Die fpanifche Malerei im 16. Jahrhundert. 37
Uebrigens entfaltete die Malerei, wie die Dichtkunft der Spanier, ihre
fchönften und duftigften Blüthen erft feit dem beginnenden politifchen Verfall
der Nation erft feit dem Ende des fechzehnten Jahrhunderts, und gar erft das fieb-
zehnte Jahrhundert fah jene fpanifchen Dichtungen und Gemälde entfliehen, welche
zu den ewig gültigen Schätzen der Menfchheit gehören. Während der ganzen
Zeit der höchften flaatlichen Machtftellung Spaniens im fechzehnten Jahrhundert
rangen die fpanifche Dichtkunft und die fpanifche Malerei in formaler und
technifcher Beziehung mit ausländifchen Einflüffen, unter denen im Gegenfatze
zu den germanifchen, welche das fünfzehnte Jahrhundert beherrfcht hatten, jetzt
auch hier die italienifchen fiegreich in den Vordergrund traten. Infofern bietet T ,.Der .
Spanien, trotz der archaifirenden Strenge, die fich hier länger, als irgendwo Spanien,
anders behauptete, fogar fchon feit dem Beginn des Jahrhunderts das Bild einer
im Banne des Italismus gefangenen Kunftfprache, wie die übrigen Völker
Europas es erft feit der Mitte des Jahrhunderts zeigen. Aber die nahe Ver-
wandtfchaft der Spanier und Italiener, der gemeinfame romanifche Charakter ihrer
Cultur geftattete der fpanifchen Kunft, den Verfchmelzungsprozefs leichter,
ungezwungener und mit geringerer Einbufse nationaler Eigenthümlichkeiten
durchzumachen, als es bei den nordifchen Völkern der Fall war. Befonders auf-
fallend tritt das, wie es fich aus der grofsen Aehnlichkeit zwifchen der fpanifchen
und der italienifchen Sprache von felbft erklärt, in der Dichtkunft zu Tage,
welche fich in dem italienifchen Gewände, das Boscan (1490—1540), Garcilaso
(1503—1536) und Mendoza (1503—1575) ihr anzogen, bald fo leicht bewegte,
wie ihre italienifche Schwefter felbft; aber auch in den bildenden Künften und
befonders in der Malerei werden wir es bemerken. Dafs die fpanifche Malerei Diefpanifche
des fechzehnten Jahrhunderts trotzdem im Ganzen noch weniger erquicklich 16. jahrh.
wirkt, als die gleichzeitige niederländifche, liegt nur an der geringen Anzahl
wirklich bedeutender Talente, die Spanien vor der Hand hervorbrachte. Die
fpanifchen Meifter des fechzehnten Jahrhunderts werden eben nicht nur von den
Spaniern felbft, fondern auch von den wenigen Fremden, die aus eigener An-
fchauung über fie gefchrieben haben, überfchätzt, eine Auffaffung, die fchon
dadurch beftätigt wird, dafs unter den kunftfmnigen Herrfchern Karl V. und
Philipp II.1) faft ebenfo viele ausländifche Künftler, befonders eigens zu dem
Zweck berufene Italiener, in Spanien befchäftigt wurden, als geborene Spanier.
Es zeugt von einem feinen Gefchmacke diefer Herrfcher, dafs ihr ausgefprochener
Liebling Tizian war. Tizian felbft freilich betrat den fpanifchen Boden nicht; Tizian’s Ein-
aber feine Bilder hielten zu vielen Dutzenden ihren Einzug in Madrid und ge-
hören noch heute zu den gröfsten Schätzen diefer Stadt. Von feiner und der
Hand anderer grofsen Italiener fanden auch weltliche, mythologifche, felbft
lüfterne Scenen Gnade vor den Augen der ftrengen Monarchen, die den fpanifchen
Künftlern abfichtlich kaum Gelegenheit gaben, andere Bilder als Altarblätter
und Bildniffe zu malen; und wenn Tizian fich nicht herbeiliefs, felbft Madrid zu
befuchen, andere italienifche Meifter kamen in Scharen; und ihnen wurden faft Ausländifche
alle freieren, decorativeren und weltlicheren Aufgaben überlaffen. . ^paMen"
1) Ueber »Philipp II. als Kunftfreund« Carl Jußi in der Lützow’fchen Zeitfchrift XVI, S. 305 ff.
und S. 342 ff.
