133 Vehse, a. a. O. (Anm. 69), S. 189; F. Meinecke, Die Idee der Staatsraison, München-Berlin
1924, S. 34; Schaller, a. a. O. (Anm. 79), S. 9ff.; Brackmann, in: Stupor mundi, a. a. O.
(Anm. 69), S. 181; G. Post, in: Welt als Geschichte 21,1961, S. 22f.
134 Zu Dantes Staatsauffassung unter vielen anderen: M. Seidlmayer, Dantes Reichs- und
Staatsidee, Heidelberg 1902. H. Meyer, Geschichte der abendländischen Weltanschauung,
Würzburg 1947 - 50, Bd. 3, S. 241ff.
135 Dante, De monarchia I, 14: ,Sed sie intetegendum est, ut humanum genus secundum sua
communio que omnibus competunt, ab eo (unus supremus prineeps) regatur et communi
regula gubernatur ad pacem'. Vgl. auch G. Ladner, Das heilige Reich des mittelalterlichen
Westens, in: Welt als Geschichte 11,1951, S. 150. Schon bei Joh. v. Salisbury (Pol. IV, 1; IV,
25) finden sich ähnliche Gedanken. Vgl. auch Pseudo-Thomas: De eruditione prineipis I, 2,
Gilbert von Tournay, Thomas von Aquin: de reg. princ. I, 2 und später bei Machiavelli: Dis-
corsi III, 1 und 1,1, Principe c. 13.
136 Vgl. den anschließenden Vortrag von W. MOHR in Miscellanea mediaevalis V, 1968 über
Alexander von Roes. Aber auch z. B. bei Engelbert von Admont und anderen finden sich
diese Vorstellungen. Vgl. aber auch Vilko Miitemaa, Der Kaiser und die Nordische Union
bis zu den Burgunderkriegen, in: Ann. Acad. Scient. Fenniae, Bd. 116, Helsinki i960, der
nachweist, daß auch noch Karl IV. und Friedrich III. auf Grund der universalistischen Kai-
seridee in nordische Verhältnisse eingriffen, wenngleich kaum noch mit realer Anerken-
nung.
137 Ilias II, 204.
138 Dazu Kantorowicz, Zu den Rechtsgrundlagen der Kaisersage, in: DA 13, 1956, S. 115ff.,
bes. 127, abgedruckt in Stupor mundi, a. a. O. (Anm. 69), S. 482ff.; R. M. Kloos, Ein Brief
des Petrus de Prece zum Tode Friedrichs IL, ebda., S. 525ff.; N. Cohn: Kaiser Friedrich II.
als Messias, ebda., S. 617ff.
139 Viele Einzelnachweise mußten hier unerwähnt bleiben, wie auch die Literaturnachweise
keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Auch soll vorstehender Vortrag nicht etwa
schon die notwendige Auseinandersetzung mit den Arbeiten von Löwe und Werner lei-
sten, sondern nur als Anregung zur Beachtung des konkreten legistischen Einflusses auf
die Staatsauffassung Friedrichs II. verstanden werden. Dazu bedurfte es allerdings einer,
angesichts des Stoffumfanges jedoch etwas umfangreichen, Skizzierung der Vorgeschichte
unseres Themas.
182
Kaiser Friedrich II. und die Juden
Ein Beispiel für den Einfluß der Juden
auf die mittelalterliche Geistesgeschichte
Wenn vom Verhältnis Christentum-Mehrheit und Judentum-Minderheit im europäi-
schen Mittelalter die Rede ist, so wird man auf den Begriff der Toleranz gestoßen. Echte
Toleranz aber bedeutet nicht nur ein bloßes passives Hinnehmen, ein In-Ruhe-lassen,
sondern eine aktive geistige Auseinandersetzung, die sich zu gegenseitiger Achtung
verdichtet1.
Welcher Mann aber wäre dabei im Zusammenhang des Gesamtthemas mit größerem
Recht zu nennen als der, dem eine intolerante Umwelt seine Toleranz geradezu zum
Vorwurf gemacht hat: der Stauferkaiser Friedrich II.
Die Begegnung Friedrichs II. mit Juden2 findet auf zwei Ebenen statt: der rechtlich-
alltäglichen, wo die Juden Untertanen besonderer Art sind und so gesehen werden, zum
anderen auf der geistig-religiösen Ebene, auf der allein der Kaiser den Juden wirklich
,begegnet'3. Sie soll uns darum auch in unserer Skizze vorzüglich beschäftigen.
