Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Wölfflin, Heinrich
Das Erklären von Kunstwerken — Leipzig, 1940

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29065#0013
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nordländer. Sonst betont man falsch, hängtsich
an das Unwesentliche und übersieht das Wesent-
liche. Ein florentinisch-römischer Bau der Hoch-
renaissance wird dem nordischen Reisenden zu-
nächst immer kahl und kalt Vorkommen. Das ist
ganz erklärlich, solange er in unserem Sinn auf
Bewegungs- und Ausdrucksgehalt hin angese-
hen wird. Aber das ist eben falsche Einstellung.
Sobald man die richtigen, die italienischen Vor-
aussetzungen besitzt, wird die scheinbare Ar-
mut in den Eindruck ungeheueren Reichtums
umschlagen. Dann erst hat man gesehen, was da
ist. Nicht einmal innerhalb des eigenen Landes
sind wir vor Mißverständnissen sicher. Die
klassizistische Epoche z. B. hat die malerischen
Kunstdenkmäler der heimischen Vergangen-
heit ganz falsch aufgefaßt, und der malerische
Geschmack einer späteren Generation ist wie-
der der linearen Strenge alter Form nicht ge-
recht geworden. Ja, bis auf den heutigen Tag
werden Abbildungen verbreitet, die aus fal-
schen Einstellungen hervorgegangen sind.

2.

Das isolierte Kunstwerk hat für den Histori-
ker immer etwas Beunruhigendes. Er wird ver-
suchen, ihm Zusammenhang und Atmosphäre

11
 
Annotationen