Das Problem dieser Erhebung ist seit Scheffer-Boichorsts berühmter Erstlingsarbeit
von 186646 nicht mehr zur Ruhe gekommen und bis heute im Grunde ungelöst. Scheffer-
boichorst, pomtow/17 toeche,48 bloch," becker,50 hauck," ostrogorsky," klew1tz,53
Hampe,54 Baethgen55 und Ohnsorge56 betonen die Bedeutung des Caesar-Titels, Jordan57
und andere setzen Fragezeichen, entschieden sich gegen jede staatsrechtliche Bedeu-
tung, spricht sich H. Kauffmann in seinem 1933 erschienenen Buch ,Die italienische Poli-
tik Friedrichs I. nach dem Frieden von Konstanz 1183 - 1189'58 ebenso aus.
Seinen Argumenten kann nicht gefolgt werden. Kauffmanns argumentum e silentio
der Kirche, sprich Urbans III., ist, nach dem oben zur Einstellung Urbans Gesagten,
kaum relevant. Ebenso steht es mit dem Einwand, daß nirgends eine offizielle Titula-
turänderung zu ersehen sei, wobei Kauffmann zugibt, daß seit 1186 zwar die allein dem
Kaiser zustehende altrömische Formel des ,et Semper augustus' auftrete5' - allerdings mit
dem wieder einschränkenden Bemerken, das ,läßt sich vielleicht (!) aus der Erwartung
der Krönung erklären'.60
Abgesehen davon daß, nach meiner Ansicht, vor einer einwandfreien Bearbeitung
und Edition der Urkunden sowohl Friedrichs I. wie Heinrichs VI., derartige Titulaturfra-
gen recht fragwürdig bleiben, ja fast müßig sind, haben wir für die Tatsache der Erhe-
bung und ihrer Bedeutung eindeutige Quellenzeugnisse. Daran ist nicht zu rütteln und
die Beweislast ist dem aufzubürden, der diesen primären Zeugnissen gegenüber die ne-
gatorische Einrede vorbringt.
Davon abgesehen aber zwingt, wie wir oben gezeigt haben, der geschichtliche Au-
genblick den Kaiser geradezu zu einer Reaktion. Diese Reaktion konnte aber, wenn die
bisherigen gescheiterten Bemühungen um die Kaiserkrönung des Thronfolgers bei der
Kurie sich in herkömmlichen Bahnen bewegten, nur außerhalb dieser kurialen Tradition
erfolgen. Außerhalb dieser, aber keinesfalls außerhalb jeder Tradition. Diese andere Tra-
dition mußte kenntlich gemacht werden, damit sie als solche, eventuell sogar als ältere,
bessere, erkannt wurde.61 Und sie wurde da erkannt, wo man diese Zusammenhänge
überblicken konnte. Daß die Zusammenhänge nicht allenthalben erkannt wurden, mag
daran liegen, daß ja, realiter, eine Funktionsveränderung nicht eintrat. Auch dieses Mo-
ment fällt daher nicht sonderlich ins Gewicht. Was aber bedeutet dann diese Mailänder
Ernennung Heinrichs zum Caesar? Friedrich I. greift auf die Anschauungen der Legisten
und Kanonisten zurück und deklariert seinen Sohn und Erben in der Herrschaft zum
Mitherrscher, womit er ,den imperialen Charakter des Romanorum rex et Semper augustus
ausdrücklich festlegte'.67
Es handelt sich also bei dem Akt vom 27. Januar 1186 um eine Sicherung des imperia-
len Anspruchs und der imperialen Herrschaft die auf das erbrechtliche altrömische Insti-
tut der ,Mitherrschaft'a zurückgriff - ein Institut, das in Byzanz immer in Übung war. Wir
besitzen auch Belege dafür, daß sich, außer Friedrich, auch Zeitgenossen der rechtlichen
Konsequenzen dieser Herrschaftsform bewußt waren. Indem dieses Mit-Herrschen ge-
nau beobachtet wurde und auch hierin den Beispielen römischer Antike und Byzanz ge-
folgt wurde, ergab sich diese Mitregentschaft, sowohl de iure als auch de facto, als erbli-
che Sicherung der Herrschaft mit weit stärkerem Rechtstitel, als es die schiere Königs-
wahl gewesen wäre. Hierin scheint nun tatsächlich die Novität der in der Caesar-Dekla-
ration von 1186 konvergierenden Dinge zu liegen, daß aus dem theoretisch, seit je auch
aus dem römischen Recht bekannten ius hereditarium", jetzt praktische Konsequenzen
gezogen wurden, die das imperium Romanum als Erbreich de facto erscheinen lassen,
was es de iure anerkannterweise noch immer nicht war. Für diese Sicht der Dinge haben
68
wir einen in der Literatur bisher leider übersehenen Kronzeugen: Innozenz III.65 In seiner
Ansprache an die Kardinäle anläßlich der Konsistorialberatung ,super facto imperii de tri-
bus electis' an der Jahreswende 1200/1201 führt er aus:presertim cum non solum Frederi-
cus substituerit sibifilium, sed Henr(icus) etiam filium sibi voluerit subrogare, et per hoc
