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Wölfflin, Heinrich; Dürer, Albrecht [Ill.]
Die Kunst Albrecht Dürers — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.27918#0379
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Das problem der Zchönheit

301

Übersicht der formalen Möglichkeiten in Bildung und Bewegung der Figur
fortschritt und bis zum Problem des schönen Menschen empordrang, d. h.
die menschlichen Normalproportionen (zunnchst die männlichen) znhlenmäßig
sestzustellen versuchte. Leon Battista Alberti und Lionardo sind dafür die be-
kannten Namen.

Dürer muß in Jtalien von diesen Bemühungen Kenntnis gewonnen haben,
obwohl von Alberti gerade der Traktat von der Malerei und die Abhandlung äs
statuu, die die Proportionen enthält, nur handschriftlich existierte und von Lio-
nardo überhaupt nichts gedruckt war. Man ninimt an, daß Lionardos Freund
Pacioli zum Vermittler wurdell) Jedensalls, als Dürer von der großen Reise zu-
rückkehrt, ist es ein Lieblingsgedanke von ihm, etwas Ähnliches wie die Jtaliener
zu machen und unter dem Titel: „Ein Unterricht in der Malerei" oder „Die
Speis des Malerknaben" eine umfassende Darlegung dessen zu geben, was zur
Malerei gehört. Es sind Aufzeichnungen vorhanden, die wenigstens die Kapitel
andeuten: Von dem Maß der Menschen — Von dem Maß der Pferde — Von
dem Maß der Gebäude — Von der Perspektive — Von Licht und Schatten —
Von den Farben. An anderer Stelle kommt etwa noch ein Kapitel über Kom-
position (Von der Ordnung im Gemälde) dazu und ein ganz großer Entwurf
wollte die gesamte Naturgeschichte des Künstlers mit einschließen, wie er ge-
boren und erzogen wird, wie und wo er am besten arbeitet/) was die Kunst
für ihn und für die Welt bedeutet.

Ernsthaft ist der Plan in diesem Ümfang aber nicht lang festgehalten worden,
das Jnteresse konzentrierte sich bald auf die Proportionsfragen und nach 1513
ist es deutlich, daß zunächst nur ein Werk über Proportion veröffentlicht werden
sollte. Es dauert aber bis 1523, bis wir von einem druckfertigen Manuskript
hören, und selbst jetzt, wo alles in Ordnung zu sein scheint, wird die Publi-
kation hintangehalten und Dürer gibt zuerst sein Buch über Messung heraus
(1525). „Ilnterweisung der Messung mit dem Zirkel und Richtscheit" nannte
er es. Es sollte methodisch auf das Hauptwerk vorbereiten. Wer den Euclid
kenne, für den sei es überflüssig. Neben ausgewählten Aufgaben aus der dar-
stellenden Geometrie enthätt es die Theorie der schönen Buchstaben, Entwürfe
zu Denkmälern u. dgl. Noch einmal dauerte es aber jetzt drei Jahre,
bis das angekündigte Hauptwerk kam: 1527 wurde die Abhandlung über die

tz Eine Zusammenstellung von Parallelstellen aus Dürers und Lionardos Schriften
gibt Hans Klaiber, Veiträge zu Dürers Kunsttheorie, 1904 (Tübinger Dissertation). Eben-
dort eine wesentlich ablehnende Kritik von Justis Konstruktionsnachweisen in Dürers Werk.

2) Auch hierfür sind italienische Quellen nachgewiesen, nämlich die Schrift des Marsilius
Ficinus vom gesunden Leben. Vgl. Giehlow in den Mitteilungcn der Gesellschaft für
graphische Kunst 1903/04.
 
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