Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 3): Stauferzeit — Heidelberg, 1995

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.15265#0076
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Kaiser Friedrich II. und das Recht

Ein Staatsgebilde, das nicht Recht und Gerechtigkeit vertritt, ist kein echter Staat - es
gleicht einem Räuberhaufen.

Diese von Augustin vertretene Ansicht1 ist nicht neu. Sie findet sich, inhaltlich, schon
bei Cicero2 und vor ihm bei den Griechen3; nach Augustin wird sie immer wieder zitiert
und kommentiert4.

Nicht von ungefähr aber steht, seit eh und je, die Frage, die sich dahinter verbirgt, im
Mittelpunkt staatsrechtlicher Betrachtung. Es ist die Frage nach dem Verhältnis von Macht
und Recht, von Herrscher und Recht, von rex und lex5, insbesondere in der Antike.5'

Diese Frage war solange relativ leicht zu beantworten, wie der Herrscher selbst göttli-
cher Natur zu sein und also die Inkarnation des Rechts darzustellen schien. Ist die Gott-
heit - und nur als Vertreter der guten Gottheit erscheint ja im Normalfalle der eigene
Herrscher6 - nun selbst gerecht, so ergibt sich bei einer Identifizierung von Herrscher
und Gottheit, daß auch ersterer gerecht ist, sein Handeln als solches also richtig und
Recht. Recht ist das, was immer der Herrscher tut.7

Wenn aber diese Identifizierung von Gottheit und Herrscher entfällt, so stellt sich die
bislang latente Frage des Verhältnisses von Herrscher und Recht auch offen, da zwar die
Gottheit weiterhin rechtlich normativ Gerechtigkeit und Recht ist, der Herrscher aber
aus dieser Identität heraustritt. Schon in vorchristlicher Zeit ist also die Frage nach dem
Verhältnis von rex und lex relevant8.

Am Anfang unserer Quellen über den germanischen ,Staat' steht das taciteische Wort:

nec regibus infinita aut libera potestas'9, d. h.: die Amtsgewalt der Könige ist nicht
ohne Schranken und nicht absolut, sondern sie ist gebunden an die Beschlüsse der Volks-
versammlung und an das Recht10. Freilich: herausgewählt (,sumunt') von der Volksver-
sammlung wird der König aus dem Geschlecht, der ,stirps regia' (,ex nobilitate'), so daß
er seine Herrschaft aus zweifachem ,Rechtstitel' ableitet, aus Geblütsrecht und Weihe ei-
nerseits, aus der Wahl durch den ,populus' andererseits. Der König steht bei den Germa-
nen dann über der Gesamtheit, das Recht aber steht über ihm, er gebietet zwar Recht,
aber er findet es nicht, noch setzt er es. Der germanische Herrscher wahrt das Recht, er
schöpft es nicht neu11. Wo daher eine Rechtsweisung nicht ergehen konnte, weil Wahr-
heit und Recht verborgen waren, konnte nicht er um die letzte Entscheidung angegangen
werden, sondern nur die Gottheit selbst. Aber das Recht, dem der germanische Herr-
scher unterworfen war12, das der ,libertas' seiner ,potestas' ,fines' setzte, war nicht letzt-
lich ein positives Recht, im Sinne eines Gesetzes heutiger Art, das nur die Exekutive und
Jurisdiktion bindet, sondern ein ideales Recht, das göttliche und gute alte Recht, eben
schlechthin ,das' Recht als solches". So bedeutet, in den lateinischen Quellen bis ins 12.
Jahrhundert hinein, ,lex' ja auch nicht das Gesetz, sondern das Recht schlechthin1*.

143
 
Annotationen