IV. Die Rechtsgeschichte, auch nur am Rande, berührt der letzte große Aufsatz des
hervorragenden Urkundenkenners der Zeit Friedrichs: Paul Zinsmaier, Beiträge zur Di-
plomatik der Urkunden Friedrichs IL, DA 41, Böhlau, Köln-Wien 1985, S. 101 - 74, den er
uns als Vermächtnis hinterließ. In ihm werden die Fälschungen auf Friedrichs Namen in
deutschen und italienischen Archiven, als Nachtrag gewissermaßen zu den Regesta im-
perii V (1983), ausführlich als solche begründet und nachgewiesen, daß die meisten die-
ser Stücke noch im 13. Jhdt. entstanden sind.
V. Erwähnt sei auch noch die 1986 erschienene 3. (gegenüber der 2. Aufl. von 1982
unveränderte) Auflage des 101. Wege-der-Forschung-Bandes, Wiss. Buchgesellschaft,
Darmstadt, 557 S.,,Stupor mundi', hrsg. v. Gunther Wolf, enthaltend die rechtshisto-
risch relevanten Aufsätze von E. klingelhöfer, Die Reichsgesetze von 1220, 1231/32
und 1235. Ihr Werden und ihre Wirkung im deutschen Staat Friedrichs II. (1955), und
von Brian Tierney, Die konziliare Theorie am Hofe Kaiser Friedrichs II. (1955), sowie von
Ernst und Otto Schönbauer: Die Imperiumspolitik Kaiser Friedrichs II. in rechtsge-
schichtlicher Betrachtung (1959).
VI. Rechtsgeschichtlich von besonderer Bedeutung sind zwei kürzlich erschienene
Aufsätze: G. Tabacco, Impero e Regno meridionale (S. 13 - 48), in: Potere, societä e po-
pulo tra etä normanna ed stä sveva (1189 - 1220). Atti delle quinte giornate normanno-
sveva. Bari-Conversano, 26 - 28 Ott 1981 - Centro di studi normanno-svevi. Universitä
degli studi di Bari. Atti 5 - Bari 1983, 261 S. Tabacco vertritt eine neue Interpretation, in-
dem er das antiquum ius imperii auf das Sizilische Königreich einmal aus dem universa-
len Anspruch des Kaisertums, zum anderen aber aus der Nachfolge Karls d. Großen als
rex Langobardorum abzuleiten versucht. Damit berührt er ein zweifellos noch weithin un-
geklärtes Gebiet, da wir über die mittelalterlichen Auswirkungen und die Rechtsqua-
lität des regnum Langobardorum recht wenig wissen, etwa welche Bedeutung die Krö-
nung mit der Eisernen Krone hatte, deren Relevanz sicher größer war, als bisher ange-
nommen.
VII. Der andere, rechtshistorisch einschlägige, Aufsatz erschien in der Rom. Abt. die-
ser Zs. (102,1985, S. 327 - 343): Gunther Wolf, Kaiser Friedrich II. und das Recht, in dem
Friedrichs Stellung zum Recht als dominus und minister, seine Stellung zur necessitas und
sein Weg zur Heiligkeit des Imperiums, als Gegenstück zur Sancta Ecclesia dargelegt
werden.
VIII. Eine Mittelstellung zwischen wissenschaftlicher Monographie und historischer
Belletristik, zu der offenbar gerade Friedrich II. immer wieder reizt, nimmt Eberhard
Horsts Buch: Friedrich II. Der Staufer. Kaiser - Feldherr - Dichter, ein (Heyne, München
51986, 429 S.). Ein lesbar geschriebenes Buch für ein breiteres Publikum, versehen mit
Anmerkungen im Anhang und mit einer Auswahlbibliographie. Bedauerlich ist, daß die
Bibliographie seit der 1. Aufl. 1975 nicht auf den aktuellen Stand gebracht wurde.
