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Woermann, Karl [Hrsg.]
Die antiken Odyssee-Landschaften vom Esquilinischen Hügel zu Rom: in Farben-Steindruck — München, 1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.3256#0018
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gehabt haben wird, hier ein halbes Bild unterdrückt und seine Hälfte darauf so gut arrangirt, wie es
ging. Ein grosser überhangender Felsen setzt sich links in den Linien des Berges des vorhergehenden
Bildes fort; dicht _unter ihm rechts fliesst ein blauer schmaler Strom entlang. Jenseits desselben ist
hügeliges grünes Land, diesseits, den Vordergrund einnehmend, ebenfalls Wiesengrund, mit Schilfrohr
am Fluss und unter dem Felsen bewachsen. Unter den Figuren bemerken wir zuerst auf dem Boden
jenseit des Flusses den Riesen Tityos, ziemlich genau so wie Homer (Vers 577 ff.) ihn schildert:

Ausgestreckt auf dem Boden; und ganz neun Hufen bedeckt er;

Und zween Geier, umsitzend die Seiten ihm, hackten die Leber,

Unter das Fleisch eindringend; er scheucht umsonst mit den Händen,

Weil er Leto entehrt, Zeus heilige T.agergenossin.

Vollständig ausgestreckt mit gespreizten Beinen liegt er da; seine gewaltige Grosse ist von dem
Maler in auffallend geschickter Weise dadurch vermindert, dass er in sehr guter Verkürzung halb vom
Fussende gesehen wird. Die ausgestreckte Rechte verbirgt der überhangende Felsen. Mit der Linken
scheint er die Geier, von denen nur der eine deutlich, der andere mehr schattenhaft dargestellt ist,
abzuwehren. Unter ihm ist die Inschrift TlTyoc deutlich lesbar. Ebenso deutlich die Inschrift C1CY40C
unter dem Sisyphos, welcher mit ungeheurer Anstrengung seinen schweren Felsbtock, hinter dem hier
der Kopf versteckt erscheint, den steilen Abhang des Berges zur Linken hinaufwälzt. Bald ist er oben.
In dem aufgestemmten rechten Knie und dem nachschleppenden linken Beine ist die ungeheure Anstrengung
des Hinaufwälzens ausgedrückt; aber die Steile des Berges lässt keinen Zweifel darüber, dass der tückische
Stein, kaum oben angelangt, „hurtig mit Donnergepolter" wieder herabrollen wird.

Wer aber ist der nackte Jüngling, der über dem Sisyphos in jagender Haltung, einen Stock in der
erhobenen Rechten, in der Linken eine Schlinge, gegen den Abgrund heranstürmt? Diese Figur ist
vielleicht die einzige zweifelhafte in unserer ganzen Bilderreihe. Die Inschrift über ihr ist trotz aller
Mühe, diemeine Freunde und ich uns bei wiederholtem Besuche des Bildes mit ihr gegeben haben, nicht
zu entziffern gewesen, ja da kein einziger Buchstabe derselben in sicherer Weise zu erkennen ist, so
müssen wir sie für die Erklärung als nicht vorhanden ansehen und nach anderen Gründen für die
Bestimmung der Gestalt suchen41). Homer nennt in diesem Zusammenhange neben dem Tityos und
Sisyp/ios noch den Tantalos, den Herakles und den Orion. Taniaios und Ho alles können selbstredend
nicht gemeint sein. Vom Orion dagegen schreibt Homo- (XI 572 ff.):
Jenem zunächst auch Orion, den Ungeheueren, sah ich
Schaaren Gewilds fortscheuchen, hinab die Asphodeloswiese,
Die er selber getodtet auf einsam bewanderten Berghohn,
Seine Keul' in den Händen, von Erz unzerbrechlich geschmiedet.
Die Haltung unserer Figur passt gut zu dieser Beschreibung. Der Stock in seiner Rechten (auf
dessen Krümmung wir bei der flüchtigen Manir unseres Bildes kein Gewicht legen dürfen) kann ganz
wohl der Knittel („Keule" wie Voss übersetzt) sein sollen, den Homer poTtaXov TtayxäXntov nennt. Dass
seine Geberde diejenige eines Mannes ist, der bergab etwas fortscheucht, leuchtet sofort ein. Dass die
Schatten des Wildes, welches Orion im Hades jagt, nicht sichtbar dargestellt sind, dürfte wohl gar für einen
feinen Zug des Künstlers erklärt werden. Die „ungeheure" Grosse (ftzXwpiov) ist sehr gut dargestellt,
wenn wir annehmen dürfen, was wir doch müssen, dass der Künstler auf unserem Bilde die perspektivische
Verkleinerung der Personen in der Ferne ebenso gut ausgedrückt habe, wie auf den übrigen; denn er
ist eben so gross dargestellt, wie die Figuren des Vordergrundes, während doch auf den Laistrygonenbildern
die Riesen an derselben Stelle des Hintergrundes schon ganz klein erscheinen. Da nun ferner weder in

