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vie Kunst Mbrecht Oürers
ein Spielchen. Und all das geschieht an der lieben Sonne, üer brunnen plät-
schert, und aus den Höhen sieht Gottvater segnend herab.
Oas hört sich so idpllisch an, daß der Unvorbereitete von Oürers Oarstellung
wahrscheinlich zunächst enttäuscht sein rvird. vie Gruppe der Ularia ist keck an
den äußeren Kand hinausgeschoben, Ioseph allein rväre nicht imstande, ihr das
Gegengewicht zu halten, dasür baut sich hinter ihm eine hohe häuser- und
Ruinenreihe auf, die in jäher verkürzung nach der Tiefe abschnurrt. Ts ist
unwohnliches Temäuer, große schwarze Löcher, das Gegenteil von dem, was wir
erwarten, und dazu die Uusdringlichkeit der Perspektive! Trst jenseits des öden
Hofraumes kommen die traulichern Ulotive. Und doch hat das Vlatt die 5tim-
mung, die es haben soll, sobald man sich nur entschließen will, das Linien- und
Tonganze als das Wesentliche zu nehmen und nicht die einzelnen Tegenstände.
wie die Fläche übersponnen ist mit Linienwerk verschiedenster Urt und durch-
setzt mit lustig polternden Schattentiefen, das macht ihr besonderes Leben aus
und auf solche Wirkungen einzugehen, war den Ulten selbstverständlich. vabei
kann man immerhin zugeben, daß die Urchitekturperspektive sich etwas selbst-
gefällig präsentiert. Oas malerisch Wannigfaltige in sicherer Trscheinung vor-
getragen, das war es, was man damals bewunderte und was dann wohl auch
einzeln herausgenommen und in anderm lZusammenhang von dritten wieder
verwendet wurde. vie Tinzelbetrachtung des Figürlichen wird freilich jeden
über solche Unreinheiten unseres Ulattes trösten. vor allem muß man sagen,
daß vürer nie mehr mit dieser Unmittelbarkeit Uinderszenen gefaßt hat. Wie
viel leerer sind die Wlotive in dem großen holzschnitt der Maria von 1518!
Thristus unter den Schriftgelehrten. — Oas Vlatt leidet unter
einer widrigen lZerstreuung der Figuren. Ts ist ein versuch, den reich besetzten
Binnenraum zu geben, aber erst in dem (später entstandenen) Blatt der Ularien-
geburt ist der versuch wirklich gelungen. viel originelle Bewegung in den Te-
lehrten, die sich da herumräkeln, die Oisputation selbst aber ist dabei fast ver-
loren gegangen. Thristus ist ein nichtssagendes Püppchen auf dem Uatheder.
Wan war freilich nichts Besseres gewöhnt. Trst in Italien hat vürer das Thema
von der psychologischen Seite angefaßt. ver häßliche Uaum im „modernen"
5til vollendet die unbehagliche Wirkung dieses Blattes.
ver Ubschied von der Wutter. — Thristus bricht auf zur letzten
Reise nach Terusalem. Oie Frauen haben ihm das Geleite gegeben bis über
das große Tartentor hinaus, da macht die Wutter noch einmal den verzweifelten
versuch, ihn zum Bleiben zu bewegen: mit gerungenen händen wirft sie sich vor
ihm auf die Unie. vieser Moment ist dargestellt. Ts geht über allen Äusdruck
der älteren Runst hinaus, wie die Wutter zum Sohne emporsieht, wie die Ge-
fährtin sie vom Boden emporheben will und es doch nicht tut, und wie in die
vie Kunst Mbrecht Oürers
ein Spielchen. Und all das geschieht an der lieben Sonne, üer brunnen plät-
schert, und aus den Höhen sieht Gottvater segnend herab.
Oas hört sich so idpllisch an, daß der Unvorbereitete von Oürers Oarstellung
wahrscheinlich zunächst enttäuscht sein rvird. vie Gruppe der Ularia ist keck an
den äußeren Kand hinausgeschoben, Ioseph allein rväre nicht imstande, ihr das
Gegengewicht zu halten, dasür baut sich hinter ihm eine hohe häuser- und
Ruinenreihe auf, die in jäher verkürzung nach der Tiefe abschnurrt. Ts ist
unwohnliches Temäuer, große schwarze Löcher, das Gegenteil von dem, was wir
erwarten, und dazu die Uusdringlichkeit der Perspektive! Trst jenseits des öden
Hofraumes kommen die traulichern Ulotive. Und doch hat das Vlatt die 5tim-
mung, die es haben soll, sobald man sich nur entschließen will, das Linien- und
Tonganze als das Wesentliche zu nehmen und nicht die einzelnen Tegenstände.
wie die Fläche übersponnen ist mit Linienwerk verschiedenster Urt und durch-
setzt mit lustig polternden Schattentiefen, das macht ihr besonderes Leben aus
und auf solche Wirkungen einzugehen, war den Ulten selbstverständlich. vabei
kann man immerhin zugeben, daß die Urchitekturperspektive sich etwas selbst-
gefällig präsentiert. Oas malerisch Wannigfaltige in sicherer Trscheinung vor-
getragen, das war es, was man damals bewunderte und was dann wohl auch
einzeln herausgenommen und in anderm lZusammenhang von dritten wieder
verwendet wurde. vie Tinzelbetrachtung des Figürlichen wird freilich jeden
über solche Unreinheiten unseres Ulattes trösten. vor allem muß man sagen,
daß vürer nie mehr mit dieser Unmittelbarkeit Uinderszenen gefaßt hat. Wie
viel leerer sind die Wlotive in dem großen holzschnitt der Maria von 1518!
Thristus unter den Schriftgelehrten. — Oas Vlatt leidet unter
einer widrigen lZerstreuung der Figuren. Ts ist ein versuch, den reich besetzten
Binnenraum zu geben, aber erst in dem (später entstandenen) Blatt der Ularien-
geburt ist der versuch wirklich gelungen. viel originelle Bewegung in den Te-
lehrten, die sich da herumräkeln, die Oisputation selbst aber ist dabei fast ver-
loren gegangen. Thristus ist ein nichtssagendes Püppchen auf dem Uatheder.
Wan war freilich nichts Besseres gewöhnt. Trst in Italien hat vürer das Thema
von der psychologischen Seite angefaßt. ver häßliche Uaum im „modernen"
5til vollendet die unbehagliche Wirkung dieses Blattes.
ver Ubschied von der Wutter. — Thristus bricht auf zur letzten
Reise nach Terusalem. Oie Frauen haben ihm das Geleite gegeben bis über
das große Tartentor hinaus, da macht die Wutter noch einmal den verzweifelten
versuch, ihn zum Bleiben zu bewegen: mit gerungenen händen wirft sie sich vor
ihm auf die Unie. vieser Moment ist dargestellt. Ts geht über allen Äusdruck
der älteren Runst hinaus, wie die Wutter zum Sohne emporsieht, wie die Ge-
fährtin sie vom Boden emporheben will und es doch nicht tut, und wie in die