IX. Am ehesten noch ein historischer, weil der Historie verpflichteter Roman: ,Ich bin
der Herr der Welt. Friedrich IL, der Staufer'. Eine Biographie des in Salerno geborenen,
den Mediterraneis zugewandten Reise- und Sachbuchautors Humbert Fink (List, Mün-
chen 1986, 320 S.). In diesem Buch ist viel Atmosphärisches eingefangen, vor allem im
normannisch-sizilischen Bereich, voller Anschaulichkeit vor allem die Passagen über die
Welt des Mittelmeeres. Freilich: Der Klappentextanspruch, der Autor wolle ,Licht ins
Dunkel eines spannungsreichen Jahrhunderts' bringen, ist sicher zu hoch gegriffen. In
der Diktion erinnert manche Passage an den Textband von Ernst Kantorowicz aus dem
Jahr 1929, freilich nur hinsichtlich der Diktion.
108
X. Aus seinem ,Roman der letzten Staufer: Zeit läßt steigen dich und stürzen' (Salzer,
Heilbronn !1986, 466 S.) hat Eberhard Cyran das wichtigste Kapitel,Begegnung in Bari'
als gesondertes Büchlein erscheinen lassen (ebda 1986, 87 S.). Es schildert die (erfundene)
Begegnung Kaiser Friedrichs II. mit Franziskus von Assisi (vgl. kantorowicz, S. 151f. u.
Ergbd. S. 63. Demnach war diese Begegnung anläßlich der beiden Aufenthalte Friedrichs
in Bari vor Franz' Tod, 1221 März und 1222 Dezember, nicht denkbar). Schon Kantoro-
wicz verwies darauf, daß, analog zu der schlüsselhaften Begegnung Alexanders d. Gr.
mit Diogenes, diese Begegnungslegende zwischen Friedrich und Franz - ähnlich wie
zwischen Franz und Innozenz III. - wohl aus der Erkenntnis der exemplarischen Antino-
mie heraus entstanden sei, zugleich mit der unterschwelligen Frage an die Geschichte:
Wer wohl ,bleibe' im Laufe der Zeiten. Die zu erkennende Gefahr bei Cyran ist sein
Hang zum Psychologisieren, ohne die historische Dimension ganz ein- oder auszuschal-
ten. So weiß der ,gemeine Leser' oft nicht, wo die Grenze zwischen Roman und Historie
verläuft.
XL Dies gilt weit mehr noch von dem letzten zu besprechenden Buch: Horst Stern,
Mann aus Apulien. Die privaten Papiere des italienischen Staufers Friedrich IL, römisch-
deutscher Kaiser, König von Sizilien und Jerusalem, Erster nach Gott, über die wahre
Natur der Menschen und Tiere, geschrieben 1245 - 1250 (Kindler, München 1986,480 S.).
Der pompöse ,Intitulatio-Titel' mit der ,historisch' anmutenden Angabe, als ob es sich
wirklich um Memoiren des Kaisers handele, die auch naturwissenschaftliche Experi-
mente beschreiben, wirkt frappierend. Mancher mag an eine neu entdeckte historische
Quelle denken. Der Journalist Stern ,entführt seine Leser mit großer - auch formaler -
Raffinesse in das politisch, philosophisch und naturwissenschaftlich in die Neuzeit auf-
brechende 13. Jahrhundert' (Klappentextzitat!). Als Stilmittel eines Romanciers ist das si-
cher erlaubt. Doch die auf S. 7 als authentisch vorgestellten Äußerungen Friedrichs ge-
hen da m. E. zu weit, indem sie die Grenzen verwischen. Friedrich wird in den Mund ge-
legt: ,So sehe ich den Sinn meines Schreibens: die Entledigung von Haut um Haut bis
zum Erscheinen des letzten, des wahren Leibes !' So ist denn auch eine geradezu sezie-
rende Experimentalsucht und psychologische Vivisektion der ,alternden staufischen
Schlange' (Zitat!) der Schwerpunkt des Buches. Weniger wäre da sicher mehr gewesen!
Das gilt vor allem auch für einige sexualistische Fäkalpassagen, die der Phantasie keinen
Raum mehr lassen. Ein sicher zunächst spannendes, aber leicht ermüdendes Buch, das
nicht wirklich über Friedrich informiert und den Nichtfachmann eher verwirrt.
