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ÜBER GALERIEKATALOGE

Jede gepflegte Galerie besitzt ihren «wissenschaftlichen» Katalog, das will
sagen: einen Katalog, der neben den Hauptdaten zum Leben der Künstler die
faksimilierten Signaturen und Datierungen enthält, die genauen Bildmaße, die
Bezeichnung des Malgrundes und Malmittels, Angaben über die Herkunft des
Bildes und über die ältesten Erwähnungen; oder, wenn direkte Zeugnisse feh-
len, so wird doch über die ungefähre Zeit und Autorschaft eine Notiz gemacht
werden, auch pflegen Literaturverweisungen kaum ganz zu fehlen, jedenfalls
nicht, wenn widersprechende Beurteilungen vorliegen. Auf diese Anmerkungen
wird die größte Sorgfalt verwendet, man sieht darin, obwohl sie nur klein ge-
druckt werden, den eigentlichen Wert eines Kataloges; was groß gedruckt wird,
die Bildbeschreibung, scheint von vornherein als etwas Gleichgültiges betrach-
tet zu werden. Bestimmte Forderungen gibt es hier überhaupt nicht, bald voll-
ständiger, bald unvollständiger wird der Sachinhalt analysiert, das Thema ge-
kennzeichnet, die Figuren benannt und noch diese oder jene Detailerwähnung
in die ungefügen Sätze eingeklemmt. Eine langweilige Arbeit für die jungen
Kunsthistoriker, denen diese Aufgaben zugeschoben werden, und schließlich auch
fast nutzlos; denn wer liest diese Beschreibungen? Ihr einziger Zweck scheint
zu sein, gelegentlich zu einer Identifizierung der Bilder verhelfen zu können.

Sind diese Anschauungen richtig? Ich glaube nicht. Man hat zwar heutzu-
tage den Grundsatz, den Besucher der Museen von Katalogen möglichst unab-
hängig zu machen: er soll am Objekt selbst gleich verzeichnet finden, was zu
wissen nötig ist, und nicht erst, mit Hilfe eines Zahlenverweises den Aufschluß
einem Buche entnehmen müssen. Ein Blick soll genügen, um über das Allge-
meinste orientiert zu sein. Das wird jedermann mit Dank annehmen. Und doch
ist das Bedürfnis nach einem Katalog damit nicht gestillt. Ich spreche nicht
von den Fachleuten, sondern vom Laienpublikum: die Unbequemlichkeit, ein
Buch halten und an immer neuen Stellen aufblättern zu müssen, kommt gar
nicht in Betracht gegenüber der Wohltat, einen Führer an der Hand zu haben,
der die Planlosigkeit der eigenen Betrachtung etwas korrigiert. Jene wissen-
schaftlichen Kataloge nehmen auf dieses Bedürfnis aber keine Rücksicht. Die
gelehrten Anmerkungen mögen immerhin an ihrem Platze bleiben, wenn nur
die Beschreibungen mehr gäben, das heißt: wirkliche Beschreibungen wären,
die das herausholen, was für den Eindruck bestimmend ist, und wo der Betrach-

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