REMBRANDT
Wenn irgend etwas das Außerordentliche von Rembrandts Natur beweist, so
ist es dies: daß der Gang seiner Kunst eine so ganz andere Linie ergibt als der
Gang seines Lebens. Hier ein glänzender Anfang: früher Ruhm, Reichtum, ein
hübsches Weib, ein stattliches Haus, und dann, nachdem der Tod die Frau noch
jung hinweggenommen, das Schwanken der materiellen Grundlage, Schulden,
Bankerott, Verlust all der Sachen, die die Augenweide des Künstlers gewesen
waren, ein armes Quartier, öffentlicher Verdruß wegen des illegitimen Ver-
hältnisses mit einer jungen Magd, die ihm Gefährtin geworden war, künstleri-
sche Verkennung und Vereinsamung und endlich ein verlassenes Sterben im
dreiundsechzigsten Lebensjahr. Aus den Bildern Rembrandts könnte man diese
Biographie unmöglich herauslesen. Gerade in dem Zeitpunkt, wo der Himmel
für ihn sich hoffnungslos verdüstert - in den Jahren des finanziellen Zusammen-
bruchs - ist seine Schöpferkraft am mächtigsten, und seine Kunst verklärt sich
zu einer wunderbar stillen Feierlichkeit. Und während die Unreinheit des ju-
gendlichen Gefühls, wie man es ja öfter findet, bei Rembrandt ganz besonders
empfindlich herauskommt, so daß seine frühen Arbeiten oft einen sehr gemisch-
ten Eindruck hinterlassen, bietet die Kunst des alten Rembrandt einen gleich-
mäßig gewaltigen, fast heroischen Anblick. Es scheint, als ob durch ein böses
Schicksal das Gold aus den Schlacken erst hätte herausgeschmolzen werden
müssen.
Den einleuchtendsten Kommentar zu dieser Entwicklung geben die Selbst-
porträts.
Der jugendliche Rembrandt mit dem Samtbarett, dem theatralischen Auf-
putz, der gesuchten Pose, wie er noch in der bekannten Radierung von 1639
erscheint — der dreiunddreißigjährige Mann also1 —, er steht in scharfem Gegen-
satz zu dem ganz sachlichen, ebenfalls radierten Bildnis von 1648: der Zeichner
an seinem Arbeitstisch sitzend und uns gerade entgegenblickend, ohne allen
äußerlichen Apparat; er will weder schön noch artistisch interessant erscheinen;
was spricht, ist nur der persönliche Grundgehalt: ruhig und stark blickende
Augen, die man nicht wieder vergißt. Und wenn auch später gelegentlich ein
düstrer Ton nicht ausbleibt, wie in dem pessimistischen Dresdner Kopf von
1657, so ist der Charakter der Altersporträts im allgemeinen doch ein sieghaf-
ter: der Mann, der sich von der Welt frei gemacht hat. Und das einfache weiße
Tuch, das er sich jetzt statt der alten Maskenkostüme um den Kopf zu schlingen
pflegt, wirkt wie eine Gloriole.
Um sich im Werk Rembrandts zu orientiern, tut man gut, Marksteine zu
1 Dieser «unreine» Rembrandt beherrscht noch durchaus die populäre Vorstellung. Merkwürdiger-
weise ist er seinerzeit auch auf den Umschlag des vielgelesenen «Rembrandt als Erzieher» gekommen.
Wenn irgend etwas das Außerordentliche von Rembrandts Natur beweist, so
ist es dies: daß der Gang seiner Kunst eine so ganz andere Linie ergibt als der
Gang seines Lebens. Hier ein glänzender Anfang: früher Ruhm, Reichtum, ein
hübsches Weib, ein stattliches Haus, und dann, nachdem der Tod die Frau noch
jung hinweggenommen, das Schwanken der materiellen Grundlage, Schulden,
Bankerott, Verlust all der Sachen, die die Augenweide des Künstlers gewesen
waren, ein armes Quartier, öffentlicher Verdruß wegen des illegitimen Ver-
hältnisses mit einer jungen Magd, die ihm Gefährtin geworden war, künstleri-
sche Verkennung und Vereinsamung und endlich ein verlassenes Sterben im
dreiundsechzigsten Lebensjahr. Aus den Bildern Rembrandts könnte man diese
Biographie unmöglich herauslesen. Gerade in dem Zeitpunkt, wo der Himmel
für ihn sich hoffnungslos verdüstert - in den Jahren des finanziellen Zusammen-
bruchs - ist seine Schöpferkraft am mächtigsten, und seine Kunst verklärt sich
zu einer wunderbar stillen Feierlichkeit. Und während die Unreinheit des ju-
gendlichen Gefühls, wie man es ja öfter findet, bei Rembrandt ganz besonders
empfindlich herauskommt, so daß seine frühen Arbeiten oft einen sehr gemisch-
ten Eindruck hinterlassen, bietet die Kunst des alten Rembrandt einen gleich-
mäßig gewaltigen, fast heroischen Anblick. Es scheint, als ob durch ein böses
Schicksal das Gold aus den Schlacken erst hätte herausgeschmolzen werden
müssen.
Den einleuchtendsten Kommentar zu dieser Entwicklung geben die Selbst-
porträts.
Der jugendliche Rembrandt mit dem Samtbarett, dem theatralischen Auf-
putz, der gesuchten Pose, wie er noch in der bekannten Radierung von 1639
erscheint — der dreiunddreißigjährige Mann also1 —, er steht in scharfem Gegen-
satz zu dem ganz sachlichen, ebenfalls radierten Bildnis von 1648: der Zeichner
an seinem Arbeitstisch sitzend und uns gerade entgegenblickend, ohne allen
äußerlichen Apparat; er will weder schön noch artistisch interessant erscheinen;
was spricht, ist nur der persönliche Grundgehalt: ruhig und stark blickende
Augen, die man nicht wieder vergißt. Und wenn auch später gelegentlich ein
düstrer Ton nicht ausbleibt, wie in dem pessimistischen Dresdner Kopf von
1657, so ist der Charakter der Altersporträts im allgemeinen doch ein sieghaf-
ter: der Mann, der sich von der Welt frei gemacht hat. Und das einfache weiße
Tuch, das er sich jetzt statt der alten Maskenkostüme um den Kopf zu schlingen
pflegt, wirkt wie eine Gloriole.
Um sich im Werk Rembrandts zu orientiern, tut man gut, Marksteine zu
1 Dieser «unreine» Rembrandt beherrscht noch durchaus die populäre Vorstellung. Merkwürdiger-
weise ist er seinerzeit auch auf den Umschlag des vielgelesenen «Rembrandt als Erzieher» gekommen.