forsan in posterum abusio traheretur in usum.m Und wenig später schreibt Innozenz an die
deutschen Fürsten: ,Nam ut cetera taceamus, hoc solum quaod vobis in substitutione im-
peratoris eligendi voluerunt adhimere facultatem, libertati et honori vestro non modi-
cum derogarunt. Undesi,sicut olim patri filius, sie nunc immediatesuccederetfraterfratri,
videretur imperium ei non ex election conferri, sed ex successione deberi.'67
Nun ist zwar die Absicht dieser Ausführungen des Papstes klar und durchsichtig
und insbesondere sein Appell an die libertas und den honor68 der deutschen Fürsten als
captatio benevolentiae beabsichtigt. Allein: schlechterdings ,gelogen' kann Innozenz we-
der hier noch gar im Kardinalskonsistorium haben. Wenn er also beide Male behauptete,
daß infolge ,abusio', wie er es nennt, vom Wahlprinzip abgegangen worden sei bzw. die
Absicht bestanden habe, so ist das ein Tatbestand, der, wäre er unwahr gewesen, als Ar-
gument weder bei den deutschen Fürsten noch bei den Kardinälen im mindesten verfan-
gen hätte. Wozu also? Diese Überlegung scheint den vorgetragenen Sachverhalt zu er-
härten.
Dabei drückt sich Innozenz naturgemäß in der Deliberatio vor den Kardinälen klarer
und präziser aus, und es lohnt, den Wortlaut genau zu betrachten:presertim cum non
solum Fredericus substituerit sibifilium, sed Henr(icus) etiam filium sibi voluerit subrogare
Die beiden Satzglieder sind durch die Kopula ,non solum - sed etiam' verbunden. Das
bedeutet, daß die Aussage der einen Satzhälfte inhaltlich mit der der anderen gleich ist,
mit anderen Worten, daß ,substituere' und ,subrogare' dasselbe bedeuten sollen. Beides
soll nach Innozenz aber eine abusio, ein Mißbrauch sein.
Es leuchtet ein, daß es auf die Bedeutung der beiden Verben substituere und subrogare
ankommt.69 Wie Ernst Kantorowicz in anderem Zusammenhang nachgewiesen hat,70
handelt es sich um juristische termini technici des römischen Rechts, die die Substitution
zum Prinzip der Dauer (,dignitas non moritur') fictione iuris machen.
Erhärtet wurde diese, von allem Anfang aufs engste mit dem Erbrecht und damit
auch mit dem dynastischen Thronfolgerecht verquickte, Idee durch die Grundlagen der
continuatio dominii Dig. 28, 2,11 ,...füü ... etiam vivo patre quodammodo domini existiman-
tur' oder Cod. 6, 26,11: ,Natura paler et filius unum fictione iuris sunt.'n Man könnte mit
Kantorowicz die Reihe der Aussagen und Glossen zu ,substituere' fortsetzen - es bleibt:
die von Innozenz III. vor den Kardinälen gebrauchten Begriffe sind termini technici des
römischen Erbrechts, durch die er fixiert, daß das, was - ja unbestritten - Heinrich VI. für
seinen Sohn Friedrich II. mit seinem Erbreichsplan von 1196 versuchte72 (auch hier
drückt sich Innozenz ja korrektest aus) (,voluerit subrogare'), Kaiser Friedrich I. hinsicht-
lich seines Sohnes Heinrich VI. tatsächlich vollzogen hat (,substituerit sibi filium'). Frie-
drich I. hat also laut Innozenz III. seinen Sohn als Nachfolger eingesetzt. An dieser Aussa-
ge ist auch nicht mit dem Einwand zu deuteln, daß Innozenz substituere und subrogare im
allgemeinen Sinn, nicht im juristisch strengen gebraucht habe, da sich diese Auslegung
vom zweiten Teil des Satzes her aus syntaktischen Gründen verbietet wie aus Gründen,
die in der Person Innozenz' liegen, der ja einst beim hervorragendsten Kenner der Mate-
rie und angesehensten Lehrer der Rechte, Huguccio von Pisa,73 dem späteren Bischof von
Ferrara, in eben der Zeit in Bologna studiert hatte,74 in der Huguccio seine Summe zum
Decretum Gratiani verfaßte. Nicht umsonst auch werden des Papstes ausgezeichnete
69
von 186646 nicht mehr zur Ruhe gekommen und bis heute im Grunde ungelöst. Scheffer-
boichorst, pomtow/17 toeche,48 bloch," becker,50 hauck," ostrogorsky," klew1tz,53
Hampe,54 Baethgen55 und Ohnsorge56 betonen die Bedeutung des Caesar-Titels, Jordan57
und andere setzen Fragezeichen, entschieden sich gegen jede staatsrechtliche Bedeu-
tung, spricht sich H. Kauffmann in seinem 1933 erschienenen Buch ,Die italienische Poli-
tik Friedrichs I. nach dem Frieden von Konstanz 1183 - 1189'58 ebenso aus.
