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Woltmann, Alfred; Holbein, Hans [Ill.]
Holbein und seine Zeit (1. Band): Des Künstlers Familie, Leben und Schaffen — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.70660#0344
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DIE MEYER'SCHE MADONNA.

3°°
und von dem Verfaffer diefes Buches1) getheilt und zu begründen gefucht.
Aber die Kritik ging weiter und weiter, Holbein's englifcher Biograph
R. N. Wornum fprach feine Überzeugung dahin aus, das Dresdner Bild fei
eine fpätere Copie. Auch in der deutfchen Wiffenfchaft ging man bald fchärfer
vor2), und die Theilnahme weiterer Kreife an diefer Frage wurde immer leb-
hafter, feit das Darmftädter Gemälde im Jahre 1869 auf der Ausheilung
älterer Bilder in München vor ein gröfseres Publicum getreten war. Schon
jetzt ftand die Sache fo, dafs gegen die Originalität diefes Exemplars,
ja fogar gegen feine frühere Entftehung keine Einwendungen von berufener
Seite gemacht wurden; die Frage war nur noch: kann das Bild in Dres-
den ebenfalls von Holbein, wenigftens aus Holbein's Werkftatt herrühren
oder nicht? Im Jahre 1871 kam endlich die Holbein - Ausheilung in
Dresden zu Stande, welche den lang gehegten Wunfch, beide Bilder
nebeneinander zu ftellen, verwirklichte. Ihr Vergleich unter fich und mit
einer Anzahl geficherter Arbeiten des Künftlers brachte völlige Klarheit
in die Sache. Für Alle, welche wiffenfchaftlich auf dem Felde der Kunft-
gefchichte arbeiten 3), ergab fich — nicht mehr aus fubjectiver Empfindung,
fondern auf Grund fefter, objectiv erkennbarer Refultate — die Gewifs-
heit, Holbein fei nicht der Urheber des Dresdner Bildes, diefes fei viel-
mehr eine fpätere Copie von fremder Hand.
Nicht hihorifche Nachrichten über Gefchichte und Herkunft, deren
Unzulänglichkeit wir kennen gelernt, waren dabei beftimmend, fondern
leidglich die Prüfung der künftlerifchen Qualitäten. Man hatte Material
genug vor Augen, um fich einen klaren Begriff von Holbein's Malweife
zu verfchaffen. Eine Definition derfelben in Worten zu geben, ift nicht
leicht, aber auch das ift mit Glück verfucht worden, befonders von J. A.
Crowe, Schnaafe und A. von Zahn. Wir können nichts Befferes thun,
als die Worte des Letzteren, bei ihrer mufterhaften Faffung folgen zu
laffen.
»Aus den höchß meißerhaften Studienzeichnungen iß deutlich zu er-
kennen, dafs es den Künßler in erßer Linie interefßrte: die plaßifche
Form der Natur in feß umschriebenem Umrifs und deutlicher Modellirung

') Holbein und feine Zeit, Bd. I, 1866.

2) Für mich felbft flammt die Überzeugung, das Dresdner Gemälde fei nicht von Hol-
bein, von einer erneuerten Befichtigung deffelben im Sommer 1868.

3) Die einzige Ausnahme bildet Herr A. Janfen, der Verfaffer der verdienftvollen Biographie
von Soddoma, der in feiner kleinen Schrift »Die Ächtheit der Holbein'fchen Madonna in
Dresden« eben nicht von dem Vergleich der beglaubigten Werke des Künftlers ausging,
fonder vorzugsweife den Verfuch machte, aus den hiflorifchen Nachrichten ein dem Dresdner
Bilde günftiges Refultat zu gewinnen. Dafs fodann Herr Herman Grimm (Preufs. Jahrbücher,
Bd. XXVIII auch diesmal eine dem Urtheil der übrigen Kunfthiftoriker entgegengefetzte An-
ficht ausfprach, kann als eine beruhigende Gegenprobe gelten.
 
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