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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 3): Stauferzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15265#0016

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Wer war Kaiser Friedrich I. Barbarossa?

Bei meinen Arbeiten über den Barbarossa-Enkel, Kaiser Friedrich IL, mit dem ich
mich seit mehr als 40 Jahren beschäftigte1, ,tauchte' auch immer wieder der Großvater
auf, wenngleich meine eigenen eigentlichen Forschungen über Kaiser Friedrich I. Barba-
rossa schon etwa zwei Jahrzehnte zurückliegen. Meine Schüler-Erinnerungen, aus Ge-
schichtsunterricht und Elternhaus, an Friedrich Barbarossa sind zwiespältig: Ludwig
Uhlands Gedicht,Schwäbische Kunde'2, Friedrich Rückerts Gedicht von 18173 ,Der alte
Barbarossa, der Kaiser Friederich', der ,Erlöserkaiser im Kyffhäuser'4 (eine Sage, die ja
ursprünglich nach 1250 am Enkel haftete), Barbarossa als ,Ritter'5 (was immer das undif-
ferenziert für einen Schüler bedeutete, was aber etwas mit ,Ehre" zu tun haben mochte),
Ambivalenz, vor allem als Antipode des vom damaligen Regime bevorzugten7 Heinrich
des Löwen8 - da platzte, bald nach Kriegsende, die Äußerung eines aus der Schweiz
stammenden und Jakob Burckhardt verpflichteten Geschichtslehrers am Gymnasium
hinein: ,Es ist für unsere Kultur doch völlig ,wurscht', ob Barbarossa im Saleph ertrunken
ist oder im Rotwein.'

Hinzu kam das wachsende Bewußtsein, daß im Juni 1941 der Rußlandfeldzug als
,Kreuzzug' nicht zufällig den Decknamen ,Barbarossa' trug'.

All' das war dann für den jungen Studenten der Geschichte kaum dazu angetan, Be-
geisterung für die Beschäftigung mit Friedrich Barbarossa zu wecken, zumal er schon im
Proseminar feststellen mußte, daß zwar aus der Zeit vor dem I. Weltkrieg (1908) von
Henry v. Simonsfeld die Jahrbücher Friedrichs I.10 teilweise vorlagen (qualitativ nicht die
besten der Reihe!), daß aber weder eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Neu-
ausgabe der Regesten Böhmers" vorlag (die 1. Lieferung (- 1158) erschien erst 1980 -
Böhmer-Oppl RIIV, 2 der 2. Teilband (- 1167/68)12 steht vor dem Abschluß), noch gar
eine wissenschaftliche Ausgabe der Diplomata Friedrichs I. (erschienen erst 1975, 1979,
1985 und der 4. Band (1181 -1190) vor wenigen Monaten 1990, herausgegeben von Hein-
rich appelt/Wien)13.

So blieb denn Friedrich Barbarossa lange außerhalb meines Gesichtskreises.

1956 erschien meine Dissertation ,Ein unveröffentlichtes Testament Kaiser Friedrichs
II. - Versuch einer Edition und Interpretation' im Druck". Bei dieser Arbeit war mir auf-
gefallen, daß Friedrich II. 1250 über sein Reich testamentarisch, wie über ein Erbreich,
verfügte und schon 1228 in Barletta15 verfügt hatte.

Wo hatte nun dieser ,Staufische Erbreichsgedanke' seine Wurzeln?

Der Versuch Heinrichs VI. vom Februar/März 1196 mit seinem ,Erbreichsplan'16 war
gescheitert. Aber die Ansprache Papst Innozenz' III. in der Konsistorialberatung superfac-
to imperii de tribus electis an der Jahreswende 1200/120117 bot Anhalt dafür, daß schon
Friedrich Barbarossa substituerit sibißlium, d. h. daß schon Friedrich I., durch die Krö-
nung seines Sohnes Heinrich VI. zum Caesar am 27. Januar 118618, den Erbgedanken

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