Uebrigens entfaltete die Malerei, wie die Dichtkunft der Spanier, ihre
fchönften und duftigften Blüthen erft feit dem beginnenden politifchen Verfall
der Nation erft feit dem Ende des fechzehnten Jahrhunderts, und gar erft das fieb-
zehnte Jahrhundert fah jene fpanifchen Dichtungen und Gemälde entfliehen, welche
zu den ewig gültigen Schätzen der Menfchheit gehören. Während der ganzen
Zeit der höchften flaatlichen Machtftellung Spaniens im fechzehnten Jahrhundert
rangen die fpanifche Dichtkunft und die fpanifche Malerei in formaler und
technifcher Beziehung mit ausländifchen Einflüffen, unter denen im Gegenfatze
zu den germanifchen, welche das fünfzehnte Jahrhundert beherrfcht hatten, jetzt
auch hier die italienifchen fiegreich in den Vordergrund traten. Infofern bietet T ,.Der .
Spanien, trotz der archaifirenden Strenge, die fich hier länger, als irgendwo Spanien,
anders behauptete, fogar fchon feit dem Beginn des Jahrhunderts das Bild einer
im Banne des Italismus gefangenen Kunftfprache, wie die übrigen Völker
Europas es erft feit der Mitte des Jahrhunderts zeigen. Aber die nahe Ver-
wandtfchaft der Spanier und Italiener, der gemeinfame romanifche Charakter ihrer
Cultur geftattete der fpanifchen Kunft, den Verfchmelzungsprozefs leichter,
ungezwungener und mit geringerer Einbufse nationaler Eigenthümlichkeiten
durchzumachen, als es bei den nordifchen Völkern der Fall war. Befonders auf-
fallend tritt das, wie es fich aus der grofsen Aehnlichkeit zwifchen der fpanifchen
und der italienifchen Sprache von felbft erklärt, in der Dichtkunft zu Tage,
welche fich in dem italienifchen Gewände, das Boscan (1490—1540), Garcilaso
(1503—1536) und Mendoza (1503—1575) ihr anzogen, bald fo leicht bewegte,
wie ihre italienifche Schwefter felbft; aber auch in den bildenden Künften und
befonders in der Malerei werden wir es bemerken. Dafs die fpanifche Malerei Diefpanifche
des fechzehnten Jahrhunderts trotzdem im Ganzen noch weniger erquicklich 16. jahrh.
wirkt, als die gleichzeitige niederländifche, liegt nur an der geringen Anzahl
wirklich bedeutender Talente, die Spanien vor der Hand hervorbrachte. Die
fpanifchen Meifter des fechzehnten Jahrhunderts werden eben nicht nur von den
Spaniern felbft, fondern auch von den wenigen Fremden, die aus eigener An-
fchauung über fie gefchrieben haben, überfchätzt, eine Auffaffung, die fchon
dadurch beftätigt wird, dafs unter den kunftfmnigen Herrfchern Karl V. und
Philipp II.1) faft ebenfo viele ausländifche Künftler, befonders eigens zu dem
Zweck berufene Italiener, in Spanien befchäftigt wurden, als geborene Spanier.
Es zeugt von einem feinen Gefchmacke diefer Herrfcher, dafs ihr ausgefprochener
Liebling Tizian war. Tizian felbft freilich betrat den fpanifchen Boden nicht; Tizian’s Ein-
aber feine Bilder hielten zu vielen Dutzenden ihren Einzug in Madrid und ge-
hören noch heute zu den gröfsten Schätzen diefer Stadt. Von feiner und der
Hand anderer grofsen Italiener fanden auch weltliche, mythologifche, felbft
lüfterne Scenen Gnade vor den Augen der ftrengen Monarchen, die den fpanifchen
Künftlern abfichtlich kaum Gelegenheit gaben, andere Bilder als Altarblätter
und Bildniffe zu malen; und wenn Tizian fich nicht herbeiliefs, felbft Madrid zu
befuchen, andere italienifche Meifter kamen in Scharen; und ihnen wurden faft Ausländifche
alle freieren, decorativeren und weltlicheren Aufgaben überlaffen. . ^paMen"
1) Ueber »Philipp II. als Kunftfreund« Carl Jußi in der Lützow’fchen Zeitfchrift XVI, S. 305 ff.
und S. 342 ff.