Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Wölfflin, Heinrich
Gedanken zur Kunstgeschichte: Gedrucktes und Ungedrucktes — Basel, 1941

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27251#0076
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
GEDANKEN ZUR KUNSTGESCHICHTE

es anders gewesen wäre. Auch das Odysseusbild mit den weitgetrennten Figuren
würde die Mareesschule nicht ganz gebilligt haben. Gelegentlich aber ist ja die
Zügelhaltung Böcklins wirklich locker. So erklärt sich das harte Wort Fiedlers,
der nach einem Besuch im Zürcher Atelier Böcklins an Hildebrand schrieb:
«- Gegen Marees sind seine künstlerischen Bestrebungen doch nicht recht ernst
zu nehmen» (Brief vom 23. Februar 1888). Man darf das Urteil nicht absolu-
teren.

Noch ein Tatbestand könnte zum Beweis einer künstlerischen Verwandtschaft
Böcklins mit Marees geltend gemacht werden: daß beide vom beweglichen
Tafelbild zum mauerfesten, raumgebundenen Wandbild vorzustoßen begehr-
ten. Beiden ist die Gelegenheit einmal gegeben worden - dem einen in Basel,
dem andern in Neapel — beiden kam sie zu früh. Als Marees der Maler der
Hesperiden geworden war, mußte er neue Forderungen an monumentale Male-
rei stellen, und Böcklin ist über die Fresken im alten Basler Museum ebenfalls
hinausgewachsen, sonst hätte er nicht unser Odysseusbild malen können. Wenn
irgend einmal, so wäre er jetzt für große Wandkunst innerlich vorbereitet gewe-
sen. Ein neuer Auftrag schien damals wirklich an ihn heranzukommen (von
Breslau her), hat sich dann aber wieder verflüchtigt.

Das Thema von Odysseus und Kalypso ist einmal in Deutschland als Wand-
bild gestaltet worden, von Friedrich Preller, in der Folge der Weimarer Odys-
seelandschaften (als Einzelbild bei Schack in München). Preller war fast um
ein Vierteljahrhundert älter als Böcklin, aber er hat die Komposition im glei-
chen Lebensalter entworfen (die Kartons 1860/61, die Malereien 1865/68). Von
einer Klassizität der reifen Jahre ist hier nichts zu bemerken. Es ist alles anders
als bei Böcklin, aber ein Vergleich ist eben deswegen lehrreich. Jedermann
sieht, daß hier nicht das Wandbild, sondern das kleine Tafelbild jene innere
Größe besitzt, die wir monumental nennen. Versucht man über das Wesen
dieser Größe sich Rechenschaft zu geben, so wird man freilich mit den allge-
meinen Begriffen von klassischem Stil nicht auskommen, sondern letzten Endes
auf den Wurf des Motivs, auf den thematischen Einfall im sinnlichen und im
geistigen Sinne sich hingewiesen fühlen, der aus den Tiefen einer großen Per-
sönlichkeit als etwas Einmaliges und nicht weiter Ableitbares aufgestiegen ist.
 
Annotationen