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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 3): Stauferzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15265#0038
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Es wundert nicht, wenn Friedrich, angesichts des sich herausbildenden neuen eu-
ropäischen Staatensystems im 12. Jahrhundert, gerne auf die ihn und seine Auffassung
stützenden alten römischen Vorstellungen und Rechtssätze zurückgriff.

Seit etwa einem Jahrhundert ist viel ,über den Einfluß altrömischer Vorstellungen
vom Staat auf die Politik Kaiser Friedrichs I. und die Anschauungen seiner Zeit'20 ge-
schrieben worden. Und wirklich läßt sich für Friedrich nachweisen, wie in schwächerem
Maße schon für Konrad III., ja schon für Heinrich IV., daß das römische Recht und man-
cher ihm entlehnte Gedanke der Kanonisten, großen Einfluß gehabt haben.21

Allein: trotz der nachweislich schon 1155 erfolgten ersten und trotz aller weiteren
Einflußnahmen der Legisten in späteren Jahren, hat Friedrich nicht ohne weiteres das
schiere Legitimitätsprinzip übernommen. Als er im Juli 1169 seinen - im Widerspruch al-
lerdings zum allenthalben schon gängigen Primogeniturprinzip - zweitgeborenen Sohn
Heinrich22 von den Fürsten zum König wählen und im September desselben Jahres krö-
nen ließ, bewegte sich Friedrich durchaus in der Sache selbst in den Bahnen alten Her-
kommens. Auch des Kaisers, in mancherlei Quellen belegtes, Verlangen an die Kurie,
das zumindest seit etwa 1184 - dem Jahr der Schwertleite Heinrichs - nachweisbar ist,23
daß der Papst Heinrich zum Imperator kröne, ist in ottonischer und karolingischer Zeit
nicht ohne Vorbilder,24 woran die Erinnerung auch noch zu Friedrichs Zeit lebendig war.
Auch dies ist also kein novum.25

Neu dagegen ist, daß die Kurie - sowohl 1184 durch Lucius III. wie Ende 1185 durch
Urban III. - obiges immer wieder vorgetragene26 und also offenbar Friedrich sehr am
Herzen liegende Ansinnen mit der Begründung ablehnte, daß es nicht möglich sei, daß
es zwei Kaiser zu gleicher Zeit gebe.27 Es liegt auf der Hand, daß dieser formale Grund
angesichts der politischen Lage sicher nur vorgeschoben war. Wie aber hat sich Friedrich
in dieser Lage verhalten? Hier liegt unsere Problematik.

Friedrich hat, den Beispielen Karls des Großen, Ludwigs des Frommen und Ottos des
Großen folgend,28 gewünscht, daß sein Sohn, der schon längst zum König gewählt und
gekrönt war, zu seinen Lebzeiten auch zum Kaiser gekrönt werde. Die Gründe dafür
sind klar: es entsprach den Anschauungen der Zeit, daß zwar der rex Romanorum, der
von den Fürsten gewählt und vom Volk gewünscht war, sowohl die volle potestas wie
die volle dignitas besaß, ihm aber dennoch erst die Krönung in Rom durch den Papst die
Vogtei über das corpus Christianum und die sakrale Weihe verlieh.29 Gerade diese Rolle
des imperator Romanorum war es aber, die ihm - im Zeitalter des beginnenden nationa-
len Königtums im europäischen Staatensystem - die, gegenüber den souveränen reges
anderer Staaten, höhere Würde sicherte. Friedrichs Wunsch bedeutete also den Versuch
einer Herrschaftssicherun, für seinen Sohn Heinrich VI. kraft der Krönung durch den
Papst auf universaler Basis.

Wenn wir von einem etwas dubiosen Bericht Johanns von Salisbury zum Jahre 116930
absehen, so können wir die einschlägigen Bemühungen Friedrichs um die Kaiserkrö-
nung seines Sohnes ab 1184 feststellen. Im Zuge der Vorverhandlungen und Verhand-
lungen von Verona scheint Friedrich sein Anliegen Lucius III. vorgetragen zu haben.
Der Papst scheint zunächst auch gar nicht abgeneigt gewesen zu sein, dem Kaiser, im
Zuge der allgemeinen Regelung der strittigen Punkte zwischen Kurie und Reich, auch
in der Frage der Krönung entgegenzukommen." Doch scheint er sich schließlich Wider-
ständen gebeugt und die Krönung Heinrichs zu Lebzeiten seines Vaters, mit der oben
erwähnten formalen Begründung, abgelehnt zu haben. Welcher Art waren diese Wider-
stände?

