Vorbemerkungen.
113
Die freie und
die decora-
tive Malerei.
Die
fubjective
Auffassung.
Charakter
der
decorativen
Malerei.
Berechtigung und feine vergeiftigende Wirkung hat, wie der lineare Idealismus
Michelangelo’s. Die fubjective Auffaffung, welche fich während cliefes Zeit-
alters immer weiterer Kreife bemächtigt, zwingt unverfehens auch die einge-
fleifchteflen Anhänger einer realiftifchen Kunft, uns die Welt fo zu zeigen, wie
fie fich in ihrem eigenen Geifte eigenartig wiederfpiegelt, ihr alfo ein Stück
Geift von ihrem individuellen Geifte zu leihen und ihre Schöpfungen dadurch
unvermerkt in eine Sphäre geiftiger Anfchauung zu erheben. Uebrigens er-
zeugten gerade die Gegenfätze, welche das Zeitalter beherrfchten, jene willens-
ftarken Künftlerindividuen, denen es mit Bewufstfein hauptfächlich darum zu
thun war, ihrer fubjektiven Perfönlichkeit Geltung zu verfchaffen.
Allerdings kann fich eine folche Subjectivität in vollftem Mafse nur auf dem
Gebiete der ganz felbftändigen Malerei ausfprechen, der Malerei, welcher es bei
jedem Bilde nur auf die aus diefem felbft fich ergebenden Wirkungen ankommt,
vor allen Dingen der Cabinetsmalerei im Gegenfätze zur decorativen
Malerei, deren Wirkungen von vornherein durch beftimmte räumliche Bedingungen
gegeben und auf architektonifche Verhältniffe berechnet find. Jene feierte im
fiebzehnten Jahrhundert befonders in den realiftifchen Fächern, alfo in der
Porträtmalerei, im Sittenbild und in der einen Hälfte der Landfchaftsmalerei ihre
gröfsten Triumphe, diefe aber hatte fich zunächft den neuen Gefetzen der
barocken Architektur des Zeitalters zu fügen und erhielt dadurch von felbft
ein gutes Stück jenes Gepräges, welches ihr eigen ift. Monumental im ftrengen
Sinne der altitalienifchen Kunft ift die decorative Malerei nur feiten mehr. Die
Deckenmalerei fpielt eine wichtigere und eigenartigere Rolle, als die eigent-
liche Wandmalerei; und unter den Deckenmalereien erhielten, im Anfchlufs an
Correggios Kirchenkuppeln in Parma, vor allen Dingen die Kuppelgemälde,
die von Anfang an die Gefetze der ftrengeren Monumentalität zu umgehen ge-
fucht hatten, eine für das fiebzehnte Jahrhundert charakteriftifche Ausbildung
und Bedeutung. An den Wänden der Kirchen felbft aber wurden die Altäre Die Altäre,
jetzt immer zahlreicher, immer gröfser, immer reicher und üppiger. Von Anfang
an im Stil der Gefammtarchitektur mitentworfen, überwucherten fie allmählich
die fonft für Fresken frei gehaltenen Wandflächen und wirkten mit ihrer reichen
architektonifchen Geftaltung auf den Stil der Riefenbilder zurück, die zwifchen
ihren vorfpringenden, reich gegliederten, oft gewundenen Säulen eingefpannt
werden feilten. So kam es, dafs der Bedarf nach grofsen Altarbildern, wie
fchon bemerkt, niemals fo grofs war, als im fiebzehnten Jahrhundert, aber auch,
dafs diefe Altarbilder von Anfang an als Beftandtheile der Gefammtdecoration
gedacht waren und fleh daher mit ihren lebhaften Bewegungsmotiven, ihren leuch-
tenden Farben und den ftarken Contraflen in der linearen Maffenvertheilung ihrer
Compofitionen wie in ihren Licht- und Schattenwirkungen den decorativen Ge-
fetzen der flark ausladenden und bewegten Barockarchitektur fügten; und auf
diefe Weife wirkten die decorative NothWendigkeit und das Bedürfnifs der Zeit
nach der Schilderung leidenfchaftlichen geiftigen und äufseren Lebens zu-
fammen, um der Grossmalerei des Jahrhunderts, wie fie uns in den Altarblättern
von Meiftern, wie Rubens und Murillo, aber auch der italienifchen Eklektiker
und Naturaliften entgegentritt, jenes grofsartige Leben — aber auch jene breite,
refolute Technik zu geben, durch welche fie fich auszeichnen.
