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Wölfflin, Heinrich
Die Jugendwerke des Michelangelo — München, 1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.1346#0005
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— IV —

Kunstentwickelung darzustellen. Jedermann weiss, dass das Bio-
graphische und Culturhistorische bereits vortrefflich behandelt worden
ist.1) Vielleicht bleibt aber eine Biographie immer mit dem Nachtheil
behaftet, dass neben den Ereignissen die Werke nicht so zu Worte
kommen, wie man es wünschen muss. Der Biograph kann es als
Schriftsteller nicht verantworten, den Gang der Erzählung immer
zu unterbrechen durch formale Analysen und Vergleichungen, und
dadurch geht natürlich Manches verloren; es ist z. B. fast unmöglich,
dass die stilistische Entwickelung des Künstlers rein und vollständig
zur Darstellung komme. Es stellt sich also das Bedürfhiss ein nach
einer ergänzenden Art der Betrachtung, aus der das Lebens-
geschichtliche völlig ausgeschieden ist und man nichts vor Augen
hat als die Folge der Werke selbst, nach einer Betrachtung, wo
die analytische Methode einmal ganz zu ihrem Rechte kommt.
Ich habe diesen Versuch hier gewagt.

Die Aufgabe war eine dreifache. Es handelte sich in erster
Linie um die kritische Prüfung der Werke; dann waren die als acht
erkannten zeitlich zu ordnen, nach Stilgruppen zusammenzustellen;
und endlich galt es, die einzelnen Werke für sich zu beschreiben
und nach ihrem Werth zu begreifen. Nicht nur bei den kleineren
Arbeiten war in der Beschreibung noch allerhand nachzutragen,
selbst bei grossen und grössten darf man nicht glauben, die Inter-
pretation sei schon völlig abgeschlossen. Ich habe z. B. nirgends
etwas gefunden, was das Motiv des David erklärt hätte. Um die
stilistische Entwickelung Michelangelo's ganz anschaulich zu machen,
hätte ich gerne ein systematisches Kapitel eingerichtet, mit Detail-
zeichnungen einzelner Körper- und Faltenformen, doch darf ich
wohl glauben, dass die beigegebenen Abbildungen als Illustration
genügen werden, und die Mühe des Zurückblätterns bei der Ver-
gleichung ist ja nicht gross. Den drei vorgeschlagenen Stilperioden
wird man hoffentlich die Zustimmung nicht versagen; was bis jetzt

*) Herman Grimm, das Leben Michelangelo's. 5. Aufl. 1879.
Anton Springer, Raffael und Michelangelo. 2. Aufl. 1883.
 
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