Seinen Argumenten kann nicht gefolgt werden. Kauffmanns argumentum e silentio
der Kirche, sprich Urbans III., ist, nach dem oben zur Einstellung Urbans Gesagten,
kaum relevant. Ebenso steht es mit dem Einwand, daß nirgends eine offizielle Titula-
turänderung zu ersehen sei, wobei Kauffmann zugibt, daß seit 1186 zwar die allein dem
Kaiser zustehende altrömische Formel des ,et Semper augustus' auftrete5' - allerdings mit
dem wieder einschränkenden Bemerken, das ,läßt sich vielleicht (!) aus der Erwartung
der Krönung erklären'.60
Abgesehen davon daß, nach meiner Ansicht, vor einer einwandfreien Bearbeitung
und Edition der Urkunden sowohl Friedrichs I. wie Heinrichs VI., derartige Titulaturfra-
gen recht fragwürdig bleiben, ja fast müßig sind, haben wir für die Tatsache der Erhe-
bung und ihrer Bedeutung eindeutige Quellenzeugnisse. Daran ist nicht zu rütteln und
die Beweislast ist dem aufzubürden, der diesen primären Zeugnissen gegenüber die ne-
gatorische Einrede vorbringt.
Davon abgesehen aber zwingt, wie wir oben gezeigt haben, der geschichtliche Au-
genblick den Kaiser geradezu zu einer Reaktion. Diese Reaktion konnte aber, wenn die
bisherigen gescheiterten Bemühungen um die Kaiserkrönung des Thronfolgers bei der
Kurie sich in herkömmlichen Bahnen bewegten, nur außerhalb dieser kurialen Tradition
erfolgen. Außerhalb dieser, aber keinesfalls außerhalb jeder Tradition. Diese andere Tra-
dition mußte kenntlich gemacht werden, damit sie als solche, eventuell sogar als ältere,
bessere, erkannt wurde.61 Und sie wurde da erkannt, wo man diese Zusammenhänge
überblicken konnte. Daß die Zusammenhänge nicht allenthalben erkannt wurden, mag
daran liegen, daß ja, realiter, eine Funktionsveränderung nicht eintrat. Auch dieses Mo-
ment fällt daher nicht sonderlich ins Gewicht. Was aber bedeutet dann diese Mailänder
Ernennung Heinrichs zum Caesar? Friedrich I. greift auf die Anschauungen der Legisten
und Kanonisten zurück und deklariert seinen Sohn und Erben in der Herrschaft zum
Mitherrscher, womit er ,den imperialen Charakter des Romanorum rex et Semper augustus
ausdrücklich festlegte'.67
Es handelt sich also bei dem Akt vom 27. Januar 1186 um eine Sicherung des imperia-
len Anspruchs und der imperialen Herrschaft die auf das erbrechtliche altrömische Insti-
tut der ,Mitherrschaft'a zurückgriff - ein Institut, das in Byzanz immer in Übung war. Wir
besitzen auch Belege dafür, daß sich, außer Friedrich, auch Zeitgenossen der rechtlichen
Konsequenzen dieser Herrschaftsform bewußt waren. Indem dieses Mit-Herrschen ge-
nau beobachtet wurde und auch hierin den Beispielen römischer Antike und Byzanz ge-
folgt wurde, ergab sich diese Mitregentschaft, sowohl de iure als auch de facto, als erbli-
che Sicherung der Herrschaft mit weit stärkerem Rechtstitel, als es die schiere Königs-
wahl gewesen wäre. Hierin scheint nun tatsächlich die Novität der in der Caesar-Dekla-
ration von 1186 konvergierenden Dinge zu liegen, daß aus dem theoretisch, seit je auch
aus dem römischen Recht bekannten ius hereditarium", jetzt praktische Konsequenzen
gezogen wurden, die das imperium Romanum als Erbreich de facto erscheinen lassen,
was es de iure anerkannterweise noch immer nicht war. Für diese Sicht der Dinge haben
68
wir einen in der Literatur bisher leider übersehenen Kronzeugen: Innozenz III.65 In seiner
Ansprache an die Kardinäle anläßlich der Konsistorialberatung ,super facto imperii de tri-
bus electis' an der Jahreswende 1200/1201 führt er aus:presertim cum non solum Frederi-
cus substituerit sibifilium, sed Henr(icus) etiam filium sibi voluerit subrogare, et per hoc
