Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 2): Ottonenzeit — Heidelberg, 1995

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.15264#0042
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die Kinder Heinrichs I. und Mathildes
und die Bedeutung
ihrer Verlobungen und Heiraten

Über die zentrale Bedeutung von DH I., Nr. 20

Im 31. Kapitel des 1. Buches seiner Sachsengeschichte erwähnt Widukind von Cor-
vey1 die Kinder Heinrichs I. und seiner Gemahlin Mathilde2, nachdem er im vorange-
henden Kapitel deren Tochter Gerbergn, in Zusammenhang mit Herzog Giselbert3 von
Lothringen, gedachte: Quem rex* satis laetus suscepit, quia per ipsum solum totum Lotharii
regnum se habiturum arbitratus est. Heinrich:... videns adolescentetr? valde industrium, gene-
re ac potestate, divitiis quoque darum, liberaliter mm coepit habere ac postremo desponsata sibi
filia nomine Gerberga affinitate pariter cum amicitia iunxit eum sibi sublegato omni ei Lotharii
regnoK

Widukind erzählt dies im Zusammenhang mit Ereignissen des Jahres 920. Die He-
rausgeber der Schulausgabe von 1935, H. E. Lohmann und Paul Hirsch, merken dazu,
unter Berufung auf Georg Waitz, nur an:,Giselbert heiratete Gerberga nicht vor 928'7.
Aber Widukind schreibt ja an dieser Stelle nichts von Heirat, sondern von Verlobung
(,desponsata') - Gerberga war also 920 zumindest schon geboren. Ja, da die Heirat 928/29"
stattfand und Gerberga damals schon das heiratsfähige Alter von 12 Jahren erreicht ha-
ben mußte, muß sie vor 917 geboren sein, d. h. zwischen 913 und 917'.

Gerberga heiratete also in erster Ehe, im Alter von höchstens 16 und mindestens 12
Jahren, den damals etwa 39-jährigen Giselbert10. 939 - nach Giselberts Tod - in zweiter
Ehe, als 23/26-jährige, den etwa 19-jährigen König (936 - 54) Ludwig IV. (Outremer) von
Frankreich, einen Karolinger, Sohn Karls III. (Simplex) und der englischen Prinzessin
Eadgifu11, der älteren Schwester von Ottos I. späterer Gemahlin Edith. Dazwischen
scheint, unmittelbar nach dem Tod Giselberts am 2. Oktober 939,12 Otto I. seine Schwe-
ster Gerberga (oder wahlweise deren Tochter) dem bayerischen Herzog Berthold ange-
boten zu haben,13 obwohl Gerberga selbst sich entweder zu Ludwig begeben hatte oder
in dessen Hände gefallen war". Dieses von Liutprand von Cremona erwähnte Angebot
Ottos an Berthold, vom Herbst 939, wirft auch ein Licht auf die ,desponsatio' von 920 mit
Giselbert: Auch damals war die Verlobung eine politische Maßnahme, um eine ,amicitia'
zu begründen oder zu festigen. Die höchstens 7- oder gar nur 3-jährige Gerberga wird
dem 20-jährigen Giselbert, zum Zwecke der ,Sicherung' Lothringens, wie Widukind
deutlich genug ausführt,15 verlobt.

Ist somit das Geburtsdatum Gerbergas als zwischen 91316 und 917 erwiesen und die
Aesponsatio' mit Giselbert ebenso wie die Heirat als politische, so wäre zu fragen, wie es
sich mit den anderen Kindern Heinrichs I. und Mathildes verhält. Otto, geboren aller
Wahrscheinlichkeit nach am 23. November 91217, war der ,primogenitus'le, also der älte-
ste der Söhne dieser Ehe, die wohl 909 geschlossen worden war, nachdem sich Heinrich

69
 
Annotationen