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Die Annales Stadenses berichten:sed est a quibusdam impeditus cardinalibus'31 und
die Annales Colonienses maximi ergänzen:ex consilio quorundam principum et cardina-
lium'.33 Wir müssen diese Angaben überprüfen. Wie bereits mehrfach erwähnt, gab Luci-
us III. als Begründung seiner Ablehnung ,non esse conveniens duos imperatores regnare, nec
filium imperiälibus insigniri, nisi ea ipse (Friedrich I.) prius deposuisset''.M Gerade dieses Ar-
gument aber hatte schon Erzbischof Philipp von Köln im Frühherbst 1184, also vor den
Veroneser Verhandlungen, benutzt, als er schrieb: .neminem posse duobus dominis servire et
ideo non posse duos principes regnare'.35 Tatsächlich scheint mir diese Formulierung des
Kölners, schon wegen des genauen Zitats von Matthäus 6, 24,M das sicher nicht ohne ge-
zielte Absicht und durch seine Autorität auch wirksam war, primär. Wir wissen ja auch,
daß Philipp von Köln sowohl als Territorialfürst eigene Wege ging, als auch gerade ge-
gen Heinrich, den Kaisersohn, eine starke persönliche Abneigung hatte. Wir wissen
überdies, daß zwischen Philipp und Lucius III., zumindest aber zwischen Philipp und
Urban III., Verbindungen bestanden, die den Papst 1186 sogar veranlaßten, Philipp zu
seinem Legaten in Deutschland zu ernennen und wir wissen, daß sich Philipp in jenen
Jahren tatsächlich zum Haupt einer Oppositionsgruppe entwickelte.37

Es ist daher naheliegend, den Annales Colonienses maximi Glauben zu schenken -
die es ja wohl ganz gut wissen müssen - daß bei der Ablehnung auch ein ,consilium
quorundam principum' eine Rolle spielte.38 Wer diese principes, neben dem Kölner Erzbi-
schof, waren, können wir hier auf sich beruhen lassen.

Wichtiger ist es, die Quelle des Widerstandes im Kardinalskollegium festzustellen.
Dazu müssen wir etwas ausholen. Als Lucius III. am 25. November 1185 starb, wählten
die Kardinäle einen der ihren einstimmig zum Nachfolger: Hubertus Crivelli, den Erzbi-
schof von Mailand, als Urban III. Diese Wahl war ein Affront gegen den Kaiser, denn Ur-
ban entstammte einer Mailänder Familie, die einst unter den Maßnahmen des Kaisers
gelitten hatte,3' und war darüber schon als Erzbischof seiner Vaterstadt und Kardinal
(seit 1182)40 zum ausgesprochenen Gegner des Kaisers geworden.41 Als nun der Kaiser
auch an ihn im Frühjahr 1186 mit dem Anliegen der Krönung Heinrichs zum Kaiser her-
antrat, lehnte Urban III. diesen Wunsch mit der wörtlichen Begründung seines Vorgän-
gers ab: ,wie er es von seinem Vorgänger gehört habe'.42 Nimmt man aber die Berichte
über Lucius' III. anfängliche Bereitschaft und seine grundsätzlich wohlwollende Haltung
gegenüber Friedrich einerseits und die Nachricht über den Widerstand im Kardinalskol-
legium, die Härte und Zumutung des Konditionalsatzes ,nisi ea (imperialia) pater prius de-
posuisset'," die Übereinstimmung der Antworten beider Päpste und die grundsätzliche
Einstellung Urbans III. andererseits, so scheint es sehr wahrscheinlich, daß es schon un-
ter Lucius III., 1184, Crivelli war, der im Kardinalskollegium die Quelle des Widerstan-
des gegen die Kaiserkrönung Heinrichs bildete.

Dieser Mann wurde nun am 25. November 1185, noch relativ jung an Jahren, einstim-
mig zum Papst gewählt. Es liegt nahe, daß Friedrich, angesichts seiner Machtstellung
und seines herrscherlichen Selbstverständnisses, die neuerliche und wohl endgültige Ab-
lehnung der Kaiserkrönung seines Sohnes durch Urban als einer Möglichkeit, diesem
diese Machtstellung ungeschmälert und unangefochten zu sichern, nicht ohne weiteres
hinnehmen konnte. Eine Hinnahme hätte ja, angesichts der Einstellung und des Alters
des Papstes einerseits und des Kaisers, der damals immerhin schon über 60 Jahre alt war,
andererseits, eigentlich einen endgültigen Verzicht bedeutet. So griff nun Friedrich I. zu
den Möglichkeiten, die ihm die Legisten wiesen und machte Heinrich, anläßlich dessen
Vermählung44 mit Konstanze von Sizilien in Mailand, am 27. Januar 1186 zum Caesar.*5

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