van Hektar erlej
lochus unter den

Vgl, daruber oben, Anm. 3 zum ersten Tlieile.

Bull, dell' Inst. 1850 pag, 20.

Ulissis erraliones per topia; Vitr. VIT, 5; vgl. Heibig, Rhein. Mus. 1870, S. 395.

Vgl. darüber oben, die Gesammlbetrachlung dieses zweiten Thciks,

E. Jirmiii im Arcl), Anzeiger 1849 Nr. 2 S. 29 bestritt dieses ohne genügenden Grund.

ANTIAOXOC. ANXIAAOC. GY|'Y&ATHC.

IL n, 184, Od- XIX, 246 ff.

Anchialos, Vater des Mentes: Od. I. 180. Nur dieser, nicht der Pliaiake, Od. VIII, 112, kann gemein
te Grieche IL V, 609. — Antüochos kann der nach Od. IV, 188 von Memnon getodlete Sohn Nestars
Gefährten des Odysseus beim La ist ryganenaben teuer gewesen, berichtet Zirtus Chti X, 360 (V. 891). -

in, geschweige denn 1
it sein. Dass ein An

der homerischen Nekyia, noch in der polygnotischen Darstellung, noch auf irgend einer der zahlreichen
Unterweltsbilder der Vasen (die, einem anderen Kreise angehörig, meist im Orpheusmythus gipfeln)15), sich
irgend eine andere bekannte Person findet, welche wir mit unserem jagenden Riesen identifiziren könnten,
ja, da wir bei diesen flüchtigen antiken Gemälden auf die dargestellte Geberde als das Entscheidendste
am meisten Rücksicht zu nehmen haben und diese Geberde vollkommen zu der von Homo- dem Orion
beigelegten passt — so dürfen wir Alles in Allem genommen doch wohl die von den früheren Erklärern lG)
als problematisch hingestellte Bezeichnung unserer Figur als Orion für so gut wie gesichert ansehen.