Während im übrigen Europa, unter dem Einfluß auch des germanischen Rechts/
eine immer stärkere Entfremdung zwischen der christlichen Mehrheit und der jüdi-
schen Minderheit spürbar wird, trifft dies für Sizilien, dem ,SchmelztiegeI' der Kulturen,
so niemals zu.
Hatte schon ihr Glaube und sein Ausschließlichkeitsanspruch den Juden im Imperi-
um Romanum eine Sonderstellung gegeben15, so anerkannte das römische Recht auch
seinerseits diese Stellung4. Erst als der christliche Ausschließlichkeitsanspruch dem ent-
gegentrat7, mußte es, motiviert mit dem Verschulden der Juden am Geschehen auf Gol-
gatha, zu einer Auseinandersetzung kommen6, deren politischer Ausgang, schon ange-
sichts der Zahlen- und Machtverhältnisse, nicht zweifelhaft war.
Freilich wäre es falsch, diesem ,Glaubens- oder Kreuzzugsmotiv' allein die fatale
Entwicklung des christlich-jüdischen Verhältnisses zuschreiben zu wollen'. Mindestens
dieselbe Rolle spielten andere Beweggründe: etwa das ,Zersetzungsmotiv', die biswei-
len nicht unbegründete Angst vor jüdischer Mission10, das ,Plünderungsmotiv', das
durch relative Anhäufung beweglicher Habe zu Übergriffen verlockte, vor allem aber
und alle anderen Motive umgreifend, wirkte das Moment des Andersseins', das die Ju-
den dem sie umgebenden corpus Christianum als fremd erscheinen ließ, als fremd in Ri-
ten und Gebräuchen, in Gemeindeaufbau, Sprache, in ihrer angeblichen Christusfeind-
schaft11. Religiöse und bürgerliche Absonderung, von den Talmudisten strenger Obser-
vanz begrüßt oder doch bejaht im Gedanken an die eigene exklusive Auserwählung, ta-
ten ein übriges.
Anders lagen die Dinge seit alters in Sizilien12, wo auf dem,Marktplatz' dreier Konti-
nente im 11. Jahrhundert der erste eigentliche Staat des Mittelalters entstand, in dem
sich auf die Dauer auch Religionen und Rassen einander nicht fremd bleiben konnten.
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1924, S. 34; Schaller, a. a. O. (Anm. 79), S. 9ff.; Brackmann, in: Stupor mundi, a. a. O.
(Anm. 69), S. 181; G. Post, in: Welt als Geschichte 21,1961, S. 22f.
134 Zu Dantes Staatsauffassung unter vielen anderen: M. Seidlmayer, Dantes Reichs- und
Staatsidee, Heidelberg 1902. H. Meyer, Geschichte der abendländischen Weltanschauung,
Würzburg 1947 - 50, Bd. 3, S. 241ff.
135 Dante, De monarchia I, 14: ,Sed sie intetegendum est, ut humanum genus secundum sua
communio que omnibus competunt, ab eo (unus supremus prineeps) regatur et communi
regula gubernatur ad pacem'. Vgl. auch G. Ladner, Das heilige Reich des mittelalterlichen
Westens, in: Welt als Geschichte 11,1951, S. 150. Schon bei Joh. v. Salisbury (Pol. IV, 1; IV,
25) finden sich ähnliche Gedanken. Vgl. auch Pseudo-Thomas: De eruditione prineipis I, 2,
Gilbert von Tournay, Thomas von Aquin: de reg. princ. I, 2 und später bei Machiavelli: Dis-
corsi III, 1 und 1,1, Principe c. 13.
136 Vgl. den anschließenden Vortrag von W. MOHR in Miscellanea mediaevalis V, 1968 über
Alexander von Roes. Aber auch z. B. bei Engelbert von Admont und anderen finden sich
diese Vorstellungen. Vgl. aber auch Vilko Miitemaa, Der Kaiser und die Nordische Union
bis zu den Burgunderkriegen, in: Ann. Acad. Scient. Fenniae, Bd. 116, Helsinki i960, der
nachweist, daß auch noch Karl IV. und Friedrich III. auf Grund der universalistischen Kai-
seridee in nordische Verhältnisse eingriffen, wenngleich kaum noch mit realer Anerken-
nung.