Erstveröffentlichung in: ZRG GA 105/1988, S. 337 - 340.
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hervorragenden Urkundenkenners der Zeit Friedrichs: Paul Zinsmaier, Beiträge zur Di-
plomatik der Urkunden Friedrichs IL, DA 41, Böhlau, Köln-Wien 1985, S. 101 - 74, den er
uns als Vermächtnis hinterließ. In ihm werden die Fälschungen auf Friedrichs Namen in
deutschen und italienischen Archiven, als Nachtrag gewissermaßen zu den Regesta im-
perii V (1983), ausführlich als solche begründet und nachgewiesen, daß die meisten die-
ser Stücke noch im 13. Jhdt. entstanden sind.
V. Erwähnt sei auch noch die 1986 erschienene 3. (gegenüber der 2. Aufl. von 1982
unveränderte) Auflage des 101. Wege-der-Forschung-Bandes, Wiss. Buchgesellschaft,
Darmstadt, 557 S.,,Stupor mundi', hrsg. v. Gunther Wolf, enthaltend die rechtshisto-
risch relevanten Aufsätze von E. klingelhöfer, Die Reichsgesetze von 1220, 1231/32
und 1235. Ihr Werden und ihre Wirkung im deutschen Staat Friedrichs II. (1955), und
von Brian Tierney, Die konziliare Theorie am Hofe Kaiser Friedrichs II. (1955), sowie von
Ernst und Otto Schönbauer: Die Imperiumspolitik Kaiser Friedrichs II. in rechtsge-
schichtlicher Betrachtung (1959).
VI. Rechtsgeschichtlich von besonderer Bedeutung sind zwei kürzlich erschienene
Aufsätze: G. Tabacco, Impero e Regno meridionale (S. 13 - 48), in: Potere, societä e po-
pulo tra etä normanna ed stä sveva (1189 - 1220). Atti delle quinte giornate normanno-
sveva. Bari-Conversano, 26 - 28 Ott 1981 - Centro di studi normanno-svevi. Universitä
degli studi di Bari. Atti 5 - Bari 1983, 261 S. Tabacco vertritt eine neue Interpretation, in-
dem er das antiquum ius imperii auf das Sizilische Königreich einmal aus dem universa-
len Anspruch des Kaisertums, zum anderen aber aus der Nachfolge Karls d. Großen als
rex Langobardorum abzuleiten versucht. Damit berührt er ein zweifellos noch weithin un-
geklärtes Gebiet, da wir über die mittelalterlichen Auswirkungen und die Rechtsqua-
lität des regnum Langobardorum recht wenig wissen, etwa welche Bedeutung die Krö-
nung mit der Eisernen Krone hatte, deren Relevanz sicher größer war, als bisher ange-
nommen.
VII. Der andere, rechtshistorisch einschlägige, Aufsatz erschien in der Rom. Abt. die-
ser Zs. (102,1985, S. 327 - 343): Gunther Wolf, Kaiser Friedrich II. und das Recht, in dem
Friedrichs Stellung zum Recht als dominus und minister, seine Stellung zur necessitas und
sein Weg zur Heiligkeit des Imperiums, als Gegenstück zur Sancta Ecclesia dargelegt
werden.
VIII. Eine Mittelstellung zwischen wissenschaftlicher Monographie und historischer
Belletristik, zu der offenbar gerade Friedrich II. immer wieder reizt, nimmt Eberhard
Horsts Buch: Friedrich II. Der Staufer. Kaiser - Feldherr - Dichter, ein (Heyne, München
51986, 429 S.). Ein lesbar geschriebenes Buch für ein breiteres Publikum, versehen mit
Anmerkungen im Anhang und mit einer Auswahlbibliographie. Bedauerlich ist, daß die
Bibliographie seit der 1. Aufl. 1975 nicht auf den aktuellen Stand gebracht wurde.
