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PSYCHOLOGISCHE UND FORMALE ANALYSE DER ARCHITEKTUR

aber Lösungen der Aufgabe, die zeigen, daß das System auch einem späteren
Geschmacke dienstbar gemacht werden konnte. Immerhin scheint der Sinn für
derartig bescheidene Monumente bald selten geworden zu sein. Es bleibt der
eintorige Bau mit vier Säulen. Die Monumente dieser Art bilden gewissermaßen
die Normalbogen, insofern hier die Mitte gehalten wird zwischen dem System
der Einfachheit und Beschränkung und dem System der Pracht. Es müßte sich
schon darum empfehlen diesen Typus unserer Untersuchung im wesentlichen
zugrunde zu legen. Es kommen aber Umstände hinzu, die uns überhaupt keine
Wahl lassen. Wir haben hier allein die Möglichkeit, eine längere Entwicklung
in allen wünschbaren Zwischenstufen zu beobachten und dann ist gerade das,
was von Bauten klassischen Stils erhalten ist, nach diesem Typus gebildet: der
Titusbogen in Rom, der Bogen von Benevent, von Ancona und — stilistisch
schon sehr abweichend - der Bogen des Marc Aurel in Rom.

Wo ist die Vorstufe des Titusbogens zu suchen? Unter den erhaltenen Mo-
numenten auf italischem Boden gibt es nur eines, welches das Titussystem
vorausnimmt: es ist der Bogen von Aosta1 aus dem Jahre 25 v. Chr., einer der
ältesten italischen Bogen überhaupt (s. Fig. 1). Die Attica fehlt, sonst ist der
Bau leidlich wohl erhalten. Das Entscheidene namentlich, die Säulenordnung
mit dem Gebälk, tritt vollkommen klar hervor. Wir haben also hier ein System
von vier Säulen, so disponiert, daß drei Felder entstehen: ein breites Mittelfeld
mit dem eigentlichen Tordurchgang und zwei schmale Seitenfelder mit ge-
schlossener Mauerfläche. Die Säulen sind Dreiviertelsäulen. Sie tragen ein Ge-
bälk, das aber nicht gleichmäßig über den vier Stützen liegt, sondern jeweilen
über den Ecksäulen sich verkröpft, dann in die Wandfläche zurückweicht, um
über den zwei Mittelsäulen als durchlaufendes Verbindungsstück wieder her-
vorzukommen.

Das Altertümliche des Bogens von Aosta liegt nun nicht nur in den Einzel-
formen und ihrer Verbindung, sondern — was für den ersten Anblick mehr ins
Gewicht fällt - in der Proportionierung der Hauptteile. Die älteren Bauten lie-
ben ein breites und relativ niedriges Tor (vgl. Rimini2), 27 v. Chr.; auch noch
Susa3 8 n. Chr.), und die geschlossenen Seitenflächen werden so schmal gehal-
ten, daß sie dem Hauptstück gegenüber nicht recht aufkommen können. Da-
zu tritt hier eine sehr eigentümliche Behandlung der Bogenträger. Sie stehen
mit den Gebälkträgern auf einer gemeinsamen hohen Bank; die Wandfläche,
die zwischen dieser Bank und dem Bogen-(Gewölbe-)Ansatz übrig bleibt, ist
so gering, daß nur Zwergformen Platz finden können und so erscheint
hier eine Reihe von Zwergpilastern: nicht nur die Ecken, sondern auch die

1 Abbildung bei Rossini a. a. O. tav. 4-6. Eine Ansicht wiederholt bei Baumeister a. a. O. Abb. 1967.

2 Rossini, tav. 12, 13. - Baumeister, Abb. 1981.

3 Rossini, tav. 2, 3. — Baumeister, Tafel LXXXI, 4.

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