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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 3): Stauferzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15265#0060

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Die Anfänge
des sogenannten ,Konziliarismus'
als Indiz eines Bewußtseinswandels
zur Zeit Kaiser Friedrichs II.

Selten schlägt das Erkenntnisinteresse bei einer Thematik derart durch wie bei der Be-
trachtung des sogenannten konziliarismus'. Dabei habe ich absichtlich den Begriff so-
genannter >Konziliarismus<' gewählt, weil, eben bestimmt durch die Verschiedenheit des
Erkenntnisinteresses, der Begriff des ,Konziliarismus' zum Teil recht verschwommen
ist1, reichend von der im Grunde ununterbrochenen Tradition großer (ökumenischer?)
Kirchenversammlungen bis hin zu Vorstellungen von einer Art Appellationsgerichtshof
der Kirche oberhalb der papalen Spitze, die sich mit dem Namen der Konzilien in Kon-
stanz und Basel (1414 - 18 und 1431 - 49) verbindet. Dabei ist vorweg festzuhalten, daß
wir uns den Blick vom apologetischen Interesse des kurialen oder papalen Standpunkts
nicht trüben lassen wollen, der aufgrund von Matthäus 16,182 und der dieser Bibelstelle
imputierten Tradition nur die hierarchisch-monastische Ordnung der Kirche in der Welt
bejaht, alles andere als ,Irrtum' brandmarkt und eben auch durch diese Verweisung in
die ,Ketzerecke' die Erforschung der Anfänge des Konziliarismus belastet. Genausowe-
nig aber kann es angehen, um einer heutigen Demokratie-Euphorie willen, unter diesem
Erkenntnisinteresse alles zu sehen, auch geistige Strömungen längst vergangener Jahr-
hunderte. Auch sollen nicht die bekannten ökumenischen Konzilien der Alten Kirche3,
noch die Extrem-Standpunkte auf den Konzilien von Konstanz und Basel Gegenstand
unserer Betrachtung sein. Damit engt sich unsere Problematik auf jenes Mittelfeld theo-
logisch-juristischer Mischargumentation ein, die in ihrer Entwicklung4 am ehesten etwas
über den Zeitgeist des Mittelalters auszusagen scheint.

Wir sind gewohnt, prima vista, das Papsttum ex post als eine universale Größe von
Anfang an zu sehen, ohne die notwendige Differenzierung und ihre Entwicklung. Doch
gab es - sieht man einmal von den ersten drei Jahrhunderten durchaus fragwürdiger
episkopaler Tradition ab - noch bis an die Schwelle des Mittelalters und darüber hinaus
viele ,Väter', papae, in Stellung und Titulatur5. Was den römischen Bischof freilich aus
dem Kreis der ,Väter' heraushob, war weit weniger die subsidiäre, wie ich es sehe, Pe-
trus-Tradition und Sukzession (die viel eher schon eine Pauls- oder zumindest Peter-
Pauls-Tradition sein müßte), als vor allem die Qualität seiner Residenz in der alten Welt-
hauptstadt Rom. Nicht umsonst sind es später die pseudoisidorischen Fälschungen, die
im Mittelalter, unter Hinweis auf die Überlassung Roms durch Kaiser Konstantin an
Papst Silvester I., realiter Ansprüche begründen halfen.6

Bis heute ist die Rom-Tradition eine konstitutive Grundlage des Papsttums. Das ist
das eine. Das andere: das (westliche) Papsttum, als Spitze der kirchlichen Hierarchie

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