IX. Am ehesten noch ein historischer, weil der Historie verpflichteter Roman: ,Ich bin
der Herr der Welt. Friedrich IL, der Staufer'. Eine Biographie des in Salerno geborenen,
den Mediterraneis zugewandten Reise- und Sachbuchautors Humbert Fink (List, Mün-
chen 1986, 320 S.). In diesem Buch ist viel Atmosphärisches eingefangen, vor allem im
normannisch-sizilischen Bereich, voller Anschaulichkeit vor allem die Passagen über die
Welt des Mittelmeeres. Freilich: Der Klappentextanspruch, der Autor wolle ,Licht ins
Dunkel eines spannungsreichen Jahrhunderts' bringen, ist sicher zu hoch gegriffen. In
der Diktion erinnert manche Passage an den Textband von Ernst Kantorowicz aus dem
Jahr 1929, freilich nur hinsichtlich der Diktion.
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X. Aus seinem ,Roman der letzten Staufer: Zeit läßt steigen dich und stürzen' (Salzer,
Heilbronn !1986, 466 S.) hat Eberhard Cyran das wichtigste Kapitel,Begegnung in Bari'
als gesondertes Büchlein erscheinen lassen (ebda 1986, 87 S.). Es schildert die (erfundene)
Begegnung Kaiser Friedrichs II. mit Franziskus von Assisi (vgl. kantorowicz, S. 151f. u.
Ergbd. S. 63. Demnach war diese Begegnung anläßlich der beiden Aufenthalte Friedrichs
in Bari vor Franz' Tod, 1221 März und 1222 Dezember, nicht denkbar). Schon Kantoro-
wicz verwies darauf, daß, analog zu der schlüsselhaften Begegnung Alexanders d. Gr.
mit Diogenes, diese Begegnungslegende zwischen Friedrich und Franz - ähnlich wie
zwischen Franz und Innozenz III. - wohl aus der Erkenntnis der exemplarischen Antino-
mie heraus entstanden sei, zugleich mit der unterschwelligen Frage an die Geschichte:
Wer wohl ,bleibe' im Laufe der Zeiten. Die zu erkennende Gefahr bei Cyran ist sein
Hang zum Psychologisieren, ohne die historische Dimension ganz ein- oder auszuschal-
ten. So weiß der ,gemeine Leser' oft nicht, wo die Grenze zwischen Roman und Historie
verläuft.
XL Dies gilt weit mehr noch von dem letzten zu besprechenden Buch: Horst Stern,
Mann aus Apulien. Die privaten Papiere des italienischen Staufers Friedrich IL, römisch-
deutscher Kaiser, König von Sizilien und Jerusalem, Erster nach Gott, über die wahre
Natur der Menschen und Tiere, geschrieben 1245 - 1250 (Kindler, München 1986,480 S.).
Der pompöse ,Intitulatio-Titel' mit der ,historisch' anmutenden Angabe, als ob es sich
wirklich um Memoiren des Kaisers handele, die auch naturwissenschaftliche Experi-
mente beschreiben, wirkt frappierend. Mancher mag an eine neu entdeckte historische
Quelle denken. Der Journalist Stern ,entführt seine Leser mit großer - auch formaler -
Raffinesse in das politisch, philosophisch und naturwissenschaftlich in die Neuzeit auf-
brechende 13. Jahrhundert' (Klappentextzitat!). Als Stilmittel eines Romanciers ist das si-
cher erlaubt. Doch die auf S. 7 als authentisch vorgestellten Äußerungen Friedrichs ge-
hen da m. E. zu weit, indem sie die Grenzen verwischen. Friedrich wird in den Mund ge-
legt: ,So sehe ich den Sinn meines Schreibens: die Entledigung von Haut um Haut bis
zum Erscheinen des letzten, des wahren Leibes !' So ist denn auch eine geradezu sezie-
rende Experimentalsucht und psychologische Vivisektion der ,alternden staufischen
Schlange' (Zitat!) der Schwerpunkt des Buches. Weniger wäre da sicher mehr gewesen!
Das gilt vor allem auch für einige sexualistische Fäkalpassagen, die der Phantasie keinen
Raum mehr lassen. Ein sicher zunächst spannendes, aber leicht ermüdendes Buch, das
nicht wirklich über Friedrich informiert und den Nichtfachmann eher verwirrt.
Erstveröffentlichung in: ZRG GA 105/1988, S. 337 - 340.
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