137 Ilias II, 204.
138 Dazu Kantorowicz, Zu den Rechtsgrundlagen der Kaisersage, in: DA 13, 1956, S. 115ff.,
bes. 127, abgedruckt in Stupor mundi, a. a. O. (Anm. 69), S. 482ff.; R. M. Kloos, Ein Brief
des Petrus de Prece zum Tode Friedrichs IL, ebda., S. 525ff.; N. Cohn: Kaiser Friedrich II.
als Messias, ebda., S. 617ff.
139 Viele Einzelnachweise mußten hier unerwähnt bleiben, wie auch die Literaturnachweise
keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Auch soll vorstehender Vortrag nicht etwa
schon die notwendige Auseinandersetzung mit den Arbeiten von Löwe und Werner lei-
sten, sondern nur als Anregung zur Beachtung des konkreten legistischen Einflusses auf
die Staatsauffassung Friedrichs II. verstanden werden. Dazu bedurfte es allerdings einer,
angesichts des Stoffumfanges jedoch etwas umfangreichen, Skizzierung der Vorgeschichte
unseres Themas.
182
Kaiser Friedrich II. und die Juden
Ein Beispiel für den Einfluß der Juden
auf die mittelalterliche Geistesgeschichte
Wenn vom Verhältnis Christentum-Mehrheit und Judentum-Minderheit im europäi-
schen Mittelalter die Rede ist, so wird man auf den Begriff der Toleranz gestoßen. Echte
Toleranz aber bedeutet nicht nur ein bloßes passives Hinnehmen, ein In-Ruhe-lassen,
sondern eine aktive geistige Auseinandersetzung, die sich zu gegenseitiger Achtung
verdichtet1.
Welcher Mann aber wäre dabei im Zusammenhang des Gesamtthemas mit größerem
Recht zu nennen als der, dem eine intolerante Umwelt seine Toleranz geradezu zum
Vorwurf gemacht hat: der Stauferkaiser Friedrich II.
Die Begegnung Friedrichs II. mit Juden2 findet auf zwei Ebenen statt: der rechtlich-
alltäglichen, wo die Juden Untertanen besonderer Art sind und so gesehen werden, zum
anderen auf der geistig-religiösen Ebene, auf der allein der Kaiser den Juden wirklich
,begegnet'3. Sie soll uns darum auch in unserer Skizze vorzüglich beschäftigen.
Während im übrigen Europa, unter dem Einfluß auch des germanischen Rechts/
eine immer stärkere Entfremdung zwischen der christlichen Mehrheit und der jüdi-
schen Minderheit spürbar wird, trifft dies für Sizilien, dem ,SchmelztiegeI' der Kulturen,
so niemals zu.
Hatte schon ihr Glaube und sein Ausschließlichkeitsanspruch den Juden im Imperi-
um Romanum eine Sonderstellung gegeben15, so anerkannte das römische Recht auch
seinerseits diese Stellung4. Erst als der christliche Ausschließlichkeitsanspruch dem ent-
gegentrat7, mußte es, motiviert mit dem Verschulden der Juden am Geschehen auf Gol-
gatha, zu einer Auseinandersetzung kommen6, deren politischer Ausgang, schon ange-
sichts der Zahlen- und Machtverhältnisse, nicht zweifelhaft war.
Freilich wäre es falsch, diesem ,Glaubens- oder Kreuzzugsmotiv' allein die fatale
Entwicklung des christlich-jüdischen Verhältnisses zuschreiben zu wollen'. Mindestens
dieselbe Rolle spielten andere Beweggründe: etwa das ,Zersetzungsmotiv', die biswei-
len nicht unbegründete Angst vor jüdischer Mission10, das ,Plünderungsmotiv', das
durch relative Anhäufung beweglicher Habe zu Übergriffen verlockte, vor allem aber
und alle anderen Motive umgreifend, wirkte das Moment des Andersseins', das die Ju-
den dem sie umgebenden corpus Christianum als fremd erscheinen ließ, als fremd in Ri-
ten und Gebräuchen, in Gemeindeaufbau, Sprache, in ihrer angeblichen Christusfeind-
schaft11. Religiöse und bürgerliche Absonderung, von den Talmudisten strenger Obser-
vanz begrüßt oder doch bejaht im Gedanken an die eigene exklusive Auserwählung, ta-
ten ein übriges.
Anders lagen die Dinge seit alters in Sizilien12, wo auf dem,Marktplatz' dreier Konti-
nente im 11. Jahrhundert der erste eigentliche Staat des Mittelalters entstand, in dem
sich auf die Dauer auch Religionen und Rassen einander nicht fremd bleiben konnten.
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