwert geworden.
Alle denkenden Männer werden mir darin
recht geben." Ltndenburg.

—- 72 -

Pariser Stimmungsbild

Mutter, der Mann mit dem Koks ist da!

Logik

Der alte Iokl ist ein unverbesserlicher
Schnapsbruder. Kürzlich trifft ihn der Pa-
stor auf der Dorfstraße und sagt mit er-
hobenem Zeigefinger: „Iokl, Iokl, wann
werden wir uns bessern?"

„Ach, Lerr Pastor," erwidert Iokl mit
schmerzlichem Gesicht, „dazu ist es für mich
altes Unkraut nun wohl zu spät."

„Mein lieber Iokl, es ist nie zu spät,
einen neuen Lebenswandel zu beginnen!"

„Nie?" Zokls Gesicht verklärt sich. „Dann
kann ich ja gut noch etwas warten, Äcrr
Pastor."

Die Westfälin

„Wenn ich an Poincarä denke, klopf' ich noch
mal so fest."

Waschechte Germanen

Die ganz unverfälschten alten Deutschen,
die heute noch leben, haben sich in einem
Orden zusammengetan,der„Walvvater" heißt.

Wer das Glück der Aufnahme genießen
will, hat sich zunächst bildlich vorzustellen
und schriftlich Rechenschaft über sein bis-
heriges Leben abzulegen. Er hat eine Laar-
locke einzureichen <wenn er noch eine hat),
und er muß mit dem Fuß in die Tinte
treten oder in Ofenruß und ihn auf Papier
abdrucken, damit man sieht, ob er auf ger-
manischen Pedalen oder auf Plattfüßen durch
dies verjudete Dasein wandelt. Er hat eid-
lich zu erhärten, ob eine milchweiße, bleiche
oder rosa Laut seine edlen inneren Organe
überzieht oder ob er in gelb, braun oder
schwarz gebunden ist.

Vor allem aber hat er darüber Auskunft
zu geben, ob sein Fell an den Armen und
Beinen, an Brust, Rücken usw. genügend
behaart ist. Lierauf nämlich kommt so ziem-
lich alles an. Es handelt sich zunächst darum,
den alten germanischen Waldmenschen, der
noch schwere Zotteln an Brust und Rücken
trug, von neuem in Reinkultur zu züchten.
Darum muß wahrscheinlich auch eine Photo-
graphie der Braut mitgesandt werden, um
feststellen zu können, ob man es mit einer ge-
nügend haarigen Jungfrau zu tun hat. Sonst
entarten die Kinder ja doch wieder.

Der „Waldvater" hofft mit seinen ener-
gischen Maßnahmen nicht nur die germa-
Nische Rasse zu retten, sondern soweit in der
Rückentwicklung vorwärts zu kommen, daß
wir wieder auf Bäumen leben. Dann hat
jeder eine Wohnung, und wer Eicheln frißt,
ist des Daseinskampfes überhoben.

Aus sämtlichen zoologischen Gärten liegen
bereits begeisterte Zustimmungserklärungen
vor. Die Schimpansen und Gorillas treten
geschlossen in den „Waldvarer" ein. p.

*

Neuestes Wolff-Telegramm

W. T. B. Deutschland schlägt los

— nämlich die Patente der Badischen Anilin-
werke an Frankreich!

*

Platz der Republik

So wollten unsere Genossen den Königsplatz
in Berlin benennen Die bürgerlichen Stadt-
verordneten lehnten es ab.

Sie dekretierten kategorisch:

Was einmal ist, das soll man achten.
Auch Straßenschilder sind historisch
Lind drum mit Ehrfurcht zu betrachten.
Man trat ja ohnehin nicht wenig
Den Kronenträgern auf die Zehen,

So laßt doch den gefallnen König
Still an den Straßenecken stehen.

Wir sind ja auch—zum Teil — begeistert
Für Republik und Schwarzrotgold,
Doch wenn Erinnrung uns bemeistert,
Durchströmt uns alte Liebe hold.
Andächtig stehn wir vor dem Schilde
Und ahnen: Irdische Gebilde,

Ach Gott, sind doch nur illusorisch.
Bedenkt auch, daß im Preise stieg
Blech, Farbe, Nägel. Bei der teuer«
Zeit darf man Schilder nicht erneuern.
Und übrigens: die Republik
Ist ja vielleicht auch provisorisch. -p«n.
 
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