Somit bliebe uns nur noch die Szene im Vordergrunde unseres Bildes zu betrachten. Dass wir es
hier mit einer Darstellung der Danaiden zu thun haben, die das nimmer voll werdende Fas*> ewig füllen, ist
unzweifelhaft. Vorn sehen wir den obern Rand und die Oeffnung des grossen in die Erde eingegrabenen
irdenen Fasses*7). Um dasselbe sind vier weibliche Figuren mit graublauen Gewändern, blossen Armen und
Kopftuch gruppirt. Diejenige in der Mitte hinter dem Fasse hat gerade einen auszugiessenden Krug auf der
linken Schulter herbeigeschleppt und ist eben im Begriffe ihn herabzulassen; je rechts und links sind zwei
andere im vollen Zuge, ihre Krüge auszugiessen, während rechts die vierte sich abwendet, wie es scheint um
von Neuem zu schöpfen. Dass aus dem im Mittelgründe fiiessenden Wasser geschöpft wird, ist deutlich genug
durch eine ebenso bekleidete fünfte weibliche Figur angedeutet, welche, den Kopf auf den vor ihr stehenden
Krug gestützt, am Rande des Gewässers wie erschöpft in sich zusammengesunken ist und nur eine kurze Weile
zu rasten scheint. Die den Danaiden beigelegte Handlung ist ganz klar charakterisirt. Dass der Maler aus
fünfzig fünfe gemacht hat, war sehr verständig und entspricht dem Stile der antiken Malerei*3). Zum Ueberfluss
sind von der im Ganzen ebenfalls zerstörten Inschrift über der Vorderszene die drei Buchstaben AIA (natürlich
als AANAlACc: zu ergänzen) noch mit ziemlicher Sicherheit zu lesen, und Braun erzählt (a.a.O.), er habe
in seinem Privatbesitze ein Relief, auf dem die Danaidensage ganz ähnlich dargestellt sei. Interessant
ist dabei, dass diese Szene, wenn wir die Deutung des Jägers auf Orion als richtig anerkennen, die einzige
auf unseren Bildern dargestellte ist, welche sich im Homer nicht findet und die der Maler daher aus
einer anderen Quelle hinzugefügt hat. Dass diese Quelle die polygnotische Nekyia nicht gewesen sein
kann, ist sicher; und ebensowenig stimmen die übrigen Figuren unseres Bildes mit denen des delphischen
Gemäldes überein, auf dem der Tityos z. B. anstatt als kräftiger muskulöser Mann, an dem die Geier
hacken, wie auf unserem Bilde, vielmehr als „nicht mehr gestraft, sondern durch immerwährende Qual
\ ollständig verzehrt, ein undeutliches, unvollständiges Bild" gemalt war. Stimmen daher weder che Figuren
unseres ersten, noch die des zweiten Unterweltsbüdes mit denen auf dem Gemälde des Polygnot nach
Pausanias' Schilderung überein, so konnte es wohl keinen grösseren Trugschluss geben, als den von E.
Braun (a. a. O. S. 19) seiner Zeit gemachten, wenn er aus der vermeintlichen Uebereinstimmung des
Figürlichen auf beiden Bildern schliessen wollte, auch das Landschaftliche auf dem polygnotischen Gemälde
sei keineswegs so mager gewesen, wie Welcher etc. es sich vorgestellt, sondern habe einen in ähnlicher
Weise, wie unsre Bilder, vollständigen Eindruck gemacht. Vielmehr folgt umgekehrt, von allen anderen
Gründen abgesehen, gerade aus der gänzlichen Verschiedenheit der Anordnung und Darstellung der
Figuren auf beiden Bildern, dass wir auch nicht entfernt berechtigt sind, von dem Landschaftlichen unserer
Bilder Rückschlüsse auf die landschaftlichen Hintergründe der Polygnotischen Darstellung zu machen.
Schon dass auf unserem Bilde überhaupt kein Baum gemalt ist, wahrend bei Polygnot eine Weide zur
Andeutung des Haines der Persephone dargestellt war *°), bestätigt diese Verschiedenheit. Im Allgemeinen
sind unsere Bilder zweifelsohne landschaftlich viel ausgeführter, als die Polygnotischen waren oder sein
konnten. Von der Nekyia des Nikias aber wissen wir zu wenig, als dass wir sie zum Vergleich heran-
ziehen konnten.

1. 9 Anders diejenigen auf dem pomptjj
1 München befindlichen Lampe (Braun
x codicibus vaticanrs, Rom 1835, tav. 1-
1. 10. Sie fehlt auf der Abbildung Arch
ine Freunde und ich vor den Onginah
s heller Tag, an dem G. Hirschfeld mir
i. tt, Rhein. Mus. 1869 S, $00. Vgl.
a. 13. Schwerlich Kind diese dekur.1l.1v1.-Ti,
Matranga (1. c. pag. 26) sie an diesem
1. 13, Auch diese Inschrift fehlt auf der

iischen Gemälde Heibig 30S, .abgebildet Mus. Borb, XII, 32 und Zahn in,
m Bull d. Inst. 1844 p. 41} Man vergleiche auch che Windgötter bei Mai,
und Come, Heroen- und Göttergestallen, II Taf. XCVI.
Ztg. 1S52 Taf. XLV, Gana deutlich sind nur die letzten drei Buchstaben. ]

linken: Zeil nicht erkennen «u können und »ir veilieleu ,iuf allerlei andere
sehen half, sie sicherte. Auf Jfatranga's Abbildung befindet sie sich auch.

Brunn, zweite Verteidigung S. 22 und Heftig in der Arch. Ztg. 1863 S. Ii;
auf den üc-.;umiik Nokl. bcru.Im..[..-n W.indiu.ili.n.i.jii gLU^'net, Ku-lunv-^udiuii an
Kopftuch und sonst bei jeder Gelegenheit an unseren Bildern macht.
Abbildung Arch. Ztg. 1852 Taf, XLV.

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