128
Sechstes Buch. Erfter Abfchnitt.
Bologna’s.
Sein letztes
Fresco.
Oelgemälde
in Parma.
Sein Ende.
Andere
Werke feiner
Hand.
Seine fpäte-
ren Gemälde
in der
Pinakothek
zu Bologna,
Seine
Bedeutung
als Kupfer-
ft edier.
hl. Martin«, in einer Kapelle der Kathedrale der letzteren Stadt und die ge-
waltigen, jetzt in der Galerie von Parma befindlichen Darftellungen der Apoftel,
wie fie den Leichnam der Maria zu Grabe tragen und wie fie im Grabe
Rofen ftatt der gen Himmel Erhobenen finden, gehören zu feinen packendften
und mächtigften Schöpfungen. Nach 1609 lebte Ludovico noch immer ein
Jahrzehnt und fchuf noch eine Reihe grofser Werke in feiner Vaterftadt, von
denen die impofante Darftellung der Verklärung Chrifti, das durch feinen
architektonifchen Hintergrund ausgezeichnete Gemälde der Berufung des
Apoftels Matthäus, das ftraff und lebendig componirte Bild der Bekehrung Pauli,
in Kirchen alle drei in der Pinakothek zu Bologna, die liebevoll durchgearbeiteten Gegen-
ftücke der Anbetung der Könige und der Befchneidung Chrifti in S. Barto-
lommeo di Reno (»La Pioggia«), die fchöne Darftellung des Paradiefes in S. Paolo
und »der Condolenzbefuch fämmtlicher Apoftel bei der trauernden Madonna«
(Burckhardt) im Kapitelzimmer der Kathedrale zu Bologna hervorgehoben
werden muffen. In diefer Kathedrale malte er auch fein letztes Fresco, die
coloffale Darftellung der Verkündigung in der Lünette über dem inneren Bogen
der Chornifche. Als das Gerüft nach der Vollendung diefes Werkes wieder
heruntergenommen wurde, entdeckte Ludovico, zu fpät, einen Zeichenfehler;
vergebens bat er die Baubehörde, das Gerüft auf feine eigenen Koften wieder
aufrichten zu dürfen; aus Schmerz über die Unmöglichkeit, feinen Fehler
zu verbeffern, verfiel er in ein hitziges Fieber und ftarb am 13. Nov. 1619.
Das Verzeichnifs feiner Bilder ift mit den genannten noch lange nicht voll-
zählig. Von feinen religiöfen Werken verdienten noch verfchiedene Bilder des
Schmerzensmannes und der Schmerzensmutter, auch Darftellungen der letzteren
mit dem Leichnam Chrifti (»Pieta«) und Grablegungen (in Bologna, Neapel,
Petersburg, Madrid, Paris, München) besprochen zu werden, Gemälde, in denen
er Accorde anfchlug, die in feiner ganzen Schule widerhallten; von feinen
weltlichen Werken möchten wir den decorativen Darftellungen über den Kaminen
verfchiedener Paläfte in Bologna und dem Gemälde der Venus, des Amor und
eines Satyr in der kaif. Galerie zu Wien unfere Aufmerkfamkeit fchenken; auch
könnte an einige Stech- und Radirverfuche des Meifters erinnert werden >); doch
mufs es genügen, an der Hand feiner Hauptbilder einen Ueberblick über feinen
Entwickelungsgang und die Ueberzeugung gewonnen zu haben, dafs er keines-
wegs nur der intellectuelle Urheber und Leiter der »akademifchen Reform«
Bologna’s, fondern auch bis zu feinem letzten Athemzuge einer ihrer energifchften
und erfolgreichften felbftfchöpferifchen Vertreter war.
Agoftino. Gehen wir nunmehr zur Betrachtung der felbftändigen 1 hätigkeit Agoßzno
Carracci’s über, fo müffen wir feine Bemühungen um den Kupferftich voran-
ftellen. Dafs er in der Goldfchmiedewerkftatt, in welcher er feinen erften
Unterricht empfing, mit dem Stichel umgehen lernte, ift bereits erwähnt worden.
Später wurde er befonders durch den zum Italiener gewordenen niederlän-
difchen Stecher Cornelis Cort (geft. 1578 zu Rom) beeinflufst, der in feinen
zahlreichen Stichen nach italienifchen Meiftern zuerft den freien, breiten Stil
der Stichelarbeit mit fetten, markigen Strichen in Italien durchgeführt hatte.
1) Bartfeh, Peintre. Graveur, XVIII. p. 23 — 28.