forsan in posterum abusio traheretur in usum.m Und wenig später schreibt Innozenz an die
deutschen Fürsten: ,Nam ut cetera taceamus, hoc solum quaod vobis in substitutione im-
peratoris eligendi voluerunt adhimere facultatem, libertati et honori vestro non modi-
cum derogarunt. Undesi,sicut olim patri filius, sie nunc immediatesuccederetfraterfratri,
videretur imperium ei non ex election conferri, sed ex successione deberi.'67
Nun ist zwar die Absicht dieser Ausführungen des Papstes klar und durchsichtig
und insbesondere sein Appell an die libertas und den honor68 der deutschen Fürsten als
captatio benevolentiae beabsichtigt. Allein: schlechterdings ,gelogen' kann Innozenz we-
der hier noch gar im Kardinalskonsistorium haben. Wenn er also beide Male behauptete,
daß infolge ,abusio', wie er es nennt, vom Wahlprinzip abgegangen worden sei bzw. die
Absicht bestanden habe, so ist das ein Tatbestand, der, wäre er unwahr gewesen, als Ar-
gument weder bei den deutschen Fürsten noch bei den Kardinälen im mindesten verfan-
gen hätte. Wozu also? Diese Überlegung scheint den vorgetragenen Sachverhalt zu er-
härten.
Dabei drückt sich Innozenz naturgemäß in der Deliberatio vor den Kardinälen klarer
und präziser aus, und es lohnt, den Wortlaut genau zu betrachten:presertim cum non
solum Fredericus substituerit sibifilium, sed Henr(icus) etiam filium sibi voluerit subrogare
Die beiden Satzglieder sind durch die Kopula ,non solum - sed etiam' verbunden. Das
bedeutet, daß die Aussage der einen Satzhälfte inhaltlich mit der der anderen gleich ist,
mit anderen Worten, daß ,substituere' und ,subrogare' dasselbe bedeuten sollen. Beides
soll nach Innozenz aber eine abusio, ein Mißbrauch sein.
Es leuchtet ein, daß es auf die Bedeutung der beiden Verben substituere und subrogare
ankommt.69 Wie Ernst Kantorowicz in anderem Zusammenhang nachgewiesen hat,70
handelt es sich um juristische termini technici des römischen Rechts, die die Substitution
zum Prinzip der Dauer (,dignitas non moritur') fictione iuris machen.
Erhärtet wurde diese, von allem Anfang aufs engste mit dem Erbrecht und damit
auch mit dem dynastischen Thronfolgerecht verquickte, Idee durch die Grundlagen der
continuatio dominii Dig. 28, 2,11 ,...füü ... etiam vivo patre quodammodo domini existiman-
tur' oder Cod. 6, 26,11: ,Natura paler et filius unum fictione iuris sunt.'n Man könnte mit
Kantorowicz die Reihe der Aussagen und Glossen zu ,substituere' fortsetzen - es bleibt:
die von Innozenz III. vor den Kardinälen gebrauchten Begriffe sind termini technici des
römischen Erbrechts, durch die er fixiert, daß das, was - ja unbestritten - Heinrich VI. für
seinen Sohn Friedrich II. mit seinem Erbreichsplan von 1196 versuchte72 (auch hier
drückt sich Innozenz ja korrektest aus) (,voluerit subrogare'), Kaiser Friedrich I. hinsicht-
lich seines Sohnes Heinrich VI. tatsächlich vollzogen hat (,substituerit sibi filium'). Frie-
drich I. hat also laut Innozenz III. seinen Sohn als Nachfolger eingesetzt. An dieser Aussa-
ge ist auch nicht mit dem Einwand zu deuteln, daß Innozenz substituere und subrogare im
allgemeinen Sinn, nicht im juristisch strengen gebraucht habe, da sich diese Auslegung
vom zweiten Teil des Satzes her aus syntaktischen Gründen verbietet wie aus Gründen,
die in der Person Innozenz' liegen, der ja einst beim hervorragendsten Kenner der Mate-
rie und angesehensten Lehrer der Rechte, Huguccio von Pisa,73 dem späteren Bischof von
Ferrara, in eben der Zeit in Bologna studiert hatte,74 in der Huguccio seine Summe zum
Decretum Gratiani verfaßte. Nicht umsonst auch werden des Papstes ausgezeichnete
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