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https://doi.org/10.11588/diglit.8187#0061
Lugenberg, im Zeichen des
Krebses geboren, hat die ersten
Rückschritte seines Lebens mit'vielen
Löschungen gemacht. Sein Freund
Claß, der ja alles vorher wußte,
will schon damals, als er den
Knaben Alfred zum erstenmal ge-
sehen hatte, die prophetischen Worte
gesprochen haben: unser Volk ist
groß genug, um auch ihn zu er-
tragen! Beim Räuberspiel auf
dem Schulhof kam dem Jungen
die große Idee der Inflation und
der Diktatur mit verteilten Rollen.
Von Mussolini träumte er, noch
bevor er von ihm gehört hatte.
Mit dem Duce verbindet Lugen-
berg von jeher das Gefühl des
gemeinsamen Mißverstehens des
Sozialismus, den der Knabe Alfred
in rührenden Strophen besang.
Seine Mußezeit als Erbschafts-
anwärter füllte er mit dem Ge-
danken darüber aus, daß die Freiheit
der Wirtschaft im Kapitalismus
durch eine Rationierung der geistigen
Güter ausgeglichen werden müsse.
Als Schöpfer der geistigen und mate-
riellen Verelendungstheorie wurde
er von Seiner Majestät eigenhändig Alfred Hugenberg
zum Geheimrat ernannt. Er setzte
diese Theorie später in die Praxis um: in der Inflation
förderte er zielbewußt die materielle Verelendung des deutschen
Volkes unt) bald darauf unternahm er als Käufer des Lokal-
anzeigers und Besitzer der Nachtausgabe und der Ufa den ruhm-
reichen Feldzug für die geistige Verelendung des Mittelstandes.
Zum Abgeordneten der Deutfchnationalen Partei gewählt,
vernachlässigte er über seiner Antätigkeit im Reichstag seine
anderen Aufgaben keineswegs. Er führt noch heute das rast-
lose Dasein eines kleinen Rittergutsbesitzers in Lippe-Detmold,
des Inhabers einer bescheidenen Zehnzimmerwohnung im
Berliner Tiergartenviertel und des schlechtbezahlten Aufsichts-
rats in der notleidenden Industrie. Würde nicht die jüdische
Geschäftswelt aus edlem Mitleid im Lokalanzeiger inserieren,
so müßte dieser deutsche Mann am
schwarzweißroten Lungertuche nagen.
Lugenberg hat die gottgewollte An-
Autounfall ulld Lippenstift
Zeichnung von Hans San je
Zeitungsverkäufer
Zeichnung von E. Pahliysch.
gleichheit der Menschen, die ihn
zunt Arbeitgeber machte, immer als
hohe und ernste Verpflichtung auf-
gefaßt. Seine Antergebeueu rühmen
ihn als Vorbild des gerechten und
sozial denkenden Chefs. Den Re-
dakteuren feiner Blätter gegenüber
vertritt er den Standpunkt, daß ihre
Gehälter durch wirkliche Leistungen
gerechtfertigt werden müssen — und
da Anwahrheiten zu erfinden schwerer
ist, als die Wahrheit zu sagen, ar-
beiten sie in edlem Wettstreit daran,
den Meister zufriedenzustellen. Auch
ist durch ein sinnreiches Kündigungs-
system beim Scherlverlag und bei
der Afa dafür gesorgt, daß jeder dort
einmal an die Reihe kommt.
Dieser hervorragende Mann hat
jetzt, als Vorsitzender seiner verlust-
reichen Partei, sein Lebenswerk
durch die Gründung des Schuy-
verbandes für die geistigen Güter
Deutschlands gekrönt, — ein Ver-
band, der dafür sorgen soll, daß
mit bicfen Gütern sparsam um-
gegangen wird. Lugenbergs großer
Charakter beweist sich dadurch, daß
er für seine Aeberzeugung jedes
Opfer bringt. So hat er, von der
Notwendigkeit des Geldverdienens
überzeugt, von der Afa auch pazifistische Filme aufführen
lassen. Sein Testament enthält die Bestimmung, daß Ludwig
Bernhard seine Biographie schreiben und Friedrich Lussong
im Lokalanzeiger behaupten soll, er wäre gar nicht gestorben.
Wilhelm der Zweite aber, für bcn Lugenberg sich so todes-
mutig gegen Lambach eingesetzt hat, soll ein Engagement bei
der Afa als Darsteller älterer Lebemänner erhalten.
Die Ehrung
In Tirol liegt abseits von der großen Leerstraße der kleine
Ort O .. .; neben einem weiland sehr lebenslustigen Pfarrer
besitzt er einen schiefen Kirchttrrm. Nach den Erzählungen der
Bewohner hat es damit folgende Be-
wandtnis: es sei einmal eine Jungfrau
aus dem Pfarrhaus gekommen und
vor der habe sich der Turm so rief
verneigt!
Genügt auch!
Zeichnung von Walter Lemke
„lllenn unicreinsma! rum Sitzen kommt,
muö er lcbon was ausgefrellen baden!"
„6ott lei Dank, alles ist wieäer
repariert!"
„bringt Ibr Mann die Energie auf,
vom Alkohol zu lallen?"
