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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 49.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.8266#0245
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Hans Hyan: Der Geburtstag der Tante

Zeichnungen von Henriette Grimm

Zum Geburtstag der Tante Cäcilic
Versammelte sich, wie gewöhnlich, die ganze Familie.
Onkel Julius kam als erster mit einer Rose
Im Knopfloch und glänzender Hose,

Er war Bauunternehmer, bloß ohne Bau,

Und suchte seit vierzig Jahren 'ne Frau.

Wehmütig sah er die Tante an.

Küßte die Hand ihr und sagte dann:

„Cäcilie, ist es denn ganz unmöglich?"

Ich liebe Dich doch! Ich leide unsäglich!"

Daraus die Tante mit hellem Lachen:

„Weißte, das mußte mit mir nicht machen,

Mein lieber Julius, ich kenne das alles!

Wie hoch beläuft momentan sich Dein Dalles?

Doch wie er andeutungsweise dieSumme derSchulden
Nennen wollte, sprach sic: „Weißt Du, Du mußt
Dich gedulde»!

Ich werde ja fünfzig Jahre heut alt.

Kein Mensch lebt ewig! Vielleicht stcrb' ich bald!"
„Aber nein!" wehrte Julius, da tat sich die Pforte
Weit auf, und cs erschien eine Torte,

Doch schnell hat die Tante Onkel Julius entsandt.

Mit ihm kam der selige Gratulant

Und stellte sich vor als „the Rag—time—band!"

Er verlangte Kognak, trank, ließ sich nieder
Und streckte zu wohligem Schlummer die Glieder.
Inzwischen, wie üblich bei solchen Besuchen,
Delektierte man sich an Kaffee und Kuchen,

Und Tante Ludmilla „vollzog" am Klaviere,

Wie ihr Gatte sagte, „die Festouverture".

Sie spielte, wie auch in früheren Jahren
„Kommt herbei, ihr Mlkerscharen!"

Unterdessen mit einigem Phrasengcdrechsel
Kam Onkel Adolph: „Ich Hab morgen 'n Wechsel
Zu zahlen, Cäeilie!" — Sie schien's nicht zu hören.
Dann sagte sie: „Du mußt micht nicht stören!

Das Geld wirst Du schon noch zusammenkratzen!
Und wenn nich, denn läßre den Wechsel platzen!"
Klingling!.. Als lockten Ludmillas Töne,
Strömten herbei I. C. Schultze & Söhne,

Wolle, Baumwolle, Trikokagen und Strümpfe,

Mit Vater und Mutter waren es fünfe.

Drauf stand mit buntem Zucker geschrieben
„Der Tanre Cäcilie, die wir so lieben!"

Und es hüpften herein, schon stark aus dem Schneider,
Die Spenderinnen, bi« zum Knie die Kleider,

Die Bubiköpfe frisch onduliert
Und Wangen und Lippen mit Rouge koloriert.

Die beiden Nichten, Helene und Rosa.

Es vertrieb den Büstenhalter „Formosa"

Die «ine. Die andere indessen mu —

Sizierte im „Nachtlicht" und sang dazu.

Und zwischen den beiden das süße Gcschöpschcn
Mit dem sonnengoldigcn Lockenköpfchcn
Hieß Multiflora . . da« Kind war 'ne Waise,

Helene brachte es mit von der Reise.

Erst war man verwundert. Doch Tante Cäcilic
Entschied: „Multiflora gehört zur Familie!"

Dann kam Onkel Adolph undTante Ludmilla.

Da Höne man vor dem Garren der Villa
Urplötzlich ein Brüllen, ein Schmettern und
Schnaufen,

Wie wenn Jaguare miteinander sich raufen!

Man stürzte ans Fenster: Wer stand vor dem
Gitter — ?

Im spanischen Mantel ein irrender Ritter,

Auf dem Haupte als Helm eine alte Kasserolle,

In flatternden Strähnen darunter die Tolle,

Ein einziges klirrendes Jazz-Instrument —,

Der Detter Theo, der cw'ge Student!

Er war, wie gewöhnlich, auch heut wieder blau
Und machte so einen blödsinnigen Radau,

Daß die Straße sich füllte und «in Sipo sich nahte,
Erschüttert von dieser GeburtslagSkantatc,

Die Schultze'schcn Söhne, Fritz und Ulrich
geheißen.

Gehörten nicht gerade zu dcnNcunmalweisen.
Ihr Lieblingsgericht mar Rindfleisch mit
Mostrichtunkc.

Zu Hause hießen sie: „Frosch und Unke".

Hier widniete sich Frosch Cousine Rosa
Und prüfte diskret den Gürtel Formosa;
Während Unke sich an das Geburtstagskind
wandte

Und es .mein goldiges Tantchen" nannte.
Sic verstand ihn sofort, sie flüsterte leise:
„Lieber Ulrich, hast Du zufälligerweise
Die zehn Mark bei Dir, die Du neulich ent-
lieh»?"

Da sah sie ihn lächelnd von hinnen ziehn
Ins Nebengemach, wohin sich soeben
Cousine Helene batte begeben.

Dort wurde getanzt. Mil Schultzens Lieschen
Vergnügte sich Onkel Julius ein bißchen.
„Wieschad«!"dacht'er.„sonrei;ende<Köpfchcn!
Hätte sie nur nicht das Nasentröpfchcn!"
EinErbteildcrMutter. Esficlmanchmal leise
Als unerwünschtes Gewürz in die Speise...
Im Gcburtstagszimmcr strich Schultze, der
Vater,

Um die Tante herum und schnurrt' wie ein
Kater:

„Du weißt, Cäcilie, mein Geschäft ist knorke.
Aber ich stehe sozusagen zwischen Baum und
Borke, —

Ich will mich vergrößern, ich brauche barGeld! "

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