Sechstes Buch. Erfter Abfchnitt.
Bologna’s.
Sein letztes
Fresco.
Oelgemälde
in Parma.
Sein Ende.
Andere
Werke feiner
Hand.
Seine fpäte-
ren Gemälde
in der
Pinakothek
zu Bologna,
Seine
Bedeutung
als Kupfer-
ft edier.
hl. Martin«, in einer Kapelle der Kathedrale der letzteren Stadt und die ge-
waltigen, jetzt in der Galerie von Parma befindlichen Darftellungen der Apoftel,
wie fie den Leichnam der Maria zu Grabe tragen und wie fie im Grabe
Rofen ftatt der gen Himmel Erhobenen finden, gehören zu feinen packendften
und mächtigften Schöpfungen. Nach 1609 lebte Ludovico noch immer ein
Jahrzehnt und fchuf noch eine Reihe grofser Werke in feiner Vaterftadt, von
denen die impofante Darftellung der Verklärung Chrifti, das durch feinen
architektonifchen Hintergrund ausgezeichnete Gemälde der Berufung des
Apoftels Matthäus, das ftraff und lebendig componirte Bild der Bekehrung Pauli,
in Kirchen alle drei in der Pinakothek zu Bologna, die liebevoll durchgearbeiteten Gegen-
ftücke der Anbetung der Könige und der Befchneidung Chrifti in S. Barto-
lommeo di Reno (»La Pioggia«), die fchöne Darftellung des Paradiefes in S. Paolo
und »der Condolenzbefuch fämmtlicher Apoftel bei der trauernden Madonna«
(Burckhardt) im Kapitelzimmer der Kathedrale zu Bologna hervorgehoben
werden muffen. In diefer Kathedrale malte er auch fein letztes Fresco, die
coloffale Darftellung der Verkündigung in der Lünette über dem inneren Bogen
der Chornifche. Als das Gerüft nach der Vollendung diefes Werkes wieder
heruntergenommen wurde, entdeckte Ludovico, zu fpät, einen Zeichenfehler;
vergebens bat er die Baubehörde, das Gerüft auf feine eigenen Koften wieder
aufrichten zu dürfen; aus Schmerz über die Unmöglichkeit, feinen Fehler
zu verbeffern, verfiel er in ein hitziges Fieber und ftarb am 13. Nov. 1619.
Das Verzeichnifs feiner Bilder ift mit den genannten noch lange nicht voll-
zählig. Von feinen religiöfen Werken verdienten noch verfchiedene Bilder des
Schmerzensmannes und der Schmerzensmutter, auch Darftellungen der letzteren
mit dem Leichnam Chrifti (»Pieta«) und Grablegungen (in Bologna, Neapel,
Petersburg, Madrid, Paris, München) besprochen zu werden, Gemälde, in denen
er Accorde anfchlug, die in feiner ganzen Schule widerhallten; von feinen
weltlichen Werken möchten wir den decorativen Darftellungen über den Kaminen
verfchiedener Paläfte in Bologna und dem Gemälde der Venus, des Amor und
eines Satyr in der kaif. Galerie zu Wien unfere Aufmerkfamkeit fchenken; auch
könnte an einige Stech- und Radirverfuche des Meifters erinnert werden >); doch
mufs es genügen, an der Hand feiner Hauptbilder einen Ueberblick über feinen
Entwickelungsgang und die Ueberzeugung gewonnen zu haben, dafs er keines-
wegs nur der intellectuelle Urheber und Leiter der »akademifchen Reform«
Bologna’s, fondern auch bis zu feinem letzten Athemzuge einer ihrer energifchften
und erfolgreichften felbftfchöpferifchen Vertreter war.
Agoftino. Gehen wir nunmehr zur Betrachtung der felbftändigen 1 hätigkeit Agoßzno
Carracci’s über, fo müffen wir feine Bemühungen um den Kupferftich voran-
ftellen. Dafs er in der Goldfchmiedewerkftatt, in welcher er feinen erften
Unterricht empfing, mit dem Stichel umgehen lernte, ift bereits erwähnt worden.
Später wurde er befonders durch den zum Italiener gewordenen niederlän-
difchen Stecher Cornelis Cort (geft. 1578 zu Rom) beeinflufst, der in feinen
zahlreichen Stichen nach italienifchen Meiftern zuerft den freien, breiten Stil
der Stichelarbeit mit fetten, markigen Strichen in Italien durchgeführt hatte.
1) Bartfeh, Peintre. Graveur, XVIII. p. 23 — 28.