„€r nich, aber ich!"
10
Krebses geboren, hat die ersten
Rückschritte seines Lebens mit'vielen
Löschungen gemacht. Sein Freund
Claß, der ja alles vorher wußte,
will schon damals, als er den
Knaben Alfred zum erstenmal ge-
sehen hatte, die prophetischen Worte
gesprochen haben: unser Volk ist
groß genug, um auch ihn zu er-
tragen! Beim Räuberspiel auf
dem Schulhof kam dem Jungen
die große Idee der Inflation und
der Diktatur mit verteilten Rollen.
Von Mussolini träumte er, noch
bevor er von ihm gehört hatte.
Mit dem Duce verbindet Lugen-
berg von jeher das Gefühl des
gemeinsamen Mißverstehens des
Sozialismus, den der Knabe Alfred
in rührenden Strophen besang.
Seine Mußezeit als Erbschafts-
anwärter füllte er mit dem Ge-
danken darüber aus, daß die Freiheit
der Wirtschaft im Kapitalismus
durch eine Rationierung der geistigen
Güter ausgeglichen werden müsse.
Als Schöpfer der geistigen und mate-
riellen Verelendungstheorie wurde
er von Seiner Majestät eigenhändig Alfred Hugenberg
zum Geheimrat ernannt. Er setzte
diese Theorie später in die Praxis um: in der Inflation
förderte er zielbewußt die materielle Verelendung des deutschen
Volkes unt) bald darauf unternahm er als Käufer des Lokal-
anzeigers und Besitzer der Nachtausgabe und der Ufa den ruhm-
reichen Feldzug für die geistige Verelendung des Mittelstandes.
Zum Abgeordneten der Deutfchnationalen Partei gewählt,
vernachlässigte er über seiner Antätigkeit im Reichstag seine
anderen Aufgaben keineswegs. Er führt noch heute das rast-
lose Dasein eines kleinen Rittergutsbesitzers in Lippe-Detmold,
des Inhabers einer bescheidenen Zehnzimmerwohnung im
Berliner Tiergartenviertel und des schlechtbezahlten Aufsichts-
rats in der notleidenden Industrie. Würde nicht die jüdische
Geschäftswelt aus edlem Mitleid im Lokalanzeiger inserieren,
so müßte dieser deutsche Mann am
schwarzweißroten Lungertuche nagen.
Lugenberg hat die gottgewollte An-
Autounfall ulld Lippenstift
Zeichnung von Hans San je
Zeitungsverkäufer
Zeichnung von E. Pahliysch.
gleichheit der Menschen, die ihn
zunt Arbeitgeber machte, immer als
hohe und ernste Verpflichtung auf-
gefaßt. Seine Antergebeueu rühmen
ihn als Vorbild des gerechten und
sozial denkenden Chefs. Den Re-
dakteuren feiner Blätter gegenüber
vertritt er den Standpunkt, daß ihre
Gehälter durch wirkliche Leistungen
gerechtfertigt werden müssen — und
da Anwahrheiten zu erfinden schwerer
ist, als die Wahrheit zu sagen, ar-
beiten sie in edlem Wettstreit daran,
den Meister zufriedenzustellen. Auch
ist durch ein sinnreiches Kündigungs-
system beim Scherlverlag und bei
der Afa dafür gesorgt, daß jeder dort
einmal an die Reihe kommt.
Dieser hervorragende Mann hat
jetzt, als Vorsitzender seiner verlust-
reichen Partei, sein Lebenswerk
durch die Gründung des Schuy-
verbandes für die geistigen Güter
Deutschlands gekrönt, — ein Ver-
band, der dafür sorgen soll, daß
mit bicfen Gütern sparsam um-
gegangen wird. Lugenbergs großer
Charakter beweist sich dadurch, daß
er für seine Aeberzeugung jedes
Opfer bringt. So hat er, von der
Notwendigkeit des Geldverdienens
überzeugt, von der Afa auch pazifistische Filme aufführen
lassen. Sein Testament enthält die Bestimmung, daß Ludwig
Bernhard seine Biographie schreiben und Friedrich Lussong
im Lokalanzeiger behaupten soll, er wäre gar nicht gestorben.
Wilhelm der Zweite aber, für bcn Lugenberg sich so todes-
mutig gegen Lambach eingesetzt hat, soll ein Engagement bei
der Afa als Darsteller älterer Lebemänner erhalten.
Die Ehrung
In Tirol liegt abseits von der großen Leerstraße der kleine
Ort O .. .; neben einem weiland sehr lebenslustigen Pfarrer
besitzt er einen schiefen Kirchttrrm. Nach den Erzählungen der
Bewohner hat es damit folgende Be-
wandtnis: es sei einmal eine Jungfrau
aus dem Pfarrhaus gekommen und
vor der habe sich der Turm so rief
verneigt!
Genügt auch!
Zeichnung von Walter Lemke
„lllenn unicreinsma! rum Sitzen kommt,
muö er lcbon was ausgefrellen baden!"
„6ott lei Dank, alles ist wieäer
repariert!"
„bringt Ibr Mann die Energie auf,
vom Alkohol zu lallen?"
„€r nich, aber ich!"
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