Gefchichte d. Malerei. III. 8
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Die freie und
die decora-
tive Malerei.
Die
fubjective
Auffassung.
Charakter
der
decorativen
Malerei.
Berechtigung und feine vergeiftigende Wirkung hat, wie der lineare Idealismus
Michelangelo’s. Die fubjective Auffaffung, welche fich während cliefes Zeit-
alters immer weiterer Kreife bemächtigt, zwingt unverfehens auch die einge-
fleifchteflen Anhänger einer realiftifchen Kunft, uns die Welt fo zu zeigen, wie
fie fich in ihrem eigenen Geifte eigenartig wiederfpiegelt, ihr alfo ein Stück
Geift von ihrem individuellen Geifte zu leihen und ihre Schöpfungen dadurch
unvermerkt in eine Sphäre geiftiger Anfchauung zu erheben. Uebrigens er-
zeugten gerade die Gegenfätze, welche das Zeitalter beherrfchten, jene willens-
ftarken Künftlerindividuen, denen es mit Bewufstfein hauptfächlich darum zu
thun war, ihrer fubjektiven Perfönlichkeit Geltung zu verfchaffen.
Allerdings kann fich eine folche Subjectivität in vollftem Mafse nur auf dem
Gebiete der ganz felbftändigen Malerei ausfprechen, der Malerei, welcher es bei
jedem Bilde nur auf die aus diefem felbft fich ergebenden Wirkungen ankommt,
vor allen Dingen der Cabinetsmalerei im Gegenfätze zur decorativen
Malerei, deren Wirkungen von vornherein durch beftimmte räumliche Bedingungen
gegeben und auf architektonifche Verhältniffe berechnet find. Jene feierte im
fiebzehnten Jahrhundert befonders in den realiftifchen Fächern, alfo in der
Porträtmalerei, im Sittenbild und in der einen Hälfte der Landfchaftsmalerei ihre
gröfsten Triumphe, diefe aber hatte fich zunächft den neuen Gefetzen der
barocken Architektur des Zeitalters zu fügen und erhielt dadurch von felbft
ein gutes Stück jenes Gepräges, welches ihr eigen ift. Monumental im ftrengen
Sinne der altitalienifchen Kunft ift die decorative Malerei nur feiten mehr. Die
Deckenmalerei fpielt eine wichtigere und eigenartigere Rolle, als die eigent-
liche Wandmalerei; und unter den Deckenmalereien erhielten, im Anfchlufs an
Correggios Kirchenkuppeln in Parma, vor allen Dingen die Kuppelgemälde,
die von Anfang an die Gefetze der ftrengeren Monumentalität zu umgehen ge-
fucht hatten, eine für das fiebzehnte Jahrhundert charakteriftifche Ausbildung
und Bedeutung. An den Wänden der Kirchen felbft aber wurden die Altäre Die Altäre,
jetzt immer zahlreicher, immer gröfser, immer reicher und üppiger. Von Anfang
an im Stil der Gefammtarchitektur mitentworfen, überwucherten fie allmählich
die fonft für Fresken frei gehaltenen Wandflächen und wirkten mit ihrer reichen
architektonifchen Geftaltung auf den Stil der Riefenbilder zurück, die zwifchen
ihren vorfpringenden, reich gegliederten, oft gewundenen Säulen eingefpannt
werden feilten. So kam es, dafs der Bedarf nach grofsen Altarbildern, wie
fchon bemerkt, niemals fo grofs war, als im fiebzehnten Jahrhundert, aber auch,
dafs diefe Altarbilder von Anfang an als Beftandtheile der Gefammtdecoration
gedacht waren und fleh daher mit ihren lebhaften Bewegungsmotiven, ihren leuch-
tenden Farben und den ftarken Contraflen in der linearen Maffenvertheilung ihrer
Compofitionen wie in ihren Licht- und Schattenwirkungen den decorativen Ge-
fetzen der flark ausladenden und bewegten Barockarchitektur fügten; und auf
diefe Weife wirkten die decorative NothWendigkeit und das Bedürfnifs der Zeit
nach der Schilderung leidenfchaftlichen geiftigen und äufseren Lebens zu-
fammen, um der Grossmalerei des Jahrhunderts, wie fie uns in den Altarblättern
von Meiftern, wie Rubens und Murillo, aber auch der italienifchen Eklektiker
und Naturaliften entgegentritt, jenes grofsartige Leben — aber auch jene breite,
refolute Technik zu geben, durch welche fie fich auszeichnen.
Gefchichte d. Malerei. III. 8